Noch immer stagniert die Wirtschaft in Deutschland – die Wirtschaftsweisen rechnen nicht mit einer schnellen Erholung der Konjunktur. Ein Blick auf drei deutsche Unternehmen, wie sie die derzeitige Lage erleben.
„Als Familienunternehmen mit über 125 Jahre Firmengeschichte sind wir durchaus immer zuversichtlich. Wir haben immer eine Lösung gefunden – für uns und unser Unternehmen“, sagt Rainer Gölz von Witte Automotive – und versucht, Gelassenheit auszustrahlen.
Sein Urgroßvater hat das Unternehmen gegründet – und heute stellen weltweit 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hochspezialisierte Schließsysteme für alle großen Automarken her. „Aber wir würden uns dennoch wünschen, dass die Rahmenbedingungen ein bisschen besser wären,“ schiebt Gölz hinterher.
In Deutschland beschäftigt Witte an verschiedenen Standorten etwas mehr als 1.000 Menschen. Die Automobil-Branche ist weltweit im Umbruch, gerade deutsche Unternehmen seien da derzeit im Nachteil, sagt Gölz: „Deutschland, das kann man ganz klar sagen, ist nicht wettbewerbsfähig.“
Der immer gleiche Dreiklang
Er sagt die Sätze, während hinter ihm eine neue Produktionsstraße aufgebaut und getestet wird. Die Produktionsstraße wird aber am Ende im Witte-Werk in Tschechien stehen – international aufgestellt zu sein, ist für das Unternehmen entscheidend. Und auch wenn der internationale Handel derzeit alles andere als ein sicheres Umfeld bietet – Stichwort US-Zölle: die eigentlichen Probleme sieht Gölz derzeit in Deutschland selbst.
Infrastruktur, Steuern, Bürokratie – man muss nicht lange warten, bis Gölz diesen Dreiklang nennt. Die neue Bundesregierung habe einiges richtiges in den Koalitionsvertrag geschrieben, so Gölz: „Das sind alles Themen, die auf dem Zettel der Politik stehen – aber das muss jetzt natürlich auch kommen.“ Große Hoffnungen setzt Gölz auf die Versprechungen in Sachen Bürokratie: Die Unionsparteien hatten angekündigt, Gesetze wie das Lieferkettengesetz zurück zu nehmen.
„Nicht heute Hü und morgen Hott“
„Wir wollen auch für unsere Kinder und Enkelkinder eine lebenswerte Situation haben. Aber wir brauchen nicht über 1000 Datenpunkte, die wir aufschreiben und berichten müssen. Da sind Signale da, diese Vorgaben zu erleichtern. Sowas hilft uns natürlich als Mittelständler.“
Gerade für seine eigene Branche, die Automobil-Industrie, wünscht sich Gölz Klarheit. Debatten über Treibstoffe und Antriebe seien wenig hilfreich, hätten vor allem Verunsicherung gebracht: „Ich glaube nicht, dass wir eine exakte Vorgabe brauchen, welche Technologie uns weiterhilft. Man kann nicht heute Hü und morgen Hott sagen. Das brauchen wir als Unternehmen überhaupt nicht.“
Kunden wollen für Nachhaltigkeit nicht zahlen
Planungssicherheit – das wünschen sie sich auch wenige Kilometer weiter in Remscheid. Hier wird rotglühender Stahl durch riesige Hydraulikpressen und Dampfhämmer geschmiedet. Bei Diro Stahl blicken sie auf mehr als 400 Jahre Geschichte zurück. In den riesigen Werkshallen entstehen Bauteile unter anderem für Windkraft-Turbinen.
Doch gerade das Thema Windkraft zeige, was alles schief laufe am Standort Deutschland. Jedenfalls sieht Geschäftsführer Markus Lüke das so. Sein Unternehmen hat darauf gesetzt, dass der Bedarf an Windkraftanlagen steigen würde, und sich darauf ausgerichtet. Doch immer mehr seiner Kunden bestellen lieber bei der chinesischen Konkurrenz, die ihre Produkte zum Teil halb so günstig anbietet.
„Unsere Kunden sind nicht bereit, einen Euro mehr für Nachhaltigkeit zu bezahlen,“ so Lüke. „Strom und Gas müssen günstiger werden, etwa indem die Stromsteuer und Netzentgelte gesenkt werden.“ Während eine knapp zehn Tonnen schwere Stahlscheibe aus dem garagengroßen 1.200 Grad heißen Ofen gezogen wird, rechnet Lüke vor: „Das musste jetzt anderthalb Tage auf 1.200 Grad erhitzt werden, das funktioniert zur Zeit nur mit Gas. Gas hat sich seit dem Ukraine-Krieg um den Faktor drei verteuert. Auch weil die Nebenkosten enorm gestiegen sind. Da muss die Politik ran.“
Ohne Sicherheit keine Investitionen
Von fünf Millionen auf etwa zehn Millionen Euro im Jahr sind die Energiekosten des Unternehmens in den letzten drei Jahren gestiegen, enorme Kosten für ein Unternehmen, das etwa 140 Millionen Euro Umsatz macht. Alleine der Gasverbrauch bei Diro Stahl ist so hoch wie der einer Kleinstadt mit 10.000 Haushalten. Kosten, die das Unternehmen durch Investitionen in eine KI-gestützte Produktion aufzufangen versucht.
Doch Investitionen fallen schwer, sagt Geschäftsführer Lüke, zu unsicher seien die Aussichten – und von der Politik vermisst er Unterstützung. „Wir als Unternehmen investieren in Märkte und Produkte. Dafür brauchen wir Sicherheit. Und wenn wir die Sicherheit, eine langfristige Versorgungssicherheit, eine stabile und kalkulierbare Wirtschafts- und Energiepolitik nicht haben, dann investieren wir nicht.“ Dann helfe es auch nicht, dass die Bundesregierung 30 Prozent Abschreibungen für Investitionen schaffen will. „Wir investieren nicht wegen Abschreibungen,“ sagt Lüke.
Regulierung lähmt Innovationskraft
Eigentlich sei Deutschland ein guter Standort, findet Annika von Mutius, die sich ihre Heimat bewusst für die Gründung ihres Start-Ups Empion ausgesucht hat. Denn hier gebe es alles, was es brauche – allerdings mit einem großen Manko: „Wir haben die Talente, wir haben das Geld, wir haben die Forschung, ganz starke Universitäten, aber wir schaffen es nur nicht das alles in die Anwendung zu bringen.“
Die Gründerin, die sich auch im KI Verband engagiert, wünscht sich – ähnlich wie die Vertreter anderen Branchen – weniger Regulierung durch die Politik und mehr Freiheiten: „Ein großes Thema ist das Thema Arbeitsmarkt, wir müssen den dringend flexibilisieren – es muss möglich sein, dass man auch entlässt – etwa aus Performance-Gründen.“
Deutschland investiere zwar viel in Digitalisierung – 70 Milliarden Euro in den letzten Jahren -, gleichzeitig seien Regeln wie die Datenschutzgrundverordnung oder die Regeln der EU für künstliche Intelligenz Investitionshemmnisse. „Es gibt gerade in unserem Bereich wahnsinnig viele Unternehmen, die Lust auf Innovation haben, aber sich auf Grund der Regulierungen einschränken lassen. Und jetzt gilt es mehr denn je, dass die Politik uns Unternehmer arbeiten lässt und uns nicht weiter einschränkt.“