Psychische Erkrankungen können zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Die Universität Bielefeld hat ein Modellprojekt gestartet, das Betroffenen helfen soll, eine geregelte Arbeit zu finden.31.01.2025 | 5:13 min
Daniel Gäbler hat seit Oktober wieder einen festen Vertrag. Erstmal nur für 15 Stunden im Monat. Er weiß, dass das nur wenig ist, aber für ihn ist es der Weg aus der Abwärtsspirale Langzeitarbeitslosigkeit: „Das ist für mich zunächst nur ein Anfang und ich bin dankbar für diese zweite Chance.“
Gäbler arbeitet als Aufsicht im Kunstforum Hermann Stenner in Bielefeld. Von dem Gehalt kann er noch nicht leben, er bekommt weiterhin Bürgergeld.
Durch Corona aus der Bahn geworfen
Ich war auch oft selbst auf mich wütend, weil ich mir gedacht habe, warum kannst du das nicht, was andere können?
Daniel Gäbler
Burnout ist schon lange keine „Managerkrankheit“ mehr. Die Fälle steigen. Gründe dafür sind unter anderem Überlastung, ständige Erreichbarkeit und der Druck, Leistung zu zeigen.24.10.2024 | 14:17 min
BiSi: trotz psychischer Erkrankung in den Arbeitsmarkt
Wir suchen vorort Unternehmen, die diesen Schritt mit uns gehen wollen und dann arbeiten die Klienten dort zunächst sehr niedrigschwellig, wenige Stunden.
Rüdiger Klein, Projekt BiSi
„Damit überhaupt wieder eine Routine erarbeitet werden kann“, ergänzt Klein. Mit einer Gruppe von 30 Klienten wurde vor zwei Jahren gestartet, und fast alle haben inzwischen wieder eine Beschäftigung gefunden.
Der Bedarf an Unterstützung ist immens: Gut die Hälfte aller Menschen mit einer psychischen oder Suchterkrankung ist nicht beschäftigt und hat keine Tagesstruktur, was das Krankheitsbild in der Regel verstärkt.
Ängste überwinden und Fehlversuche akzeptieren
Wissenschaftlich begleitet wurde das erfolgreiche Projekt vom evangelischen Klinikum Bethel. Lorenz Dehn, der am Klinikum forscht, sieht das Thema als einen Auftrag für die Gesellschaft: „Dass man psychisch erkrankt, das kann wirklich schnell passieren und es kann dann auch schnell passieren, dass das chronifiziert.“
Und dann möchte ich auch, dass mir dann auf allen Ebenen, in allen Stufen geholfen wird und versucht wird, mich wieder Teil der Gesellschaft werden zu lassen.
Lorenz Dehn, Evangelisches Klinikum Bethel
Deutsche Unternehmen klagen über fehlende Arbeitskräfte. Gleichzeitig gibt es 2,8 Millionen Arbeitslose. Wie kann das sein?01.05.2024 | 53:36 min
Bei Daniel Gäbler hat es geklappt. Bei langen Gesprächen wurde herausgearbeitet, welcher Job für ihn in Frage kommt. Dazu gehören auch Fehlversuche.
Eine große Hürde war für ihn der öffentliche Nahverkehr, den er seit der Corona-Pandemie nur noch mit vielen Ängsten erlebte. „Diese Ängste zuzugeben, war schon eine echte Herausforderung für mich und dann habe ich Fahrtraining gemacht und meine Ängste überwunden.“
Vorurteile gegenüber Langzeitarbeitslosen abbauen
Rüdiger Klein von dem Projekt BiSi schaut mit großen Sorgen auf die zum Teil emotionalisierte Debatte über Langzeitarbeitslose, die wegen einer chronischen Erkrankung nicht arbeiten können.
Wenn man den Job verliert, ist es oft unklar, wie es weitergeht, zumal freie Stellen häufig nicht genau da sind, wo man wohnt.28.03.2024 | 1:43 min
Es geht hier oft nicht um Menschen, die nicht wollen. Es geht um Menschen, die unbedingt wollen, aber noch nicht können.
Rüdiger Klein, Projekt BISI
Auch Gäbler kennt die Vorurteile und die Stigmatisierung von Langezeitarbeitslosen: „Ich hatte dadurch auch eigentlich den Glauben an mich verloren und mich oft geschämt, mich wie ein Versager gefühlt.“
Verzicht auf Bürgergeld aus Scham
Scham spielt eine große Rolle bei Leistungsempfängern, das weiß auch Olaf Groh-Samberg. Der Soziologe ist Sprecher vom Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt:
Es wird geschätzt, dass mindestens ein Drittel der Personen, die eigentlich Anrecht auf Bürgergeldleistungen hätten, dieses nicht beziehen – ein erheblicher Anteil schlicht, weil man sich schämt.
Olaf Groh-Samberg, Soziologe
Ist Bürgergeld sozial gerecht oder oder ein Signal in die falsche Richtung? 17.12.2024 | 9:20 min
„Diese sogenannte „verschämte“ Armut übertrifft den sogenannten Missbrauch um ein Vielfaches“, so Groh-Samberg.
Trotz Erfolgen: BiSi nicht weiter finanziert
Das Projekt BiSi gab es bundesweit nur in Bielefeld. Trotz der Erfolge wird die Finanzierung vom Landschaftsverband Westfalen nicht fortgesetzt. Ein typisches Symptom der aktuellen Politik für Groh-Samberg: „Es ist leider so, dass gerade solche Projekte, die tatsächlich Hilfestellungen bieten, die aber nicht zur absoluten Grundversorgung zählen, zuerst gekürzt wird.“
Dahinter stecke auch ein grundlegenderes Problem:
Wenn man den Slogan „Fördern und Fordern“ nämlich wirklich ernst nimmt, zeigt sich ganz schnell, dass das Fördern wesentlich teurer ist als das Fordern.
Olaf Groh-Samberg, Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt
Quelle: dpa