
Tempo 30, weniger Parkplätze, autofreie Innenstadtachsen, Ausbau des Radverkehrs und neue Busspuren. Es tut sich was in deutschen Innenstädten – es geht um die viel beschworene Verkehrswende. Während die Maßnahmen auf dem Papier gut klingen, lehnt die Bevölkerung die Ideen oft ab. Zuletzt in Berlin, wo es viel Streit um verkehrsberuhigte Zonen in einigen Innenstadtbereichen gab. Verstehen die Kommunen die Bevölkerung nicht mehr oder liegt das Problem woanders?
In vielen deutschen Kommunen wurden in den vergangenen Jahren Programme zur nachhaltigen Mobilität aufgesetzt. Es gibt Förderprogramme für Lastenräder, städtische Strategien zur Reduktion des Autoverkehrs, Pläne für neue Tramlinien oder Schnellbusachsen. Doch selbst gut gemeinte Vorhaben werden schnell zum Politikum, wenn Anwohnerparkplätze entfallen, Straßen umgebaut oder Geschwindigkeiten reduziert werden. Der öffentliche Widerstand ist oft lautstark, die Verwaltung ist darauf selten gut vorbereitet. Häufig fehlt es an einem ganzheitlichen Ansatz, der verschiedene Mobilitätsformen integriert und infrastrukturelle wie soziale Aspekte miteinander verknüpft.
Maßnahmen ohne Kommunikation
Dabei zeigt sich: Es ist nicht die Maßnahme selbst, die zum Problem wird, sondern wie sie vermittelt wird. Wer einen Fahrradweg einrichtet, aber nicht erklärt, warum dafür eine Spur für Autos weggenommen hat, riskiert Ablehnung. Wer einen Parkplatz abbaut, ohne eine Alternative aufzuzeigen, verliert das Vertrauen. Die Verkehrswende verlangt mehr als nur städtebauliche Eingriffe – sie benötigt eine Kommunikationsstrategie. Eine Verwaltung, die ihre Entscheidungen gut begründet und proaktiv kommuniziert, kann Vertrauen schaffen. Eine Politik, die nicht nur reagiert, sondern erklärt, kann Orientierung bieten.
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Städte wie Hamburg beweisen, dass Wandel möglich ist. Die Hansestadt hat in den vergangenen Jahren nicht nur massiv in den öffentlichen Nahverkehr investiert, sondern Projekte wie den Ausbau des Radschnellwegenetzes oder autofreie Quartiere konsequent vorangetrieben. Das Busnetz wurde optimiert, Haltestellen modernisiert und Mobilitätsstationen etabliert. Und: Man erklärt der Bevölkerung, was warum passiert. Öffentliche Beteiligung, verständliche Kommunikation und sichtbare Verbesserungen im Alltag haben dort für breite Zustimmung gesorgt.
In Berlin dagegen wirkt die Mobilitätswende oft wie ein politisches Taktieren. Verwaltung und Politik blockieren einander, Projekte verlaufen im Sande, Streit um Zuständigkeiten lähmt jeden Fortschritt. Fahrradwege enden im Nichts, Pilotprojekte scheitern an der Bürokratie. Der politische Wille allein reicht eben nicht, wenn Umsetzungen scheitern – und die öffentliche Wahrnehmung kippt, wenn sichtbare Erfolge ausbleiben. Das führt zu Frust und Widerstand – nicht nur unter Autofahrern, sondern auch bei denen, die eigentlich bereit wären, neue Wege zu gehen.
Moderne Mobilität muss sich verändern
Dabei ist klar: Verkehrspolitik ist Klimapolitik. Ohne eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs lassen sich die Klimaziele nicht erreichen. Der Verkehrssektor ist einer der wenigen Bereiche, in denen die CO₂-Emissionen seit Jahren stagnieren oder sogar steigen. Und trotzdem behandeln viele Kommunen Mobilität noch als Nebenschauplatz. Dabei sind es genau diese lokalen Maßnahmen, die die große Wirkung entfalten könnten – nicht nur für das Klima, sondern auch für die Lebensqualität in den Städten. Weniger Lärm, bessere Luft, sicherere Wege: Die positiven Effekte einer gelungenen Verkehrswende sind längst belegt.
Die Verkehrswende scheitert nicht an Technik oder Finanzierung, sondern an Umsetzung und Haltung. Verwaltungen setzen Projekte oft halbherzig um, aus Angst vor Konflikten. Und die Kommunikation mit der Bevölkerung ist oft nicht mehr als ein Pflichttermin. Wenn die Wende gelingen soll, braucht es nicht nur Fahrradwege und E-Busse, sondern auch Mut, Durchhaltevermögen und die Fähigkeit, Veränderung zu erklären. Die Verkehrswende ist kein Verwaltungsakt, sie ist ein Gesellschaftsprojekt.
Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.
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