Liebe Mandanten und Freunde,
an dieser Stelle möchten wir Ihnen von Zeit zu Zeit interessante Themen aus der erbrechtlichen und erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Praxis vorstellen.
Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und helfen Ihnen bei Fragen gern. Ihr BBT-Team.
1. Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.07.2024, Az. II R 20/22
In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs ging es um folgenden einfachen Sachverhalt:
Der Kläger erhielt mit Vertrag vom 03.11.2016 von seiner Schwester ein Darlehen in Höhe von 1.875.768,05 €. Der Kläger hatte das Darlehen im Zusammenhang mit der Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes seines Vaters aufgenommen. Das Darlehen galt als zum 01.01.2016 ausgezahlt. Die Darlehenssumme wurde rückwirkend zum 01.01.2016 mit 1 % verzinst. Das Darlehen wurde auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden.
Mit Bescheid vom 29.11.2017 setzte der Beklagte, das Finanzamt (FA), Schenkungsteuer in Höhe von 229.500 € fest. Dabei ging das FA von einem steuerpflichtigen Erwerb in Höhe von 785.008 € mit Wirkung zum 01.01.2016 aus. In der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme zur Nutzung sah es eine freigebige Zuwendung in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 % und dem Zinssatz für den einjährigen Betrag der Nutzung einer Geldsumme gemäß § 15 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 5,5 %. Da es sich um Nutzungen und Leistungen von ungewisser Dauer handelte, bewertete es den Nutzungsvorteil gemäß § 13 Abs. 2 Halbsatz 2 BewG mit dem 9,3 fachen des Jahreswerts von 84.409,56 (1.875.768,05 € x 4,5 %), also mit 785.008,91 €.
Der Kläger legte gegen den Schenkungsteuerbescheid erfolglos Einspruch ein. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb ebenfalls erfolglos.
In seiner Begründung stellte das Finanzgericht zunächst fest, dass die Kreditzinsen für wirtschaftlich selbständige Personen – so auch für den Kläger – bei einer Zinsbindung von einem bis fünf Jahren im Jahr 2016 nach Angabe der Deutschen Bundesbank bei durchschnittlich 2,81 % lagen. Im Streitfall sei nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger auf dem Kapitalmarkt eine vergleichbare Finanzierung zu einem niedrigeren Zinssatz als 5,5 % habe erhalten können. Die vom Kläger vorgelegten Kreditangebote seien für einen Nachweis nicht geeignet. Demensprechend ging das Finanzgericht bei der Bewertung der Zuwendung vom gesetzlich typisierten Zinssatz i. H. von 5,5 % aus, da kein anderer Zins-Wert „feststehe“ (§ 15 Abs. 1 BewG).
Dieser Argumentation ist der Bundesfinanzhof nicht gefolgt. Denn das Finanzgericht selbst habe festgestellt, dass die Darlehenszinsen für wirtschaftlich selbständige Personen nach Angaben der Deutschen Bundesbank und auf Basis der vereinbarten Darlehenskonditionen bei 2,81 % gelegen haben. Es komme in diesem besonderen Fall nicht darauf an, ob der festgestellte Zinssatz darauf zurückzuführen ist, dass der Steuerpflichtige diesen Zinssatz durch einschlägige Vergleichsangebote nachgewiesen hat. Dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 BewG sei nicht zu entnehmen, dass der Steuerpflichtige einen anderen Wert nachweisen muss. Der als Schenkung anzusehende Zinsvorteil ergebe sich somit aus der Differenz zwischen dem vom Finanzgericht festgestellten marktüblichen Darlehenszinssatz i. H. von 2,81 % und dem vereinbarten Zinssatz i. H. von 1 %.
Der BFH hatte den Wert der freigebigen Zuwendung und die festzusetzende Schenkungsteuer daraufhin entsprechend selbst berechnet und die Schenkungsteuer auf einen reduzierten Wert von 59.140 € (statt 229.500 €) festgesetzt, auf Basis eines Nutzungsvorteils bzw. steuerpflichtigen Erwerbs von 315.748,02 € (9,3 fache des Jahreswerts von 33.951,40 (1.875.768,05 € x 1,81 %)), statt 785.008 €.
2. Schlussfolgerung für die Praxis
Grundsätzlich bedeutet die Vereinbarung eines Darlehenszinssatzes unterhalb des marktüblichen Zinssatzes eine Schenkung an den Darlehensnehmer, die dieser im Zweifel zu versteuern hat, wenn persönliche Freibeträge überschritten werden.
Nach Aussage des Bundesfinanzhofes kann man sich für die Ermittlung des marktüblichen Zinssatzes nun an den Statistiken der Deutschen Bundesbank orientieren, die nach der Dauer der Zinsbindung und der Art des Vertragspartners (z. B. Privatperson oder wirtschaftlich selbstständige Privatperson) differenzieren. Um spätere steuerliche Rechtsstreitigkeiten über Schenkungen wegen eines zu geringen Zinssatzes zu vermeiden, sollten entsprechende Auszüge aus den Statistiken archiviert werden, um damit den marktüblichen Zinssatz später eindeutig belegen zu können.
Konkrete Kreditangebote sind nach Aussage des Bundefinanzhofes nicht erforderlich, können für eine ergänzende Beweisführung aber durchaus sinnvoll sein.
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