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Deutsche und europäische Stahlhersteller klagen schon seit langem über hohe Kosten und einen unfairen Wettbewerb mit Rivalen aus Asien. Wie schwierig ist ihre Lage tatsächlich? Ein Blick auf einige Zahlen und Fakten.
Welche Länder sind in der Stahlproduktion vorne?
Die Region mit der weltweit höchsten Stahlproduktion ist Asien. Dort werden nach Angaben des europäischen Wirtschaftsverbands Eurofer knapp drei Viertel des globalen Rohstahls produziert. Auf dem zweiten Platz folgt die Europäische Union. Allerdings macht europäischer Stahl gerade einmal 14 Prozent der weltweiten Stahlproduktion aus.
In Asien selbst ist China führend, aber auch Indien hat einige große Stahlkonzerne. Innerhalb der EU ist Deutschland der größte Stahlproduzent.
Wie viel Stahl wird in Deutschland hergestellt?
Wegen harter Konkurrenz aus dem Ausland und der Konjunkturschwäche stellt Deutschlands Stahlbranche aktuell jedoch deutlich weniger her. Die Rohstahlproduktion im Inland ist im ersten Halbjahr 2025 laut der Wirtschaftsvereinigung Stahl um knapp zwölf Prozent auf 17,1 Millionen Tonnen gesunken. Sie liege damit auf dem Niveau der Finanzkrise im Jahr 2009.
Im Jahr 2024 lag die Rohstahlproduktion bei 37,2 Millionen Tonnen. So blieb die erzeugte Menge zum dritten Mal in Folge unter der 40-Millionen-Tonnen-Grenze und damit auf Rezessionsniveau. Die Firmen leiden besonders unter der schwachen Inlandsnachfrage aus wichtigen Abnehmerbranchen wie Bau, Maschinenbau und Automobilindustrie.
Der Branche machen außerdem die hohen Kosten der energieintensiven Produktion zu schaffen, gleichzeitig drängen ausländische Billigproduzenten auf den Markt. Auch die US-Zollpolitik ist ein massiver Belastungsfaktor.
Wie viel Umsatz macht die Branche?
Die schwache Entwicklung zeigte sich 2024 auch bei den Erlösen. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Stahlindustrie zum zweiten Mal in Folge einen Umsatzrückgang – minus 5,3 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr.
Wo stehen die deutschen Hersteller?
Auf dem Weltmarkt spielen die deutschen Stahlunternehmen eine eher untergeordnete Rolle. Von den weltweit zehn größten Konzernen, gemessen nach Produktionsmenge, sitzen sechs in China. Lediglich ein Hersteller stammt aus Europa. ArcelorMittal ist zwar auch in Deutschland mit Produktionsstandorten in Bremen und Eisenhüttenstadt (Flachstahl), sowie in Hamburg und Duisburg (Langstahl) aktiv, sitzt aber in Luxemburg und wird teilweise aus London geführt.
Der erste deutsche Konzern – Thyssenkrupp Steel – landet auf Rang 42. Chinesische Konkurrenten produzierten dieselben Güter und „besetzen den europäischen, den deutschen Markt, gehen 50 Prozent unter Marktpreis, machen unsere Firmen kaputt“, kritisierte jüngst CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Danach würden die Preise aber wieder angehoben. Linnemann rief daher die EU zu Strafzöllen auf.
Wie steht es um die Energiepreise?
Billigkonkurrenz durch Stahl aus China wird in Europa schon seit langem als Problem angesehen. Das liege auch an den im internationalen Vergleich hohen Stromkosten hierzulande, klagen die Unternehmen. Firmen seien daher nicht wettbewerbsfähig. Auch die IG Metall warnt, ohne wettbewerbsfähige Energiepreise drohten Zehntausende Arbeitsplätze verloren zu gehen.
Unternehmen mit besonders hohem Energiebedarf sollen ab dem kommenden Jahr durch einen staatlich subventionierten Industriestrompreis entlastet werden, wie Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) diese Woche ankündigte. Der Industriestrompreis beinhaltet unter anderem Umlagen, Steuern und Netzentgelte. Netzentgelte sind eine Gebühr, die für das Nutzen des Stromnetzes erhoben wird.
Als die russischen Gaslieferungen infolge des Angriffs auf die Ukraine ausblieben, stiegen auch die Strompreise 2022 massiv an. Denn Strom wird hierzulande auch aus Gaskraftwerken produziert. Seitdem ist der Industriestrompreis aber wieder gesunken – eigentlich auf Vorkriegsniveau. Zuverlässige Vergleichsdaten, wie viel Industriebetriebe in unterschiedlichen Regionen auf der Welt für ihren Strom bezahlen, gibt es nicht.
Wie viele Beschäftigte arbeiten in der Branche?
Der Wirtschaftsvereinigung Stahl zufolge sind in Deutschland insgesamt etwa vier Millionen Menschen in den größten stahlintensiven Branchen beschäftigt. Konkret in der Stahlproduktion arbeiten laut dem Bundeswirtschaftsministerium rund 90.000 Menschen. In der Branche droht jedoch ein massiver Personalabbau.
So hatte etwa Salzgitter angesichts der schwachen Entwicklung sein laufendes Sparprogramm im Frühjahr deutlich verschärft. Bis 2028 sollen jährlich 500 Millionen Euro eingespart werden. Sparen will das Unternehmen vor allem bei Einkauf, Logistik und Vertrieb. Auch Investitionen sollen eventuell verschoben werden. Ganz ohne Stellenabbau werde es aber nicht gehen, räumte der Konzern ein.
Und auch Deutschlands größter Hersteller Thyssenkrupp hat für seine Stahlsparte ein Sparprogramm aufgelegt, das einen deutlichen Abbau der Kapazitäten und die Streichung Tausender Stellen umfasst. Das Unternehmen hatte zum Jahreswechsel noch 27.000 Beschäftigte, 2030 sollen es nur noch 16.000 sein – durch die Verringerung der Kapazitäten und den Wegfall von Stellen, aber auch durch die Auslagerung oder den Verkauf von Unternehmensteilen.
Mit Informationen von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion.
