Seit 2014 gibt es praktisch keinen Fortschritt beim Anteil der weiblichen Führungskräfte in deutschen Chefetagen. Auch im europäischen Vergleich hinkt Deutschland derzeit hinterher.
Der Anteil weiblicher Führungskräfte in Deutschland hat sich seit dem Jahr 2014 kaum verändert. Damals lag er mit 29,0 Prozent nur 0,1 Prozentpunkte niedriger als im vergangenen Jahr, als es 29,1 Prozent waren, wie das Statistische Bundesamt heute mitteilte. „Dieser Wert lag deutlich unter dem Durchschnitt der Europäischen Union (EU) von 35,2 Prozent“, so die Statistiker.
Schweden hat den höchsten Frauenanteil
Im EU-Durchschnitt stieg der Anteil der Chefinnen dagegen in diesem Zeitraum um 3,4 Prozentpunkte. Besonders stark wuchs er in Schweden (plus 7,3 Prozent), Estland (plus 7,2) sowie in den Inselstaaten Zypern (plus 7,8) und Malta (plus 10,3 Prozent).
Den Spitzenplatz im EU-Vergleich belegte im vergangenen Jahr erneut Schweden mit einem Frauenanteil von 44,4 Prozent. Relativ hohe Quoten verzeichneten auch Lettland, wo 43,4 Prozent der Führungsetagen mit Frauen besetzt sind. In Polen sind es 41,8 Prozent. Das Schlusslicht bildet Zypern, dort sind nur 25,3 Prozent der Führungskräfte weiblich.
„Spielräume, Sorgearbeit fair zu verteilen“
Die Entwicklung sei „besorgniserregend, aber angesichts der politischen Realität in Deutschland leider nicht überraschend“, sagte die wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Bettina Kohlrausch. Frauen würden in ihren Karriereoptionen behindert, da Erwerbsarbeit extrem schwierig mit Sorgearbeit vereinbar sei. Diese werde immer noch überwiegend von Frauen geleistet.
„Gegenwärtig gibt es keinerlei politische Diskussionen, geschweige denn Vorschläge, daran etwas zu ändern“, sagte Kohlrausch. Im Gegenteil würde die gerade debattierte Abschaffung der täglichen Arbeitszeitbegrenzung die Vereinbarkeit für Frauen erschweren und geschlechtsspezifische Muster der Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit eher forcieren.
„Wir brauchen hingegen Arbeitszeitregelungen, die Planungssicherheit schaffen und die familiären Spielräume, Sorgearbeit fair zu verteilen, vergrößern“, forderte die Expertin.
Fast so viele Frauen erwerbstätig wie Männer
Die stagnierende Entwicklung ist auch aus einem weiteren Grund bedenklich. „Der geringe Anteil an Frauen in Leitungspositionen in Deutschland fällt besonders auf, da hier fast ebenso viele Frauen erwerbstätig sind wie Männer“, schreiben die Statistiker. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen lag 2024 bei 46,9 Prozent und damit leicht über dem EU-Durchschnitt von 46,4 Prozent.
Demgegenüber war der Anteil von Frauen in Führungspositionen in Italien mit 27,9 Prozent auf einem ähnlichen Niveau wie in Deutschland, allerdings bei einem niedrigeren Frauenanteil an allen Erwerbstätigen von 42,5 Prozent. In Österreich wiederum war der Anteil der weiblich besetzten Top-Positionen mit 36,2 Prozent deutlich höher als in Deutschland bei einer ähnlichen Quote von Frauen an allen Erwerbstätigen (47,5 Prozent).
