Reportage
Sie gelten als Rückgrat der US-Wirtschaft: Kleinunternehmen in den USA. Aber gerade sie werden von Donald Trumps Zollpolitik hart getroffen – und hoffen nun auf eine Einigung mit China.
Wer in San Francisco das Glück kaufen will, muss mehr bezahlen. Bunte Lampions baumeln über der kleinen Seitenstraße in San Franciscos Chinatown. Hier produziert Kevin Chans Familie seit 63 Jahren Glückskekse. Aus der ganzen Welt kommen Touristen in seinen Laden. Sein kleines Geschäft ist zum Spielball in einem Handelskrieg zwischen den Supermächten USA und China geworden.
Die kleinen gelben Boxen, in denen Ladenbesitzer Chan die Kekse einzeln verkauft, sind nur ein Produkt, das er aus China bezieht, und das wegen der Zölle teurer geworden sei. Deshalb musste er seine Preise erhöhen. Vorher habe er den Glückskeks in der Box für einen Dollar verkauft. Jetzt sind es 1,30 Dollar. „Viele Kunden fragen: Verkaufen Sie Gold?“, scherzt er. Dabei ist ihm eigentlich nicht nach Witzen zumute.
Unsicherheit – ein großes Problem
Die Kekse werden in dem kleinen Laden in Handarbeit einzeln gebacken, gefaltet und verpackt. Made in USA. Aber: 80 Prozent des Materials, das er für Herstellung und Verpackung braucht, bezieht er aus China. Er könne nicht einfach umschwenken und Produkte wie die Boxen für die Kekse woanders einkaufen, so Chan. Nirgendwo sonst bekomme er die gleiche Qualität so günstig wie in China.
Kevin Chan in seinem Glückskeks-Laden in San Francisco.
Das Hin und Her aus angedrohten Zöllen und kurzfristigen Aufschüben könne er mit seinem kleinen Betrieb nicht abpuffern. Und er ist nicht alleine. Mehr als 1.000 Kleinunternehmen beleben San Franciscos Chinatown. Ein Problem vieler Händler: Sie können nicht flexibel auf angekündigte Zölle reagieren, sagt Donald Luu. Er ist Präsident der Handelskammer in San Franciscos Chinatown. Vorräte anlegen, um Zölle zumindest kurzfristig nicht an die Kunden weitergeben zu müssen, funktioniert für viele kleine Unternehmen nicht. Dafür seien die Mietpreise für Lagerräume zu hoch, oft sei zu wenig Kapital vorhanden.
Kleine Firmen sind besonders betroffen
Vieles, was aus China in die USA importiert wird, kommt auf riesigen Containerschiffen in den Häfen von Los Angeles und Long Beach an. Von seinem Bürofenster aus überblickt Geschäftsführer Gene Seroka die riesigen Schiffe und Kräne.
Laut einer aktuellen Analyse der Federal Reserve Bank of Atlanta haben 86 Prozent der Unternehmen, die in den USA Waren über den Seeweg importieren, weniger als 50 Mitarbeiter. Anders als große Unternehmen beziehen sie ihre Produkte üblicherweise von einem Händler aus einem Land. Das macht sie verwundbarer. Gleichzeitig sind die von ihnen importierten Produkte meist weniger komplex und durch Alternativen aus anderen Ländern leichter ersetzbar.
Gene Seroka, Geschäftsführer der Häfen von Los Angeles und Long Beach.
Schon im Wahlkampf hatte Donald Trump mit Zöllen von bis zu 60 Prozent auf chinesische Produkte gedroht. Auch deshalb hätten Unternehmen, die es sich leisten konnten, schon länger Vorräte angelegt, um ihre Produkte trotz Zöllen zu alten Preisen an ihre Kunden verkaufen können, beobachtet Seroka. Doch die Lager leeren sich. Dann werde man vermutlich auch bei diesen Unternehmen sehen, dass die Preise an die Konsumenten weitergegeben werden, so Seroka. So wie das in der Glückskeksfabrik von Familie Chan bereits geschieht.
Unternehmen zögerlich mit Investitionen
Unsicherheit bestimmt Alltag des Hafenchefs. Momentan bestehe sein Job zu 90 Prozent darin, mit seinen Geschäftspartnern auf der ganzen Welt über die Zölle zu sprechen, sagt Seroka. Wann kommt die nächste Zollankündigung? Treten angekündigte Zölle wirklich in Kraft?
Amerika zuerst – das ist Donald Trumps Handelsstrategie. Der Schutz von amerikanischen Unternehmen, Marken und damit Arbeitsplätzen in den USA hat auch für Gene Seroka Priorität. Er sei nicht per se gegen Zölle. Aber es müsse genau hingeschaut werden. Wenn es um internationalen Handel geht, gebe es nicht die eine Lösung.
Im Hafen von Los Angeles kommen viele Waren aus China an.
Genau das sei ein entscheidender Unterschied zwischen Donald Trumps Handelspolitik und der seiner Vorgänger, sagt Sarah Beran. Sie hat die Biden-Regierung im Nationalen Sicherheitsrat zu China beraten. Dass China eine ernste Bedrohung für den amerikanischen Markt darstelle und man einen Weg finden müsse, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen – das sei auch das Ziel von Vorgängerregierungen gewesen.
Die Biden-Regierung habe allerdings auf internationale Allianzen mit Verbündeten und Partnern gesetzt, so Beran. Dass die Trump-Regierung Zölle als einziges Mittel der Wahl nutze, unterscheide sich deutlich von der Handelspolitik der Vorgängerregierungen. Sie warnt: Momentan hielten Unternehmen sich mit größeren Investments in den USA zurück, weil die Lage durch den Zollkonflikt zu volatil, zu unsicher sei. Es brauche Planbarkeit.
Die fordert auch Kevin Chan in der Glückskeksfabrik. Er hofft auf eine Einigung mit China. Und zwar auf einen langfristigen Deal. Stabilität – das ist das Einzige, was für ihn als Geschäftsmann zählt.

