Seltene Erden sind für unser tägliches Leben unabdingbar. Doch China kontrolliert den Markt fast allein und hat seit April die Exporte eingeschränkt. Wie abhängig Europa ist und welche Lösungen es gibt.
Ein ehemaliger Weltkriegsbunker im Osten Frankfurts: Von außen unscheinbar, doch hier lagern Rohstoffe von unschätzbarem Wert: Sie heißen Dysprosium, Terbium oder auch Neodym – sogenannte seltene Erden. Matthias Rüth, Geschäftsführer der Firma Tradium, die mit den Rohstoffen handelt, zeigt auf große blaue Fässer: „Alles Rohstoffe, die unser modernes Leben dringend benötigt.“ Sein Unternehmen kauft sie fast ausschließlich in China – und beliefert damit Industriekunden aus aller Welt und unterschiedlichen Branchen.
Doch die Situation ist seit einigen Monaten angespannt: Im Handelsstreit mit den USA hat China den Export vieler seltenen Erden stark eingeschränkt. Einige der 17 seltenen Erden werden gar nicht mehr oder nur sehr wenig exportiert. Auch Rüth merkt, dass die verbrauchende Industrie nervös ist.
China dominiert den Markt
Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 chemischen Elementen. Sie stecken etwa in Autos, Maschinen, Handys, Medizintechnik oder Windrädern. Meist sind sie in leistungsstarken Permanentmagneten verbaut. Der Name ist dabei irreführend: So rar sind die seltenen Erden gar nicht, denn die begehrten Metalle kommen weltweit in der Erdkruste vor.
China dominiert derzeit den Markt, so werden etwa 70 Prozent dort abgebaut. Auch die aufwendige Weiterverarbeitung findet mit einem Anteil von rund 90 Prozent vorwiegend in der Volksrepublik statt. Deutschland importiert etwa zwei Drittel seines Bedarfs von dort, so das Statistische Bundesamt. Der Anteil dürfte allerdings noch höher sein, da auch beim übrigen Drittel häufig China am Anfang der Lieferkette steht.
Rohstoffexperte Martin Erdmann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) unterstreicht zudem: „Es gibt nur noch sehr wenige Leute außerhalb Chinas, die wirklich wissen, wie schwere seltene Erden beispielsweise separiert werden können.“ Laut ihm sind Chinas Exportbeschränkungen ein Warnschuss für Industrie und Politik. Die Regierung in Peking hat also mit den seltenen Erden ein immenses Druckmittel gegenüber den westlichen Ländern – und setzt es ein.
Auch die deutsche Industrie unter Druck
Auch der Maschinenbau ist von seltenen Erden abhängig. Ein Blick nach Pforzheim, zur Firma Stöber Antriebstechnik. Geschäftsführer Rainer Wegener stellt mit seinem Team Industriemotoren her und benötigt dafür Neodym – eine der 17 seltenen Erden – verbaut in Form kleiner Magnete. Sie sorgen dafür, dass die Motoren maximal effizient arbeiten und sind im Vergleich zu älteren Modellen ohne Neodym viermal kleiner, bei gleicher Leistung.
Stöber ist auch von den Exportbeschränkungen betroffen. Die im März bestellten Magnete aus China sind bis heute nicht angekommen. Die Folgen wären gravierend, sollten der Firma die Magnete ausgehen, sagt Wegener. Er geht davon aus, dass etwa 30 Prozent des Umsatzes wegbrechen würde. Auch die Auswirkungen auf die Maschinen und Umsätze seiner Kundinnen und Kunden wären groß.
Damit das nicht passiert, hat er aber bereits vergangenes Jahr vorgesorgt und einen großen Vorrat an Neodym-Magneten gekauft, der je nach Auftragslage für zwei bis drei Jahre reichen sollte. Das entspannt ihn etwas. Dennoch ist er in Sorge und wünscht sich, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, um die Abhängigkeit von China zu verringern.
EU bringt „Critical Raw Materials Act“ auf den Weg
So betont auch Rohstoffexperte Erdmann von der BGR, wie wichtig es sei, diese Abhängigkeit zu reduzieren und dieses Problem auf europäischer Ebene anzugehen. Der Rat der Europäischen Union hat im letzten Jahr den „Critical Raw Materials Act“ (CRMA) verabschiedet. Er gilt für kritische Rohstoffe, wozu auch die seltenen Erden zählen. Der CRMA legt im ersten Schritt Quoten fest und fördert Projekte in vielen europäischen Ländern, etwa durch Fonds.
Bis 2030 sollen zehn Prozent des Bedarfs in der EU gewonnen, zu 40 Prozent hier verarbeitet werden und zu 25 Prozent aus europäischem Recycling stammen. Hier sei es laut Erdmann wichtig, dass diesen Quoten jetzt auch konkrete Handlungen folgen: „Die Handlungen bestehen darin, dass man in Projekte investiert, dass man den Rahmen schafft, damit die Industrie auch gewillt ist, diese Zahlen zu erfüllen und auch Produkte aus Europa abzunehmen.“
Lösungsansatz Recycling
In Deutschland beschäftigen sich verschiedene Institutionen mit dem Recycling von seltenen Erden. Auch Carlo Burkhardt, Professor an der Hochschule Pforzheim, hat sich darauf spezialisiert. Die Magnete werden etwa aus Festplatten entnommen, zu Pulver verarbeitet und dann zu neuen Magneten geformt. Das Potenzial durch Recycling sei groß, sagt er. Doch die von der EU bis 2030 angepeilten 25 Prozent seien noch nicht realistisch, da noch nicht genug Material da sei, das man recyclen könne.
Mit ehemaligen Studienkollegen hat er zudem das Startip HyProMag gegründet. Zwar hat auch die EU das Projekt gefördert, doch ohne die Investition einer kanadischen Firma sei die Gründung nicht möglich gewesen. Europäische Investoren zu finden sei sehr schwierig. Die Firma möchte ab dem kommenden Winter Seltenerdmagnete industriell recyclen und zum Beispiel an Automobilhersteller verkaufen.
Gewissermaßen sei das Recycling eine Wette auf die Zukunft, aber für die kommenden Jahre ist Burkhardt auch für HyProMag zuversichtlich, dass das bisher teure Recycling rentabel wird, je mehr Material zur Verfügung steht. Auch entsprechende Verträge mit den Abnehmern – und somit das Commitment seiner potenziellen Kunden – seien wichtig. Hier sieht er positive Signale und eine Bereitschaft, auch etwas mehr für Seltenerdmagnete auszugeben und somit in die Versorgungssicherheit zu investieren.
„Nötig, nachhaltig zu investieren“
Rohstoffexperte Martin Erdmann hält das Recycling für eine notwendige Säule, um unabhängiger von China zu werden. Doch die großen Potenziale liegen laut ihm in eigenem Abbau oder der Weiterverarbeitung. Auch hier müsse nachhaltig investiert werden. Größere Vorkommen gibt es zum Beispiel in Nordschweden. In Polen möchte etwa das kanadische Unternehmen Mkango seltene Erden verarbeiten – besonders dieser Prozess ist aufwendig. Zudem sind Abbau und Verarbeitung meist umweltschädlich.
Zurück in Frankfurt: Beim Rohstoffhändler Tradium ist das Lager zwar noch gut gefüllt, doch Geschäftsführer Rüth erzählt, dass die Nachfrage so hoch sei, dass er auf Knopfdruck nahezu alles verkaufen könne. Doch die Unsicherheit, was und wie viel an seltenen Erden in den nächsten Monaten nachkommt, ist groß.
Die Situation bei den seltenen Erden ist in der westlichen Industrie seit Monaten sichtlich angespannt – und die nächsten Jahre werden entscheidend. Klar ist, dass der Weg, um von China unabhängiger zu werden, ein sehr langer wird. Sowohl Unternehmen als auch Politik werden sich die Frage stellen müssen, wie viel ihnen Versorgungssicherheit bei kritischen Rohstoffen wie den seltenen Erden wert ist.
