Kein Testament? Dann gilt das Gesetz!
Viele Menschen sterben, ohne ein Testament oder einen Erbvertrag zu hinterlassen. In solchen Fällen greift automatisch die gesetzliche Erbfolge – geregelt in den §§ 1924 bis 1936 BGB. Doch was bedeutet das konkret? Und wie läuft ein solcher Erbfall in der Praxis ab?
1. Die gesetzliche Erbfolge – wer bekommt was?
Die gesetzliche Erbfolge bestimmt, wer Erbe wird, wenn keine letztwillige Verfügung vorhanden ist. Dabei werden die Verwandten des Erblassers in sogenannte Ordnungen eingeteilt:
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1. Ordnung: Kinder und Enkel (§ 1924 BGB)
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2. Ordnung: Eltern, Geschwister, Nichten/Neffen (§ 1925 BGB)
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3. Ordnung: Großeltern, Onkel, Tanten (§ 1926 BGB)
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Ehegatten: haben ein eigenes Erbrecht nach § 1931 BGB
Beispiel: Herr M. stirbt ohne Testament. Er hinterlässt zwei Kinder und eine Ehefrau. Die Kinder erben je 1/4, die Ehefrau 1/2 (bei Zugewinngemeinschaft).
2. Was passiert nach dem Todesfall? Der Ablauf ohne Testament
Schritt 1: Todesfall wird dem Standesamt gemeldet
Die Sterbeurkunde ist notwendig, um alles Weitere in Gang zu setzen.
Schritt 2: Erben werden ermittelt
Die gesetzlichen Erben müssen ihre Verwandtschaft zum Verstorbenen nachweisen (z. B. mit Geburtsurkunden, Heiratsurkunden).
Schritt 3: Antrag auf Erbschein beim Nachlassgericht
Erben benötigen in der Regel einen Erbschein (§ 2353 BGB), um sich z. B. bei Banken oder im Grundbuch auszuweisen. Der Antrag erfolgt beim Nachlassgericht am letzten Wohnsitz des Erblassers.
Wichtig: Es können mehrere Personen gleichzeitig Erben werden – eine sogenannte Erbengemeinschaft entsteht (§ 2032 BGB).
Schritt 4: Nachlass klären & Schulden prüfen
Vor einer Annahme des Erbes sollte geprüft werden, ob der Nachlass überschuldet ist. In diesem Fall kann das Erbe ausgeschlagen werden (§ 1942 ff. BGB).
3. Die Rolle des Nachlassgerichts
Das Nachlassgericht übernimmt:
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die Ausstellung des Erbscheins
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ggf. die Anordnung einer Nachlasspflegschaft (§ 1960 BGB), wenn Erben unbekannt oder handlungsunfähig sind
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die Eröffnung eines gefundenen Testaments
4. Beispielhafte Fälle aus der Praxis
Beispiel 1: Ehepaar ohne Kinder
Frau L. stirbt ohne Testament. Ihr Ehemann erbt 3/4, ihre Eltern 1/4 – weil Eltern zur zweiten Ordnung zählen (§ 1931 BGB). Das führt oft zu unerwarteten Miterben.
Beispiel 2: Drei Geschwister
Der unverheiratete Herr W. stirbt kinderlos. Seine Eltern sind verstorben. Es erben die drei Geschwister je zu 1/3. Die Geschwister bilden eine Erbengemeinschaft und müssen gemeinsam über das geerbte Haus entscheiden.
5. Was passiert, wenn niemand erbt?
Schlägt niemand das Erbe an oder sind keine Erben vorhanden, fällt der Nachlass an den Staat (§ 1936 BGB). Dieser haftet nur beschränkt – eine persönliche Haftung für Schulden ist ausgeschlossen.
Fazit:
Ohne Testament entscheidet das Gesetz über das Erbe – doch das führt oft zu ungewollten Ergebnissen, Streit oder langwierigen Verfahren.
Ein Testament kann klare Verhältnisse schaffen und Erbstreitigkeiten vorbeugen.