Auch im VW-Werk in Zwickau bangen die Beschäftigten um ihren Job.
Quelle: dpa
Stephanie Haferkorn beugt sich über das rechteckige Gefährt auf vier Rädern. Mit dem Akkuschrauber löst sie die letzte Verbindung der metallischen Abdeckung. Dahinter kommt ein Gewirr aus Kabeln, Leiterplatinen und Sensoren zum Vorschein. Im VW-Werk Zwickau ist die 31-jährige Industrieelektronikerin für die Wartung kleiner Roboterfahrzeuge zuständig.
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Der größte Autobauer Europas steckt in einer tiefen Krise. Noch im Dezember möchte das Management ganze Werke in Deutschland schließen, auch das in Zwickau.
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Auch für VW-Mitarbeiterin Stephanie steht viel auf dem Spiel. Die junge Mutter hat mit ihrem Partner gerade ein Haus gebaut, die gesamte Familie wohnt in der Region. „Ich liebe meinen Job“, sagt sie und ahnt, dass auch ihr Arbeitsplatz nicht mehr sicher ist.
Die Volkswagen-Werke
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Selbst als es Betriebsrat und Gewerkschaft kurz vor Weihnachten in einem Verhandlungsmarathon mit dem VW-Management gelingt, Werksschließungen zu verhindern, bleibt die Verunsicherung in der Belegschaft groß.
Wolfsburg als Epizentrum der VW-Krise
Ganz besonders spürt man die Krisenstimmung der Autobauer in der Region um Wolfsburg. Etwa 20 Kilometer nordwestlich der Stadt – die es ohne VW gar nicht geben würde – betreibt Michael Sparacio mit seiner Frau Andrea den Tierschutzverein „Pfötchenglück“. Hier kümmern sie sich um ausgesonderte Nutztiere. Darunter zwei katalanische Zwergesel, sieben Ziegen, zwei Schafböcke und zwölf Schafdamen.
Die Doku „Am Puls mit Florian Neuhann: Die Autokrise – war’s das mit Wohlstand?“ zeigt das ZDF am 1. Mai um 19:20 Uhr. Jederzeit zu sehen ist sie in der ZDF-Mediathek.
Für Michael ist die Arbeit mit den Tieren fast therapeutisch. „Mein absoluter Ruhepol. Nur hier kann ich richtig abschalten – und das Gedankenkarussell mal stoppen, was in der aktuellen Situation gar nicht so einfach ist.“ Seit 35 Jahren arbeitet Michael im VW-Stammwerk in der Prüfstelle – und ist außerdem Vertrauensmann der IG Metall. Die Unsicherheit, man spürt sie in der ganzen Region:
Egal, mit wem ich rede, ob Friseur, Bäcker oder Kindergärtnerin – die Krise beschäftigt uns alle hier.
Michael Sparacio, VW-Mitarbeiter in Wolfsburg
Auslieferungen des VW-Konzerns nach Markt
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Drei VW-Generationen in einer Familie
Die ganze Region lebt sehr gut von den Arbeitsplätzen in der Autoindustrie. Und das schon seit Generationen. Das Wohlstands-Versprechen: Es hat Arbeiter aus ganz Europa hierher gelockt. Auch Michaels Familie. Sein Vater Giovanni kam 1962 als Gastarbeiter aus Sizilien nach Wolfsburg. 40 Jahre arbeitete der heute 82-jährige Giovanni Sparacio im VW-Stammwerk, montiert die Räder am Käfer und später am Golf I.
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Michaels Frau Andrea ist ebenfalls bei VW angestellt. „Für mich war dieser Arbeitsvertrag wie ein Sechser im Lotto“, sagt sie stolz. Und auch Sohn Robin tritt wie selbstverständlich in die Fußstapfen seiner Eltern. Er macht seine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechatroniker bei VW und bleibt anschließend mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag im Stammwerk in Wolfsburg. Drei Generationen – ein Arbeitgeber.
Für die aktuelle Krise machen die Sparacios vor allem das Management verantwortlich. Die Preispolitik sei völlig falsch. „Volkswagen sollte Autos bauen, die sich jeder leisten kann, ein Volkswagen eben“, kritisiert Michael. Und Sohn Robin glaubt, dass der Ausstieg aus dem Verbrenner ein großer Fehler ist. Was alle eint, ist der Glaube an eine Zukunft.
Das ist nicht die erste Krise bei VW, und auch diese Krise werden sie meistern.
Giovanni Sparacio, ehemaliger VW-Mitarbeiter in Wolfsburg
Auch Stephanie in Zwickau ist vorsichtig optimistisch: „Immerhin haben wir jetzt sechs Jahre Beschäftigungssicherheit. Das gibt uns Zeit. Zeit, um uns auf neue Automodelle zu bewerben und hoffen, dass wir bald wieder ausgelastet sind.“
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