Was bedeutet das Wechselmodell beim Umgangsrecht?
Das Wechselmodell bezeichnet eine Betreuungsform, bei der das Kind annähernd gleich viel Zeit bei beiden Elternteilen verbringt. In der Praxis bedeutet dies, dass das Kind beispielsweise eine Woche bei der Mutter und die nächste beim Vater lebt – oder auch tageweise wechselnd. Dieses Modell setzt eine hohe Kooperationsbereitschaft der Eltern voraus und wird vom Familiengericht nur angeordnet, wenn es dem Kindeswohl entspricht.
Rechtlicher Rahmen des Wechselmodells
Gemäß § 1687 BGB üben Eltern bei gemeinsamer Sorge das Sorgerecht gemeinsam aus. Die tatsächliche Ausgestaltung des Alltags – insbesondere im Wechselmodell – basiert jedoch auf einer praktischen Einigung zwischen den Eltern oder wird gerichtlich festgelegt. Wichtig ist: Das Wechselmodell ist kein gesetzlich gesondert geregelter Umgangsmodus, sondern eine Form gelebter gemeinsamer Betreuung.
Kindesunterhalt im Wechselmodell – Grundlagen der Berechnung
Ein häufiges Missverständnis ist, dass beim Wechselmodell kein Unterhalt mehr zu zahlen sei. Das ist nicht korrekt. Auch wenn beide Eltern gleich viel Zeit mit dem Kind verbringen, bleiben sie unterhaltspflichtig – allerdings unter veränderten Voraussetzungen. Der Unterhalt bemisst sich im Wechselmodell nicht mehr nach der alleinigen Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils, sondern nach dem beiderseitigen Einkommen.
Beide Elternteile sind barunterhaltspflichtig
Im klassischen Residenzmodell zahlt nur der Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, den sogenannten Barunterhalt. Im Wechselmodell jedoch leisten beide Eltern sowohl Naturalunterhalt als auch Barunterhalt. Damit ist eine prozentuale Aufteilung der Unterhaltslast nach Einkommensverhältnissen erforderlich. Der Bedarf des Kindes wird in der Regel aus der Düsseldorfer Tabelle abgeleitet, zuzüglich eines Mehrbedarfs durch den erhöhten Aufwand im Wechselmodell.
Berechnung des Kindesunterhalts im Wechselmodell – Schritt für Schritt
1. Ermittlung des Gesamteinkommens beider Eltern
Zuerst wird das bereinigte Nettoeinkommen beider Eltern ermittelt. Dabei werden u.a. folgende Positionen berücksichtigt:
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Bruttoeinkommen aus Erwerbstätigkeit
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Kindergeld (anteilig)
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Wohnvorteile
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Einkommen aus Vermietung oder Kapital
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Abzüge: berufsbedingte Aufwendungen, Kredite, Unterhaltspflichten gegenüber weiteren Kindern oder Ex-Partnern
2. Gesamtbedarf des Kindes berechnen
Anhand der addierten Einkommen wird eine Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ermittelt. Der sich daraus ergebende Tabellenbetrag stellt den Grundbedarf des Kindes dar. Zusätzlich fallen im Wechselmodell Mehrkosten an:
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Doppelte Kinderzimmer
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Höherer Fahrkostenaufwand
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Höherer Betreuungsaufwand
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Höhere Lebensmittelkosten durch getrennte Haushalte
Diese Mehrbedarfe müssen beziffert und in den Gesamtbedarf einbezogen werden.
3. Quotenmäßige Aufteilung des Gesamtbedarfs
Der so berechnete Gesamtbedarf wird anteilig gemäß dem jeweiligen Einkommen auf die Eltern verteilt. Beispiel: Verdient Vater 4.000 € netto und Mutter 2.000 €, trägt der Vater zwei Drittel, die Mutter ein Drittel des Bedarfs.
4. Anrechnung des Kindergeldes
Das Kindergeld wird ebenfalls angerechnet – zur Hälfte bei jedem Elternteil. Es wird vom jeweiligen Unterhaltsanteil abgezogen. Sollte ein Elternteil den Bedarf nicht decken können (wegen geringeren Einkommens), kann ein Zahlungsausgleich fällig werden.
Beispielrechnung zum Kindesunterhalt im Wechselmodell
Ein Kind ist 10 Jahre alt. Die Eltern verdienen:
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Vater: 3.600 € netto
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Mutter: 2.400 € netto
Gesamteinkommen: 6.000 €
Düsseldorfer Tabelle bei 6.000 € Einkommen → Bedarfsklasse 8 → 10 Jahre → ca. 781 € Tabellenbedarf
Zusätzliche Kosten durch Wechselmodell: 150 €
Gesamtbedarf: 931 €
Aufteilung:
Abzüglich Kindergeldanteil (125 € je Elternteil):
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Vater zahlt effektiv: 433,60 €
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Mutter zahlt effektiv: 247,40 €
Wenn die Mutter bereits Ausgaben für Kleidung, Verpflegung, Betreuung etc. in Höhe von 247,40 € leistet, wäre der Rest vom Vater auszugleichen – durch Zahlung oder Sachleistung.
Wechselmodell und das Jugendamt – Unterstützung bei der Berechnung
Viele Eltern sind mit der komplexen Unterhaltsberechnung im Wechselmodell überfordert. Das Jugendamt bietet hier kostenfreie Beratung und hilft bei der Klärung von Unterhaltspflichten, auch wenn kein gerichtliches Verfahren läuft. Ein sogenannter Unterhaltstitel kann auch im Wechselmodell ausgestellt werden – angepasst an die geteilte Betreuung und Einkommensverhältnisse.
Gerichtliche Auseinandersetzungen und Unterhaltsverfahren
Wenn sich Eltern nicht einigen können, muss das Familiengericht über den Umfang der Betreuung und die Unterhaltspflichten entscheiden. Dabei steht stets das Kindeswohl im Mittelpunkt. Gerichte neigen dazu, das Wechselmodell nur bei funktionierender Kommunikation zwischen den Elternteilen zu befürworten. Der Unterhalt wird dann durch gerichtlichen Beschluss oder Vergleich geregelt.
Sonder- und Mehrbedarf – Was ist zusätzlich zu leisten?
Unabhängig vom laufenden Unterhalt kann ein Kind Anspruch auf Sonderbedarf haben, z. B. bei:
Diese Sonderkosten sind nicht im Tabellenunterhalt enthalten und werden im Verhältnis der Einkommen zusätzlich aufgeteilt.
Steuerliche Aspekte beim Wechselmodell
Das Wechselmodell bringt steuerliche Implikationen mit sich. Wichtig ist hier:
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Beide Elternteile können das halbe Kindergeld beanspruchen
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Die Entlastung für Alleinerziehende fällt weg
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Das Kind kann nur bei einem Elternteil in Steuerklasse II berücksichtigt werden
Eine individuelle steuerliche Beratung ist empfehlenswert, insbesondere bei höherem Einkommen oder komplexen Familiensituationen.
Fazit: Wechselmodell braucht gerechte Unterhaltsregelung
Das Wechselmodell ist eine anspruchsvolle, aber kindgerechte Lösung für getrennt lebende Eltern. Die Unterhaltsberechnung erfordert eine differenzierte Betrachtung der Einkommensverhältnisse und Aufwendungen. Eltern sind gut beraten, sich frühzeitig fachliche Unterstützung zu holen und klare Regelungen zu treffen – zum Wohl des Kindes und zur Vermeidung langwieriger Streitigkeiten.