Steuerberater sind oft die ersten professionellen Ansprechpartner, wenn sich bei einem Unternehmen finanzielle Schieflagen abzeichnen. Gerade in dieser Phase wird von ihnen erwartet, dass sie nicht nur steuerlich beraten, sondern auch Risiken frühzeitig erkennen und den Mandanten aufklären. Versäumt der Berater dies, droht nicht nur dem Mandanten ein Insolvenzverfahren – auch der Steuerberater selbst kann in die Haftung geraten.
Die aktuelle Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), hat die Verantwortung von Steuerberatern bei drohender Insolvenz deutlich geschärft. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie als Steuerberater Risiken erkennen, richtig handeln – und Haftungsfallen vermeiden.
Wirtschaftliche Krisen: Die Warnsignale erkennen
Die Anzeichen einer finanziellen Schieflage sind häufig klar ersichtlich. Steuerberater sind in der täglichen Praxis besonders nah an den Zahlen ihrer Mandanten und müssen auf folgende Punkte achten:
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Rückstände bei Löhnen, Sozialabgaben oder Steuern
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Ständige Liquiditätsprobleme
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Regelmäßige Mahnungen oder Vollstreckungsmaßnahmen
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Nicht plausibler Fortführungswille trotz andauernder Verluste
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Zahlungsstockungen trotz offener Forderungen
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Verlust von Kreditlinien oder Liquiditätsreserven
Was Steuerberater dürfen – und was nicht
Steuerberater sind keine Insolvenzverwalter oder Rechtsanwälte. Doch sie müssen wirtschaftliche Entwicklungen korrekt einordnen können. Sobald eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung droht, besteht eine Hinweis- und Aufklärungspflicht gegenüber dem Mandanten. Diese umfasst:
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Den Hinweis auf eine mögliche Insolvenzreife
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Die Empfehlung, einen für Insolvenzrecht spezialisierten Rechtsanwalt hinzuzuziehen
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Die Dokumentation der Hinweise und Gespräche
Unzulässig ist hingegen:
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Die rechtliche Bewertung der Insolvenzreife
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Die Erstellung „schöngerechneter“ Bilanzen
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Die Unterstützung von Gläubigerbenachteiligung oder Vermögensverschiebung
Vier Praxisfälle aus der BGH-Rechtsprechung
Fall 1: Der schweigende Berater
Ein Steuerberater bemerkte über Monate hinweg, dass ein Mandant keine Löhne mehr zahlte und Sozialabgaben offenstanden. Er informierte den Mandanten nicht über die drohende Insolvenz. Folge: Der Insolvenzantrag wurde verspätet gestellt, was erhebliche Gläubigerschäden verursachte.
Fazit: Der BGH sprach dem Steuerberater eine Haftung zu, da er trotz Kenntnis der kritischen Lage keine Warnung ausgesprochen hatte.
Fall 2: Die geschönte Bilanz
Ein Steuerberater stellte Jahresabschlüsse für ein Unternehmen auf, obwohl klar war, dass dieses wirtschaftlich nicht überlebensfähig war. Die Bilanzen suggerierten eine Stabilität, die nicht existierte.
Fazit: Die unterlassene Aufklärung des Mandanten und die Mitwirkung an irreführenden Bilanzen führten zur Beraterhaftung.
Fall 3: Der späte Liquiditätsplan
Ein Steuerberater legte erst nach Monaten einen Liquiditätsplan vor, als die Krise bereits weit fortgeschritten war. Die frühzeitige Aufstellung hätte eine Insolvenzantragspflicht sichtbar gemacht.
Fazit: Die verspätete Aufbereitung führte dazu, dass der Steuerberater mitverantwortlich für die verspätete Insolvenzantragstellung gemacht wurde.
Fall 4: Der informelle Berater
Ein Steuerberater war eng in die wirtschaftlichen Abläufe eines Unternehmens eingebunden, unterließ es aber, auf die Antragspflicht hinzuweisen. Die Gespräche wurden nicht dokumentiert.
Fazit: Aufgrund seiner Stellung hätte er warnen müssen – das Schweigen wurde als pflichtwidrig gewertet.
Handlungsempfehlung: Checkliste für die Praxis
Damit Sie als Steuerberater rechtlich auf der sicheren Seite sind, sollten Sie bei Verdacht auf Insolvenz folgende Schritte beachten:
1. Krisensymptome aktiv beobachten
2. Hinweispflichten ernst nehmen
3. Rechtsrat empfehlen
4. Dokumentation sichern
5. Eigene Grenzen wahren
Fazit
Hinweisen. Dokumentieren. Verweisen. Wer diese drei Grundsätze beachtet, schützt nicht nur seinen Mandanten, sondern auch sich selbst.
Die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung zeigen deutlich: Steuerberater müssen nicht alles wissen – aber sie müssen rechtzeitig erkennen, wann professionelle juristische Hilfe notwendig ist.
Weitere Informationen und individuelle Beratung unter: www.schoeppe-collegen.de