Viele Solarfirmen kämpfen mit sinkender Nachfrage und Insolvenzen. Enpal hebt sich davon ab. Plusminus-Recherchen zeigen: Hinter dem starken Markenauftritt nehmen die Vorwürfe zu.
Für Ingenieur Michael Heber aus Krefeld sollte eine Solaranlage der nächste logische Schritt sein: nachhaltiger Strom, weniger Kosten und gut für die Umwelt. Heber hat sich bewusst für das sogenannte GreenTech-Unternehmen Enpal aus Berlin entschieden.
Für ihn habe der Marktführer Enpal als großes Unternehmen auch im Vertrieb sehr seriös gewirkt. Doch was nach einem Rundum-Sorglos-Paket aussah, habe sich für ihn anders als erwartet enwickelt.
Kunde gegen Enpal vor Gericht
Nach Hebers Angaben kam es bei der Montage der Solaranlage zu Beschädigungen an Dachziegeln, Dämmung und Sperrfolie. Feuchtigkeit sei eingedrungen, das Dach habe vollständig erneuert werden müssen: Kosten rund 125.000 Euro. Enpal verweist auf Nachfrage auf ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten, wonach Hebers Dach bereits zuvor erhebliche Schäden aufgewiesen habe.
Heber und Enpal streiten vor dem Landgericht Berlin über eine mögliche Haftung des Berliner Unternehmens. Eine Entscheidung steht noch aus.
Auf Anfrage von Plusminus teilt Enpal zum Anfall und Umgang mit Kundenbeschwerden zudem allgemein mit: „Bei mehreren Tausend Baustellen pro Monat kann es vereinzelt zu Problemen kommen. […] In diesen Fällen arbeiten wir eng mit Kunden und Sachverständigen zusammen, um schnell eine zufriedenstellende Lösung zu finden.“
Anwälte sehen systematische Probleme
Der angestellte Anwalt Christoph Cöster aus Köln hat sich als Versicherungsrechtler auf Enpal-Fälle spezialisiert. Mehr als 800 unzufriedene Kundinnen und Kunden hat seine Kanzlei mandatiert, in rund 150 Fällen wurde bereits Klage eingereicht. Die Gerichtsprozesse laufen langsam an, bislang wurde noch kein Fall höchstrichterlich entschieden.
Die Vorwürfe seiner Mandanten ähneln sich laut Cöster häufig: Es gehe um Montagefehler, technische Probleme, verzögerte Inbetriebnahmen – aber auch um Unstimmigkeiten zwischen den Erwartungen, die im Verkauf geweckt wurden, und der tatsächlichen Leistung.
„Meistens sind die Versprechen, mit denen Enpal wirbt, in tatsächlicher Hinsicht nicht realistisch“, sagt Cöster. Seine Kanzlei ist in den Sozialen Medien und im Internet inzwischen selbst zum Streitthema geworden: Enpal warnt öffentlich auf seiner eigenen Internetseite vor der Kanzlei, für die Cöster tätig ist und stellt deren Arbeitsweise infrage.
Erfolge trotz kriselnder Branche
Trotz Beschwerden auf Kundenseite und der schwächelnden Solarbranche verbucht Enpal Erfolge. Laut Berichterstattung der Financial Times und weiterer Branchenmedien ist die Nachfrage nach privaten Photovoltaikanlagen im Jahr 2024 spürbar zurückgegangen. Gleichzeitig mussten so viele Solarunternehmen Insolvenz anmelden wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr, heißt es in Analysen von Insolvenzberatern und Fachportalen.
Nicht so bei Enpal: Das Berliner GreenTech-Unternehmen wächst weiter und hat zuletzt Finanzierungszusagen in Höhe von rund 700 Millionen Euro von internationalen Banken und Investoren erhalten. Branchenanalystinnen und Branchenanalysten sehen darin ein Zeichen dafür, dass Investoren trotz des schwierigen Marktumfelds auf das Geschäftsmodell des Unternehmens setzen.
Glänzende Bilanzen, aber nicht ganz risikofrei
Enpals Geschäftsmodell setzt nicht auf Direktverkauf, sondern auf Ratenkauf- und Mietmodelle mit zwanzig Jahren Laufzeit. Ein Mietvertrag, der Plusminus vorliegt, zeigt: Bei 170 Euro im Monat summieren sich die Gesamtkosten auf gut 40.000 Euro. Und genau diesen Gesamtbetrag schreibt sich Enpal bei Vertragsabschluss direkt komplett in den Umsatz. Obwohl im ersten Jahr nur ein kleiner Teil als Cash zurückfließt.
Unternehmensberater Nikolaj Schmolcke hat dieses Geschäftsmodell anhand des jüngsten Konzernabschlusses analysiert: „Das ist nicht ungewöhnlich, das kann man im Prinzip so machen. Das ist alles in Ordnung“, sagt er. Aber gleichzeitig ergänzt er: „Es gibt ja noch nicht einmal viele Ehen, die 20 Jahre halten. Das heißt, 20 Jahre haben diese Partner Zeit, miteinander irgendeine Art der Unzufriedenheit zu entwickeln.“ Und dann könne das durchaus schwierig werden.
Ehemalige Mitarbeiter erheben schwere Vorwürfe
Schwierigkeiten scheint es auch auf Arbeitnehmerseite gegeben zu haben: Ein früherer Sales Manager schildert hohen Verkaufsdruck und sagt, Verträge seien teils „beschönigt“ worden, um Abschlüsse zu erzielen. Enpal weist das zurück und erklärt bezüglich seiner Vertriebspraxis: „Bei Enpal steht die Qualität der Beratung an erster Stelle. […] Wir messen Erfolg dabei nicht nur an der Zahl der Abschlüsse, sondern auch an Kundenzufriedenheit und langfristiger Nutzung.“
Auch aus der Montage gibt es Vorwürfe: Ein ehemaliger Monteur berichtet von regelmäßigen Zehn- bis 14-Stunden-Tagen, weiten Anfahrtswegen und häufigen Nacharbeiten. Enpal schreibt auf ARD-Anfrage: „Wir haben eines der strengsten Qualitäts- und Sicherheitsprogramme der Branche aufgebaut und verbessern es kontinuierlich weiter.“
Für die einen ist Enpal ein wichtiger Treiber der Energiewende, für andere ein Unternehmen mit erheblichen Versäumnissen. Die kommenden Monate werden zeigen, wie das Unternehmen auf die Kritik reagiert – und welchen Kurs die Solarbranche insgesamt einschlägt.
