Die Aufhebung der US-Sanktionen gegen Syrien versetzt Investoren in Aufregung. Sie versprechen sich gute Geschäfte. Experten fürchten jedoch, es werde dauern, bis ein solcher Schritt das Leben der Syrer merklich verbessert.
Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die US-Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, kam überraschend – und sie hat Investoren in eine Goldgräber-Stimmung versetzt. Wohlhabende Exil-Syrer, aber auch Unternehmen aus den umliegenden Staaten hoffen auf einen Boom beim Wiederaufbau des durch den jahrelangen Bürgerkrieg verwüsteten Landes.
Und der Staat hofft auf diese ausländischen Investoren: „Syrien ist ein Land der Möglichkeiten“, betont der syrische Finanzminister Yisr Barnieh in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. „Wir rufen alle Investoren auf, diese Chance zu nutzen.“
Rubio skizziert Sanktionserleichterungen
Syrien war von den USA als staatlicher Förderer des Terrors bereits seit 1979 sanktioniert worden. Nach Ausbruch des Bürgerkrieges verschärfte Washington die Sanktionen gegen die Regierung des damaligen syrischen Präsidenten Baschar al Assad, den Rebellen im Dezember 2024 nach einem jahrelangen Bürgerkrieg gestürzt haben. Bislang hält die Regierung in Washington an diesen Sanktionen fest – US-Außenminister Marco Rubio hat aber bereits den Weg zu Sanktionserleichterungen für das ehemalige Bürgerkriegsland skizziert.
Diese könnten damit beginnen, dass die US-Regierung von Ausnahmeregelungen Gebrauch mache, um vom Kongress beschlossene Strafmaßnahmen gegen die Regierung von Assad auszusetzen, sagte Rubio nach einem Treffen mit dem neuen syrischen Außenminister am Rande eines NATO-Treffens im türkischen Antalya.
Tempo ist unklar
Das Weiße Haus werde damit Sanktionen des sogenannten „Caesar Act“ aussetzen, sagte Rubio. Dabei handelt es sich um das dritte von drei amerikanischen Sanktionsprogrammen gegen Syrien, die Washington zwischen 1979 und 2019 auflegte. Der „Caesar Act“ stammt aus der ersten Amtszeit von US-Präsident Trump. „Ich denke, wir wollen mit ersten Ausnahmeregelungen beginnen, die es ausländischen Partnern ermöglichen werden, die Hilfen bereitstellen möchten, das auch zu tun, ohne Sanktionen zu riskieren“, sagte Rubio zu Journalisten.
Wie schnell sich das in der Praxis aber tatsächlich umsetzen lässt, ist unklar. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass es dauern werde, bis ein solcher Schritt das Alltagsleben der Syrerinnen und Syrer merklich verändere. „Ich glaube, die Leute sehen Sanktionen als einen Schalter, den man an- und abstellen kann“, sagt Karam Schaar, ein syrischer Ökonom und Leiter der Beratungsfirma Karam Schaar Advisory.
Syrien und DP World vereinbaren Hafenentwicklung
Trotz allem könnte ein Sanktionserlass dem Land dringend benötigte Investitionen bescheren. Und die ersten Unternehmer stehen bereits in den Startlöchern: Die syrische Regierung und der Hafenbetreiber DP World aus Dubai haben einem Agenturbericht zufolge eine Absichtserklärung im Wert von 800 Millionen Dollar zur Entwicklung des syrischen Hafens Tartous unterzeichnet. Dies meldete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana.
Die Vereinbarung über die Entwicklung, das Management und den Betrieb eines Mehrzweck-Terminals in Tartous umfasst auch die Zusammenarbeit bei der Einrichtung von Industrie- und Freihandelszonen. DP World ist eine Tochtergesellschaft der Investmentgesellschaft Dubai World aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
„Wir werden sicher weitere Investoren anlocken“
Auch syrische Exil-Unternehmer haben bereits angekündigt, sich in ihrem Heimatland engagieren zu wollen, etwa der Milliardär Ghassan Aboud: „Erstens möchte ich dem Land auf jede erdenkliche Weise dabei helfen, sich zu erholen, und zweitens ist der Boden fruchtbar. Jede heute gepflanzte Saat kann zu guten Gewinnen führen.“ Er gehe davon aus, dass auch andere syrische Geschäftsleute mit Verbindungen ins Ausland seinem Beispiel folgen werden, da sie nun nicht mehr befürchten müssten, mit US-Sanktionen belegt zu werden.
Der libanesische Geschäftsmann Imad al-Khatib treibt seit der Kehrtwende von US-Präsident Trump seine Investitionspläne für Syrien ebenfalls energischer voran. Er habe vor wenigen Tagen Spezialisten in die Hauptstadt Damaskus geschickt, um den Bau einer 200 Millionen Dollar schweren Abfall-Sortieranlage vorzubereiten. „Das ist nur der erste Schritt, weitere werden folgen“, betont er. „Wir werden sicher weitere Investoren anlocken, da Syrien deutlich größer ist als der Libanon.“ Finanzminister Barnieh zufolge haben Interessenten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait und Saudi-Arabien bei ihm bereits vorgefühlt.
Präsident al-Scharaa verspricht offenes Syrien
Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hatte bereits kurz nach der Aufhebung der Sanktionen zu Investitionen aufgerufen. Syrien solle zu einem Land der Arbeit und des Wohlstands werden, sagte al-Scharaa in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. Investoren aus dem In- und Ausland seien willkommen.
„Syrien wird da sein für alle, die dem Land die Hand reichen“, sagte der Interimspräsident. Zugleich bekräftigte er erneut den Willen zur nationalen Einheit. Syrien werde sich nicht länger zu einem Schauplatz äußerer Konflikte machen lassen, betonte er.
Die politische Lage in dem Land bleibt angespannt. Einige der früheren Oppositionsgruppen haben ihre Waffen der neuen Regierung bislang nicht übergeben. Die Autonomiebestrebungen der Kurden im Nordosten sorgen immer wieder für Reibungspunkte. Außerdem gab es in den vergangenen Monaten Zusammenstöße mit Assad-Anhängern, die wie der gestürzte Machthaber der Religionsgemeinschaft der Alawiten angehören. Auch andere Minderheiten befürchten, drangsaliert zu werden.
Syrische Wirtschaft liegt am Boden
Nach mehr als einem Jahrzehnt Bürgerkrieg liegt die syrische Wirtschaft am Boden. Das Bruttoinlandsprodukt (BiP) habe sich zwischen 2010 und 2021 mehr als halbiert, sagt die Weltbank unter Verweis auf offizielle syrische Daten. In der Realität sei der Einbruch aber wohl noch dramatischer. Der aktuelle Interimspräsident al-Scharaa setzt nun auf den freien Markt statt auf Planwirtschaft wie Assad.
Die Aufhebung der US-Sanktionen ist nach Einschätzung von Jihad Yazigi, Herausgeber einer führenden syrischen Wirtschaftspublikation, richtungsweisend und ein „starkes politisches Signal“. Sie ebne den Weg für die Wiedereingliederung des Landes in die Golfstaaten, internationale Finanzorganisationen und die Rückkehr der syrischen Diaspora.
Karam Bechara, Geschäftsführer der syrischen Shahba Bank, beschreibt die Begeisterung, die die TV-Bilder vom jüngsten Treffen Trumps mit Scharaa bei syrischen Wirtschaftsvertretern ausgelöst haben. „Es ist zu gut um wahr zu sein. Wir sind auf einem guten Weg, sofern nichts passiert, das Syrien aus der Bahn wirft.“