Immer mehr Deutsche träumen davon, ihrem Job den Rücken zu kehren und im Ausland ein freieres Leben zu führen: Sonne, Laptop, eigenes Business – Freiheit! Die Gründung einer US-LLC erscheint vielen als perfekter Startpunkt – einfache Registrierung, flexible Struktur, Haftungsbeschränkung und internationaler Auftritt. Doch viele unterschätzen, wie hartnäckig deutsche Vorschriften selbst im globalen Kontext greifen. Denn wer glaubt, mit Gründung einer Auslandsfirma und dem Wegzug ins Ausland seien alle alten Regeln und Zwänge abgeschüttelt, kann spätestens beim ersten Schreiben der Deutschen Rentenversicherung oder des Finanzamts unsanft von der Realität eingeholt werden.
Dauerbrenner „Scheinselbständigkeit“: Neue Firma, dieselbe Tätigkeit
Besonders streng schauen Finanzamt und Deutsche Rentenversicherung hin, wenn der erste oder sogar einzige Kunde des neuen Geschäftsmodells der ehemalige Arbeitgeber ist – häufig sogar mit ähnlicher Aufgabenstellung, gleichen Ansprechpartnern und nahezu identischen Abläufen wie zuvor. Diese Scheinselbständigkeit kann dazu führen, dass nicht nur die Steuerpflicht in Deutschland trotz Wegzug fortbesteht, sondern dass erhebliche Nachzahlungen in die Sozialversicherung drohen.
Die Finanzverwaltung prüft sehr genau, ob die Selbständigkeit nicht in Wahrheit bloß die Fortsetzung des ehemaligen Arbeitsverhältnisses ist. Dabei ist es vollkommen legal und auch möglich, mit dem ehemaligen Arbeitgeber über eine US-LLC weiterhin zusammenzuarbeiten. Entscheidend ist hier immer die konkrete Ausgestaltung und korrekte Dokumentation der Geschäfzsbeziehung.
Wenn die Vergangenheit mitreist – die erweiterte Steuerpflicht
Regelmäßig wird vor dem Wegzug ins Ausland eine US LLC in der Erwartung gegründet, damit sowohl eine Besteuerung in Deutschland als auch eine Sozialversicherungspflicht zu vermeiden. Zwar kann eine Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit in Deutschland mit der richtigen Gestaltung und Strategie mit der US LLC erreicht werden. Hierzu bedarf es aber einer klaren „Entkopplung“ des alten Arbeitsverhältnisses und Aufbau einer echten Unternehmensstruktur.
Aus den Augen – aber nicht aus dem Zugriff
Die Aufgabe eines Wohnsitzes in Deutschland schützt somit nicht per se vor dem Zugriff deutscher Behörden. Wer als Selbständiger auch nach dem Wegzug weiterhin nicht unerhebliche Einkünfte aus Deutschland erzielt – etwa durch Dienstleistungen für ein deutsches Unternehmen, und dabei keine eigene unternehmerische Struktur nachweisen kann, fällt schnell unter das Außensteuergesetz oder die erweiterte beschränkte Steuerpflicht (§ 2 AStG).
Im Einzelfall kann dies bedeuten, dass eine Steuerpflicht in Deutschland für bis zu 10 Jahre nach dem Wegzug droht, wenn „wesentliche wirtschaftliche Interessen“ bestehen bleiben. Eine Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung trotz Auslandsaufenthalt ist regelmäßig gegeben, wenn keine klare Entkopplung von der Tätigkeit als Arbeitnehmer erfolgt.
Der Bundesfinanzhof hat in einer aktuellen Entscheidung die Anwendung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht konkretisiert. Einen Artikel, der sich mit der Entscheidung befasst, finden Sie am Ende diesen Artikels verlinkt.
Auf die Tätigkeit und Branche kommt es an
Ob Deutschland auf Ihre Tätigkeit weiterhin zugreift, hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab: Was will ich als Selbständiger tun und wo will ich wirklich dauerhaft leben.
Zum einen spielt die Branche eine entscheidende Rolle: Wer als freier Künstler, Berater oder Lehrender arbeitet, kann vom Finanzamt als sog. Freiberufler eingestuft werden. Viele „moderne“ Berufe, wie z.B. ein KI Consultant, werden im Gesetz zwar nicht ausdrücklich genannt. Jedoch kann mit der richtigen Vorgehensweise auch hier erreicht werden, dass die Tätigkeit als freier Beruf anerkannt wird, was die Risiken der Annahme einer Scheinselbständigkeit deutlich reduziert.
Dagegen gelten gewerbliche Tätigkeiten, z. B. E-Commerce, Softwarevertrieb oder technische Dienstleistungen wie IT-Consulting, als besonders sensibel – hier greift das deutsche Außensteuerrecht deutlich schärfer, insbesondere bei der Prüfung, ob eine „wesentliche wirtschaftliche Verbindung“ zu Deutschland fortbesteht.
Zum anderen wird zunehmend streng bewertet, wo der tatsächliche Lebensmittelpunkt liegt: Ein bloßer Wohnsitzwechsel – etwa ein Apartment in Dubai oder Lissabon – reicht in den allermeisten Fällen nicht aus, wenn der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse (Familie, Kundenkontakte, wirtschaftliches Engagement) weiter in Deutschland verankert ist. Auch der regelmäßige Aufenthalt im Schengenraum kann zu einer faktischen Rückkehr führen, wenn Aufenthaltszeiten oder familiäre Bindungen nicht konsequent ausgelagert werden.
Was häufig unterschätzt wird: Selbst wenn man keine Adresse mehr in Deutschland hat, kann die Bundesrepublik weiterhin Steuer- und Sozialversicherungsansprüche geltend machen, sofern man aus Sicht der Verwaltung noch „zugehörig“ ist. Die Beweislast, dass dies nicht der Fall ist, liegt beim Steuerpflichtigen.
Wer darf besteuern, wer Beiträge verlangen?
Wer den Plan hat auszuwandern und mit einer US‑LLC durchstarten möchte, sollte frühzeitig klären, welche Länder Steuern und Sozialabgaben fordern können und ob es bilaterale Abkommen mit Deutschland gibt, die regeln, wer das Besteuerungs- und Beitragserhebungsrecht hat. Entscheidend ist, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und/oder ein Sozialversicherungsabkommen (SVA) bestehen, und wie diese konkret ausgestaltet sind.
Hat Deutschland mit dem gewünschten Auswanderungsziel kein DBA und/oder kein SVA, oder gelten Sonderregeln für bestimmte Berufsgruppen, kann es zu Doppelbesteuerung, Nachforderungen in der Sozialversicherung oder rechtlicher Unsicherheit im Zielland kommen. Verstöße gegen nationale Steuervorschriften können im schlimmsten Fall sogar zum Widerruf des VISA oder Verlust des Aufenthaltsrechts führen. Wer also langfristig legal im Ausland leben und unternehmerisch erfolgreich sein will, sollte daher nicht nur steuerlich, sondern auch sozialversicherungsrechtlich strategisch planen.
Fazit
Der Schritt in die Selbständigkeit und ein Leben im Ausland – sei es als digitaler Unternehmer, Auswanderer oder Remote-Worker mit US‑LLC – ist weit mehr als nur ein Wechsel Wohnsitzes oder Lebensmittelpunkts. Lebensqualität, finanzielle Unabhängigkeit und unternehmerische Freiheit lassen sich nur dann wirklich erreichen, wenn die damit verbundenen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen rechtssicher geklärt und nicht dem Zufall überlassen werden.
Eine frühzeitige strategische Planung bietet dabei weit mehr als bloße Rechtssicherheit: Sie schützt vor kostspieligen Fehlannahmen, erkennt frühzeitig potenzielle Stolperfallen, und schafft so die Grundlage, auf der die individuellen Ziele effizient und nachhaltig realisiert werden können.
Hier finden Sie meinen Artikel zum BFH-Urteil: Steuerpflicht auch nach Auswanderung? BFH stärkt Anwendung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (§ 2 AStG)
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