Maßregel der Besserung und Sicherung – Schutz der Allgemeinheit vor hochgefährlichen Straftätern
Neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe kann das Gericht im deutschen Strafrecht sogenannte Maßregeln der Besserung und Sicherung anordnen. Eine der einschneidendsten Maßnahmen ist die Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB. Diese dient nicht der Strafe, sondern dem präventiven Schutz der Allgemeinheit vor besonders gefährlichen Straftäter:innen – auch über die eigentliche Haftzeit hinaus.
Die Sicherungsverwahrung ist keine Strafe, sondern eine Maßregel – sie ist rechtlich und praktisch dennoch eine der drastischsten Eingriffe in die Freiheit eines Menschen.
Der „66er“
Wegsperren für immer? Wann Sicherungsverwahrung droht
Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann entweder bereits im Urteil mitverhängt werden (sog. „primäre Sicherungsverwahrung“) oder erst später durch gerichtliche Entscheidung folgen („nachträgliche Sicherungsverwahrung“). Ziel ist stets die Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit – insbesondere bei Wiederholungstätern schwerer Gewalt- oder Sexualdelikte.
Voraussetzungen der Unterbringung nach § 66 StGB
✅ Schwere Katalogtat
Voraussetzung ist zunächst die Verurteilung wegen einer sogenannten Katalogtat – dazu zählen insbesondere Sexualdelikte, schwere Körperverletzungen, Tötungsdelikte, Raub, Geiselnahme oder Brandstiftung (§ 66 Abs. 3 StGB). Es muss sich um eine schwerwiegende, rechtswidrige Tat handeln, bei der das Gericht eine erhebliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit annimmt.
✅ Wiederholungsgefahr
Entscheidend ist, dass die betroffene Person bereits einschlägig vorbestraft ist und die neue Tat im Gesamtbild eine hohe Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Straftaten erkennen lässt. Das Gesetz verlangt die Prognose, dass die betroffene Person in Freiheit erhebliche Straftaten begehen wird – vor allem solche mit schweren seelischen oder körperlichen Folgen.
✅ Gefährlichkeitsprognose
Ein zentrales Element ist die gutachterliche Gefährlichkeitsprognose. Sie basiert auf forensisch-psychologischen Einschätzungen und muss eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ künftiger Straftaten ergeben. Hier entscheiden oft Nuancen über Freiheit oder Sicherungsverwahrung.
✅ Verhältnismäßigkeit
Die Sicherungsverwahrung darf nur verhängt werden, wenn sie auch im konkreten Einzelfall verhältnismäßig ist. Das bedeutet: Es dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Allgemeinheit wirksam zu schützen.
Ablauf und Realität der Maßregel – Was bedeutet Sicherungsverwahrung konkret?
Die Sicherungsverwahrung wird nach Ablauf der Freiheitsstrafe vollzogen – also im unmittelbaren Anschluss an die Strafhaft. Die Bedingungen sind laut Gesetz „freiheitsorientierter“ als der Strafvollzug, in der Praxis aber oft nur schwer davon zu unterscheiden.
Untergebrachte haben Anspruch auf intensive sozialtherapeutische Betreuung und Maßnahmen zur Reduktion der Gefährlichkeit. Eine Entlassungsperspektive soll – zumindest theoretisch – bestehen. Faktisch bedeutet die Maßregel aber häufig: unbestimmte Freiheitsentziehung auf unbestimmte Zeit.
Verteidigungsmöglichkeiten – Was kann ich als Rechtsanwältin für Betroffene tun?
Die Sicherungsverwahrung ist ein schwerwiegender staatlicher Eingriff mit hohen verfassungsrechtlichen Hürden. Eine versierte Verteidigung kann entscheidend sein – sei es im Ermittlungsverfahren, im Hauptverfahren oder im Rahmen der Vollstreckung.
1. Frühe Einflussnahme im Strafverfahren
Bereits in der Hauptverhandlung entscheidet sich häufig, ob Sicherungsverwahrung überhaupt in Betracht kommt. Eine gezielte Verteidigung kann durch eigene Sachverständigengutachten, kritische Befragung von Prognosegutachtern oder durch Auslegungsspielräume bei der Gefährlichkeitsprognose Einfluss nehmen.
2. Prüfung der Voraussetzungen im Urteil
Nicht jede schwere Straftat rechtfertigt eine Sicherungsverwahrung. Ich analysiere, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind – einschließlich Verhältnismäßigkeit und richtiger Anwendung der Katalogtaten.
3. Abwehr der nachträglichen Sicherungsverwahrung
Besonders kritisch ist die sogenannte nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB. Hier kann die Maßregel unter engen Voraussetzungen auch nachträglich – und teils viele Jahre nach dem Urteil – angeordnet werden. Eine rechtzeitige, kompetente Verteidigung ist in solchen Fällen unabdingbar.
4. Rechtsschutz im Vollzug der Sicherungsverwahrung
Auch im Maßregelvollzug selbst besteht anwaltlicher Handlungsbedarf – sei es im Hinblick auf Lockerungen, Vollzugsbeschwerden oder bei der Überprüfung der Gefährlichkeitsprognose. Ich begleite meine Mandanten mit dem Ziel, Perspektiven auf eine spätere Entlassung zu schaffen.
Fazit: Sicherungsverwahrung ist keine Strafe – aber in der Wirkung oftmals schwerwiegender als jede Freiheitsstrafe. Wer damit konfrontiert ist, braucht eine Strafverteidigung, die nicht nur rechtlich exzellent, sondern auch strategisch und psychologisch versiert agiert.
Als erfahrene Strafverteidigerin aus Hannover verteidige ich bundesweit Menschen, denen Sicherungsverwahrung droht – oder die bereits davon betroffen sind. Ich prüfe Gutachten mit der gebotenen Skepsis, entwickle individuelle Verteidigungsstrategien und kämpfe mit Entschlossenheit und juristischer Präzision für die Freiheit meiner Mandanten.
Wenn Sie oder ein Angehöriger betroffen sind: Kontaktieren Sie mich gern für eine kostenlose Ersteinschätzung.