Der vietnamesische Autobauer VinFast wollte mit eigenen Showrooms Tesla und BYD Konkurrenz machen. Doch die Expansion in ausländische Märkte ist teuer – und bringt bislang nicht den erhofften Erfolg.
VinFast ist Vietnams Antwort auf den amerikanische E-Autobauer Tesla und den chinesischen Elektro-Konkurrenten BYD. Von Vietnam aus will das börsennotierte Unternehmen die Welt erobern. Auch in Deutschland gab es bereits sechs schicke Showrooms – von Berlin bis Oberhausen.
Doch statt E-Auto-Verkauf sind Showrooms geschlossen, 90 Prozent der Belegschaft wurde Anfang des Monats gekündigt. Die E-Autos sollen in Europa in Zukunft nur noch über Zwischenhändler verkauft werden. Zu den Gründen teilt das Unternehmen schriftlich mit: „Die anhaltende Unsicherheit macht es unmöglich, weiterzumachen – das Direktvertriebsmodell funktioniert nicht mehr.“ Das Ziel sei nun über Zwischenhändler „den Kundensupport zu verbessern, die Servicekapazitäten zu erweitern und das Unternehmen für langfristigen Erfolg auf dem europäischen Markt zu positionieren.“
Rund drei Milliarden Euro Verlust
Die Automobilexpertin Beatrix Keim ist da skeptisch. Sie hat viele Jahre im Automobilbereich in China gearbeitet und ist heute Direktorin des Center Automotive Research. „Man kann da noch ein bisschen hoffen. Aber ich glaube, hier ist man zu ambitioniert an das Geschäft herangegangen.“
Mit großen Investitionen in neue Märkte, der Entwicklung neuer Modelle und dem Bau neuer Fabriken scheint sich VinFast übernommen zu haben. Die Absatzzahlen und der Umsatz sind 2024 zwar enorm gestiegen. Doch gleichzeitig schrieb das Unternehmen einen Nettoverlust von fast drei Milliarden Euro.
Das sei für ein so junges Unternehmen wie Vinfast normal, sagt Automobilexpertin Beatrix Keim: „Da braucht es eben eine gewisse Zeit, bis man den Break-Even-Point erreicht hat, also Profite machen kann. Allerdings sind das hier Milliarden, das ist schon eine ganze Masse, selbst wenn der Besitzer sehr, sehr tiefe Taschen hat.“
Vinfast-Manager Trinh Van Ngan
Autogeschäft wird querfinanziert
Hinter VinFast steckt Pham Nhat Vuong. Er gilt als reichster Mann Vietnams und besitzt die Vingroup, das größte private Unternehmen Vietnams. Der Mischkonzern baut Immobilien, betreibt Schulen, Hotels, Krankenhäuser, Freizeitparks. Die Gewinne aus diesen Geschäften fließen in den Aufbau des E-Autobauers.
VinFast wurde 2017 gegründet und setzt seit 2021 ganz auf E-Autos. Immer wieder pumpt der Chef Pham Nhat Vuong Milliarden nach. Der Autobauer gilt als wichtiges Prestige-Projekt. Doch die Frage ist, wie lange kann die Vingroup das Geschäft querfinanzieren. Die finanzielle Lage des Mutterkonzerns wird von Analysten zunehmend kritisch gesehen.
Darauf antwortet VinFast-Manager Trinh Van Ngan: „VinFast ist noch klein, hier geht es noch nicht darum Geld zu machen. Es ist eine nationale Marke. Und wir wollen eine globale Marke werden. Nur wenige Länder in der Welt können ihre eigenen Autos herstellen, wie VinFast es jetzt macht. Das bedeutet Nationalstolz.“
US-Zölle bereiten Probleme
Den spürt man auch auf der Straße. Bui Duc Tu fährt ein VinFast Auto, weil E-Autos die Umwelt weniger verschmutzen, aber vor allem aus Patriotismus. „Weil ich Vietnamese bin, möchte ich in Vietnam hergestellte Produkte unterstützen.“ Auf dem Heimatmarkt ist VinFast bereits die führende Marke. In die Zukunft geschaut, möchte das Unternehmen mal zu den fünf Top-Automarken der Welt gehören.
Doch nicht nur der europäische Markt scheint für VinFast nicht einfach zu sein. Auch die US-Zölle könnten dem E-Autobauer zu schaffen machen. Daher könnten sie den Bau einer Fabrik in North Carolina beschleunigen, der derzeit hinterm Zeitplan hängt. So könnten sie die Zölle umgehen. Doch noch verkauft VinFast nur einige tausend Autos im Jahr in den USA. Rückblickend verlief die Markteinführung in Nordamerika im Jahr 2023 alles andere als reibungslos. Sie war von Rückrufaktionen und negativen Kritiken geprägt.
Auch der Börsengang im Jahr 2023 lief nicht wie geplant. Zuerst schoss die Aktie extrem in die Höhe, von rund 20 auf zeitweise etwa 70 Euro. Damit hatte die Aktie eine höhere Bewertung als zum Beispiel Autoriesen wie Ford, Porsche oder Mercedes-Benz. Dann ging es jedoch stark bergab. Derzeit steht die Aktie bei etwa drei Euro.
55 verkaufte Autos in Deutschland
Die US-Zölle sind noch ein Grund mehr für den eh schon gehegten Plan, sich erstmal auf die Märkte in der Umgebung zu konzentrieren. Besonders auf Indien und Indonesien, sagt VinFast-Manager Trinh Van Ngan. Derzeit laufen die Werke noch nicht bei voller Auslastung, auch wenn die Zahlen steigen. Im vergangenen Jahr hat VinFast knapp 100.000 Autos ausgeliefert, 90 Prozent davon im Heimatmarkt Vietnam.
Um auch international Bekanntheit zu erlangen, müsste VinFast mehr in Marketing stecken, sagt Automobilexpertin Keim. Besonders der etablierte deutsche Markt sei nicht einfach für unbekannte Neueinsteiger. In Deutschland hat VinFast in den ersten drei Monaten dieses Jahres gerade mal 55 Autos verkauft. Wenig, aber mehr als im vergangenen Jahr. Erschwerend kommt hinzu, dass Kundinnen und Kunden gerade wegen der wirtschaftlich angespannten Lage generell zurückhaltend sind beim Kauf von Neuwagen.
„Gerade wenn die Menschen nicht so viel Geld haben, um sich ein Neufahrzeug zu leisten, werden sie es dann auch nicht tun bei einer Marke, die sie nicht kennen“, so Keim. VinFast sage vielen Kundinnen und Kunden erstmal nichts, im besten Fall habe es ein neutrales Image, anders als vielleicht Tesla von Elon Musk oder BYD aus China. „Teilweise besteht da eine gewisse Aversion aufgrund von geopolitischen Auseinandersetzungen, sodass dann vielleicht doch Autos aus Vietnam eher angenommen werden.“
Blick in eine Werkshalle von Vinfast
Rund 40.000 Euro für einen VinFast
Preislich liegt VinFast mit seinen Autos in Deutschland um die 40.000 Euro. Günstiger als ein BMW oder Tesla, teurer als die chinesischen Modelle. „VinFast liegt so im Mittelfeld. Aber du musst ja ein ziemliches Delta haben zum normalen Preis, dass du dann VinFast nimmst und nicht den kleinsten Volkswagen oder ähnliches“, sagt Peter Buerstedde, Büroleiter von Germany Trade and Invest in Hanoi.
Dabei steckt auch in einigen der futuristischen VinFast Autos deutsche Ingenieurskunst, unter anderem von BMW, Siemens und Bosch. In der Produktionshalle zeigt der technische Manager Matthew Lynch auf Kräne und Geräte von deutschen Herstellern, wie Schuler oder Demag. Deutsche und europäische Ingenieure wie er waren stark in der ersten Phase von VinFast aktiv. „Ich denke, weil es in Vietnam weder eine Automobilindustrie noch ein Presswerk mit diesem Standard gab, war es sehr schwierig lokal Personal mit dem Wissen und der Erfahrung zu finden. Mit Hilfe von Leuten aus anderen Ländern, die diese Erfahrung mitgebracht haben, hat VinFast stark gelernt seit seinem Start.“
Seit 2022 nutzt das Unternehmen nicht mehr BMW-Plattformen als Basis, sondern hat eigene Designs entwickelt. Mittlerweile würden nur noch er und ein weiterer leitender ausländischer Kollege in diesem Teil der Produktion arbeiten. Und auch er, so sagt er, könnte bald durch einen vietnamesischen Kollegen ausgetauscht werden. Für ihn ein Zeichen, dass sie gute Arbeit geleistet hätten. Das aggressive Expansionsprogramm mit neuen Werken in Asien geht jedoch offenbar zulasten der Präsenz in Europa.