Polen will aufschließen zu den großen Wirtschaftsmächten der EU. Und das tut es mit riesigen Schritten: Die Wirtschaft wächst drei Mal schneller als die Europäische Union insgesamt.
Während Deutschland in der Wirtschaftskrise hängt, schreibt der Nachbar Polen wirtschaftlich gesehen Erfolgsgeschichte – mit über drei Prozent Wachstum allein im vergangenen Quartal. Was das Wachstum angeht, sei Polen ein echtes Zugpferd in der Europäischen Union, sagt der Experte für den polnischen Markt Christopher Fuß von Germany Trade and Invest (GTAI): „Polen wächst ungefähr dreimal schneller als der europäische Durchschnitt. Nicht erst dieses oder seit letztem Jahr, sondern das sehen wir seit vielen vielen Jahren.“
An der gesamten Wirtschaftsleistung gemessen liegen die Nachbarn weit hinter Deutschland zurück, aber Polen holt rasant auf. Das zeigt sich laut Christopher Fuß, der in Warschau lebt und arbeitet, auch klar in der Mentalität der Menschen in Polen. Man wolle dort aufschließen zu den großen Wirtschaftsmächten in der EU.
Er nehme in Polen immer wieder einen Willen zum Wachstum und zur Modernisierung wahr – und eine Akzeptanz für neue Technologien. Das fehle in Deutschland vielleicht. „Wenn ich mich in Polen umgucke, ist es überhaupt keine Seltenheit, dass Ältere wie selbstverständlich mit Applikationen auf dem Smartphone umgehen, nicht mit Bargeld bezahlen, sondern mit einer Bezahl-App auf dem Handy“, sagt Fuß.
Das Erfolgsrezept: Günstig und unkompliziert
Dazu kommt: In der Verwaltung – also in Behörden – läuft vieles online, damit schnell und ohne lästigen Papierkram. Start-ups zum Beispiel lassen sich dadurch sehr schnell gründen, deutlich schneller als in Deutschland. Inzwischen ist Polen beliebter Industriestandort geworden. Viel Arbeit sei wegen geringer Lohnkosten dorthin ausgelagert worden, sagt Thomas Obst, Ökonom und Polen-Experte beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW).
Der Aufschwung sei dabei kein rein nationales Phänomen, so Obst: „Nicht nur der polnische Mittelstand investiert in Polen, sondern auch viele ausländische Firmen, andere europäische Firmen, amerikanische Firmen.“
Der wirtschaftliche Erfolg von Polen zeigt sich schon länger auch klar an der Warschauer Börse. Der Aktienmarkt hat seit Jahresbeginn 30 Prozent zugelegt. Doch nun mehren sich Stimmen, dass die Rallye ein Ende haben könnte: weil Polen mit gravierenden Haushaltslöchern kämpft.
Investitionen in die Infrastruktur
Polens Vorteil sei dabei aktuell sein Wachstum, sagt Thomas Obst: „Wenn eine Volkswirtschaft hohes Wachstum hat, heißt das, dass die Schuldenstandsquote – also der Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt – relativ stabil bleiben kann, obwohl man hohe Haushaltsdefizite hat.“
Eine große Rolle beim Erfolg spielen auch Milliarden an EU-Fördergeldern, die nach Polen geflossen sind. Sowohl Christopher Fuß als auch Thomas Obst sind sich aber einig: Das Land schafft es, diese Fördermittel gut zu nutzen und in sinnvolle, zukunftsgerichtete Projekte – etwa in die Infrastruktur – zu stecken.
Was also kann Deutschland von Polen lernen? Ökonom Obst urteilt kurz und knapp: Flexibilisierung und Anpassungsfähigkeit. Gerade mit Blick auf die Digitalisierung hat Deutschland da noch einen weiten Weg zu gehen.