Gründer stehen im Rampenlicht, Manager in Fachbereichen verdienen gut. Aber gibt es nur das als erfolgreichen Karriereweg? Ein erfahrener Investor verrät, was cleverer ist.

In der Tech-Bubble herrscht oft ein sehr vereinfachtes Karriere-Denken: Entweder man gründet selbst, oder man heuert bei einem bereits hoch finanzierten Startup als gut bezahlter Manager an. Doch das übersieht eine dritte, möglicherweise besonders lukrative Option: als früher Mitarbeitender in ein junges Unternehmen einzusteigen und dessen Wachstum maßgeblich mitzugestalten. Matt Cohler, erfahrener Tech-Investor und Partner beim renommierten VC Benchmark, hat auf dem Start Summit in St. Gallen erklärt, warum dieser Weg oft unterschätzt wird – und welche Vorteile er bietet.
Der unternehmerische Nicht-Gründer
Die Frage sollte nicht sein: Selbst gründen oder Manager in einem Fachbereich werden, glaubt Cohler. „Tatsächlich gibt es gerade in den frühen Phasen eines Unternehmens viele Rollen, die unternehmerisch sind, ohne dass man der Gründer sein muss.“ Diese Erkenntnis sei besonders relevant für Hochschulabsolventen, die zwar unternehmerisch tätig sein möchten, aber nicht unbedingt ein eigenes Unternehmen gründen wollen.
Lest auch
Matt Cohler ist diesen Weg selbst gegangen. Als Mitarbeiter Nummer sieben bei Facebook und Vice President für Produktmanagement spielte er eine prägende Rolle beim Aufbau des sozialen Netzwerks. Zuvor war Cohler bereits als Vice President Teil des Gründungsteams von Linkedin, wo er frühe Startup-Erfahrung gesammelt hat.
Ein Investor mit Portfolio von 1
Cohler zieht einen Vergleich: „Wenn du einem frühen Startup beitrittst, ist es ein bisschen wie ein Investor zu sein, der ein Portfolio von 1 hat.“ Diese Analogie verdeutlicht sowohl das Risiko als auch die Chancen, die mit einer solchen Position einhergehen.
Anders als Venture-Investoren, die ihr Risiko auf mehrere Unternehmen verteilen können, setze man als früher Mitarbeiter zwar alles auf eine Karte, was einerseits ein gewisses, in frühen Karriere-Jahren aber überschaubares Risiko bedeutet. Andererseits biete es aber auch die Chance auf überproportionale Gewinne. Und das nicht nur finanziell, so Cohler, sondern vor allem in Form von Erfahrung und Karrierewachstum.
Lest auch
Flexibilität statt Spezialisierung
Ein weiterer Aspekt: Spezifische Fachkenntnisse sind bei frühen Startups oft weniger wichtig als man denkt. Cohler betont: „In den meisten Fällen zählt das Skillset weniger, weil diese Unternehmen typischerweise schnell genug wachsen und dynamisch genug sind, dass du wahrscheinlich nicht für dein Skillset eingestellt wirst, sondern für deine Anpassungsfähigkeit und Flexibilität.“
Diese Einsicht sollte besonders ermutigend für Berufseinsteiger sein, die sich oft Sorgen machen, nicht genug spezifische Fähigkeiten mitzubringen. Cohler entmystifiziert diesen Aspekt mit entwaffnender Ehrlichkeit: „Ich habe tatsächlich keine besonderen Fähigkeiten in fast allem. Wenn man nicht gerade ein spezialisierter Techie ist, hat jeder, der frisch von der Uni kommt, eigentlich keine wirklich tiefen Fähigkeiten. Ich hatte sie nicht, und ich habe sie immer noch nicht.“
Lest auch
Bei der Entscheidung für ein Startup rät Cohler, sich weniger auf die eigene Rolle zu fokussieren, sondern das Gesamtbild zu betrachten: „Du musst fast wie ein Investor denken und fragen: Wer ist der Gründer? Was ist das Produkt, das er oder sie baut? Für welchen Markt? Wie hängen diese drei Dinge zusammen?“ Besonders wichtig sei dabei das Konzept des „Founder Market Fit“ – also ob der Gründer mit seinem Produkt und dem adressierten Markt wirklich harmoniert. Cohler erklärt: „Selbst bei großartigen Unternehmern denke ich manchmal: Was wäre passiert, wenn er oder sie ein anderes Geschäft gestartet hätte? Ich weiß nicht, ob es so gut funktioniert hätte.“
Mehr als nur ein Karriere-Sprungbrett
Während viele den frühen Einstieg in Startups nur als Sprungbrett zur eigenen Gründung sehen, kann dieser Karriereweg selbst bereits das Ziel sein, sagt Cohler: Man erlebt die Aufbauphase hautnah mit, trägt erhebliche Verantwortung und kann signifikant am Erfolg partizipieren – ohne die existenzielle Last eines Gründers zu tragen.
Insbesondere für Absolventen, die zwischen klassischen Managementpositionen und der risikoreichen Gründerrolle schwanken, könnte der Einstieg als früher Mitarbeitender in ein vielversprechendes Startup daher der goldene Mittelweg sein. Aber auch für jene, die bereits Erfahrungen haben und unternehmerische Herausforderungen und Wachstumschancen suchen, bieten sich Chancen – „gepaart mit einem gewissen Maß an Sicherheit und Unterstützung durch ein etabliertes Gründerteam“.