Acht Jahre Bauzeit, aber mehr als zwei Jahrzehnte Streit: Die Dresdner Bahn im Berliner Süden ist ans Netz gegangen. Zuvor blockierten wehrhafte Anwohner, politische Konflikte und Tunnelpläne das Projekt.
Die Trasse der sogenannten Dresdner Bahn in Berlin ist für den Zugverkehr freigegeben. Seit dem Fahrplanwechsel am Sonntag fahren nun unter anderem schnellere Züge zum Flughafen BER über das nördliche Teilstück der Strecke zwischen Berlin und der sächsischen Landeshauptstadt.
Die Deutsche Bahn hält damit einen Zeitplan ein, den sie 2017 zum Baustart angekündigt hatte. Marcus Reuner, Gesamtprojektleiter der Dresdner Bahn, spricht von einem wichtigen Moment. Die Bauarbeiten selbst dauerten rund acht Jahre, die Kosten für den Berliner Abschnitt liegen bei etwa 560 Millionen Euro.
Dass die Bahn nun pünktlich liefert, wirkt allerdings nur auf den ersten Blick bemerkenswert. Tatsächlich steht die Inbetriebnahme am Ende eines Konflikts, der sich über mehr als zwei Jahrzehnte hinzog. Schon in den 1990er-Jahren plante die Bahn, die Verbindung zwischen Berlin und Dresden für den Fernverkehr auszubauen. Ziel war eine Fahrzeit von rund 80 Minuten. Doch aus dem Infrastrukturprojekt wurde ein politischer Dauerstreit.
Anwohner gegen Bahn und Bund
Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Berlin, sieht darin ein strukturelles Problem: Lange Planungsvorläufe, juristische Auseinandersetzungen und wechselnde politische Mehrheiten hätten den Bau immer wieder ausgebremst.
Im Zentrum des Konflikts stand der Berliner Stadtteil Lichtenrade. Die Bahn plante dort vier oberirdische Gleise mit bis zu vier Meter hohen Lärmschutzwänden. Für viele Anwohner reichte das nicht aus. Sie befürchteten dauerhaften Lärm und eine Teilung des Ortsteils.
Tunnel hätte hohe Mehrkosten bedeutet
1998 gründete sich die Bürgerinitiative „Lichtenrade – Dresdner Bahn“. Sie sammelte Tausende Unterschriften und entwickelte sich zum hartnäckigsten Gegner des Projekts. Ihr zentrales Anliegen: ein Tunnel statt einer oberirdischen Strecke. Die Initiative fand politische Unterstützung.
Der damalige regierende Bürgermeister Klaus Wowereit setzte sich für eine Tunnellösung ein und bot eine finanzielle Beteiligung des Landes Berlin an. Wowereit argumentierte, nur ein Tunnel könne den Anwohnern ausreichenden Schutz bieten.
Bahn und Bund lehnten das letztendlich ab. Ein Tunnel hätte Mehrkosten von mehreren hundert Millionen Euro verursacht. Alexander Kaczmarek verwies darauf, dass solche Zusatzkosten weder geplant noch finanzierbar seien. Das Planfeststellungsverfahren zog sich über Jahre hin.
Verzögerung durch politische Blockade
Christian Böttger, Verkehrsexperte an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, spricht von einer Blockade auf politischer Ebene. Der Bund drohte dem Land Berlin schließlich mit einer Klage, weil ein genehmigtes Infrastrukturprojekt faktisch verzögert wurde. Um ähnliche Fälle künftig zu verhindern, änderte der Gesetzgeber später die rechtlichen Grundlagen.
2005 stoppte die Bahn das Projekt selbst. Die Unsicherheiten seien zu groß gewesen, eine Einigung zwischen Bund und Land nicht in Sicht. Gleichzeitig wuchs der Druck. Die Dresdner Bahn wurde für die geplante Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER immer wichtiger. Ohne leistungsfähige Schienenanbindung drohte ein weiteres Verkehrsproblem. Auch deshalb begann der Widerstand gegen das Infrastrukturprojekt zu bröckeln.
Bau startet nach juristischem Streit
2015 fiel schließlich die Entscheidung: kein Tunnel, sondern ein ebenerdiger Ausbau mit umfangreichen Lärmschutzmaßnahmen. Anwohner klagten dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Klage blieb erfolglos. Das Gericht bestätigte, dass ein Tunnel unverhältnismäßig teuer wäre.
2017 begannen die Bauarbeiten. Der lange Weg zum Ausbau der Dresdner Bahn hat zumindest in Berlin jetzt ein Ende. Bis 2029 soll dann auch der Teil bis nach Dresden fertiggestellt sein. Dann wäre die Geschichte der Dresdner Bahn vollständig erzählt.
