„Einen Pflichtverteidiger bekommt man, wenn man kein Geld hat“ – das ist nur ein – wenn auch der wohl hartnäckigste – Mythos über das Institut der Pflichtverteidigung.
Auch Leuten, die keinerlei Bezug zur Juristerei haben, ist der Begriff des Pflichtverteidigers häufig geläufig. Oft assoziiert man ihn mit einem „Anwalt 2. Klasse“ – böse Zungen bezeichnen ihn sogar als „Verurteilungsbegleiter“.
Doch das Institut der Pflichtverteidigung hat einen anderen Hintergrund: Es dient der Fürsorge besonders schutzwürdiger Beschuldigter und hat weder etwas mit den finanziellen Verhältnissen des Beschuldigten zu tun noch sagt es etwas über die Kompetenz der anwaltlichen Vertretung aus.
Was ist ein Pflichtverteidiger?
Ein Pflichtverteidiger ist ein „normaler“ Strafverteidiger wie seine auf dem Gebiet des Strafrechts ebenfalls tätigen Kollegen.
Unterschiede ergeben sich lediglich im Hinblick auf die Vergütung: Der Pflichtverteidiger erhält sein Honorar aus der Staatskasse, nachdem er einem Beschuldigten beigeordnet wurde, um diesen im Strafverfahren zu begleiten.
Die Gebühren, die der Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit vom Staat erhält, sind grundsätzlich gesetzlich festgelegt und um einiges niedriger als die eines Wahlverteidigers.
Es gibt daher Kollegen, die aus diesem Grund nicht für Pflichtverteidigungen zur Verfügung stehen. Die Gebühren bei einer Pflichtverteidigung bleiben nämlich immer gleich und werden nicht etwa (bzw. nur in ganz seltenen Fällen) erhöht, wenn ein Fall besonders umfangreich oder schwierig ist.
Ein Wahlverteidiger hat mehr Spielraum, was die Höhe seines Honorars betrifft, und kann etwa nach Pauschalen oder Stundensätzen abrechnen.
Wann bekommt man einen Pflichtverteidiger?
Die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers sind im Gesetz geregelt, vgl. § 140 StPO.
So hat man als Beschuldigter etwa Anspruch auf einen Pflichtverteidiger, wenn man mit einem Tatvorwurf konfrontiert ist, bei dem die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr im Raum steht.
Ein weiteres Beispiel für eine sog. „notwendige Verteidigung“ ist, wenn vor dem eigentlichen Gerichtstermin vorab von einem Richter entschieden wird, ob ein Beschuldigter bis zur Hauptverhandlung in Untersuchungshaft muss.
Die Vorschrift erhält neben zahlreichen weiteren Beispielen zudem eine Generalklausel, welche besagt, dass auch in anderen (ungeschriebenen) Konstellationen die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich sein kann.
Dies etwa, wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann, beispielsweise wenn er unter Betreuung steht.
Wie bekommt man einen Pflichtverteidiger?
Im Regelfall wird man als Beschuldigter vom Gericht angeschrieben und erhält Gelegenheit, binnen einer bestimmten Frist einen Pflichtverteidiger seiner Wahl zu benennen.
Finden kann man Pflichtverteidiger etwa über die Anwaltssuche im jeweiligen Kammerbezirk.
Lässt man die Frist verstreichen, wählt das Gericht einen Rechtsanwalt seiner Wahl aus, der dann als Pflichtverteidiger tätig wird.
„Kein Geld“ heißt nicht automatisch Pflichtverteidiger!
Es ist wichtig zu wissen, dass es im Strafrecht keine Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe gibt. Auch Rechtsschutzversicherungen decken – wenn überhaupt – nur eingeschränkt.
Und auch das Institut der Pflichtverteidigung ist nicht dafür da, wirtschaftlich schwachen Beschuldigten einen Verteidiger zu bezahlen!
Ein möglicher Anspruch auf einen Pflichtverteidiger hat nichts mit der individuellen wirtschaftlichen Lage des Beschuldigten zu tun.
Auch ein Millionär kann – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – Anspruch auf die Beiordnung eines Pflichtverteidigers haben und jemand, der in extremer Armut lebt, hat nicht zwangsläufig Anspruch auf einen Pflichtverteidiger.
Und Vorsicht: Auch wenn die Gebühren des Pflichtverteidigers erst einmal von der Staatskasse übernommen – sozusagen „vorgestreckt“ – werden, kann es sein, dass Sie im Nachgang des Strafverfahrens bei einer Verurteilung aufgefordert werden, das Geld zurückzuzahlen!
Scheuen Sie sich nicht, als Beschuldigter den von Ihnen mit der Verteidigung beauftragten Rechtsanwalt zu bitten, die Möglichkeit seiner Beiordnung zu prüfen!
Oft lohnt sich eine genaue Analyse der Ermittlungsakte, um als Rechtsanwalt ein „Schlupfloch“ für eine Beiordnung zu finden.
Pflichtverteidiger sind nicht weniger kompetent als ihre Kollegen – wie so oft hängt es vom jeweiligen Engagement des Rechtsanwalts ab, wie erfolgversprechend ein Mandat – auch bei niedrigerem Honorar – bearbeitet wird.