Viele Arbeitnehmer haben in ihren Arbeitsverträgen oder zusätzlichen Vereinbarungen Regelungen zu variabler Vergütung oder Bonuszahlungen. Diese sind oft an bestimmte Zielvorgaben geknüpft, die für jedes Kalender- oder Geschäftsjahr festgelegt werden. In der Praxis kommt es jedoch häufig vor, dass Arbeitgeber die notwendigen Zielvorgaben entweder gar nicht oder erst verspätet definieren. Dies wirft die Frage auf, ob Arbeitnehmer in solchen Fällen Schadenersatzansprüche geltend machen können.
Bundesarbeitsgericht bestätigt Schadenersatzanspruch
Das Bundesarbeitsgericht (BAG v. 19.2.2025 – 10 AZR 5724) hatte sich kürzlich mit einem Fall zu befassen, in dem ein Arbeitnehmer eine vertragliche Regelung hatte, nach der bis zum 1. März eines Jahres Zielvorgaben festgelegt werden sollten. Diese bestanden zu 70 % aus Unternehmenszielen und zu 30 % aus individuellen Zielen. Die Höhe der variablen Vergütung richtete sich entsprechend der Zielerreichung.
In diesem Fall versäumte es der Arbeitgeber jedoch, bis zum Stichtag eine individuelle Zielvorgabe festzulegen. Die Unternehmensziele wurden erst am 15. Oktober desselben Jahres festgelegt – zu einem Zeitpunkt, an dem das Jahr nahezu vorbei war. Der betroffene Arbeitnehmer klagte daraufhin auf Schadenersatz in Höhe des Durchschnitts der Zielerreichung seiner letzten drei Jahre. In der Vergangenheit hatte er durchschnittlich 142 % seiner individuellen Ziele erreicht. Bei den Unternehmenszielen ging er von einer vollständigen Zielerfüllung (100 %) aus.
Urteil: Arbeitgeber muss 16.000 € Schadenersatz zahlen
Das BAG bejahte den Schadenersatzanspruch und sprach dem Arbeitnehmer eine Entschädigung von 16.000 € brutto zu. Die Begründung: Zielvorgaben haben eine Motivations- und Anreizfunktion. Wenn diese nicht oder zu spät festgelegt werden, kann der Arbeitnehmer nicht angemessen darauf reagieren, was den eigentlichen Zweck der variablen Vergütung unterläuft.
In solchen Fällen muss das Gericht eine Schätzung vornehmen, wie viele Prozent der Ziele typischerweise erreicht worden wären, wenn die Zielvorgaben rechtzeitig gemacht worden wären. Dabei wird die vergangene Leistung des Arbeitnehmers herangezogen. In diesem Fall entschied das Gericht, den Durchschnittswert von 142 % für individuelle Ziele sowie 100 % für Unternehmensziele zugrunde zu legen.
Verspätete Zielvorgaben können ebenfalls Schadenersatz begründen
Bemerkenswert an diesem Urteil ist, dass es nicht zwingend erforderlich ist, dass der Arbeitgeber die Zielvorgaben gar nicht macht. Schon eine verspätete Festlegung – etwa um einen oder zwei Monate – kann unter Umständen ausreichen, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen.
Arbeitnehmer, die Probleme mit ihrem Bonus oder ihrer variablen Vergütung haben, sollten daher prüfen lassen, ob eine verspätete oder unterbliebene Zielvorgabe zu einem finanziellen Nachteil geführt hat. In solchen Fällen kann es sich lohnen, rechtliche Schritte in Betracht zu ziehen.
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