Nach dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit darf niemand gezwungen werden, sich durch eine eigene Aussage einer Straftat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Dies ergibt sich unmittelbar aus unserem Grundgesetz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Das Bundesverfassungsgericht sagt dazu unter anderem folgendes:
„Die Aussagefreiheit des Beschuldigten und das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung sind notwendiger Ausdruck einer auf dem Leitgedanken der Achtung der Menschenwürde beruhenden rechtsstaatlichen Grundhaltung. Denn durch rechtlich vorgeschriebene Auskunftspflichten kann die Auskunftsperson in die Konfliktsituation geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder durch eine Falschaussage gegebenenfalls ein neues Delikt zu begehen oder aber wegen ihres Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden“ (BVerfG, Beschluss vom 25.01.2022 – 2 BvR 2462/18).
Ganz gleich ob Sie als Beschuldigter am Ort des Geschehens direkt vernommen oder zu einer Vernehmung erst vorgeladen werden- machen Sie unbedingt von Ihrem Schweigerecht Gebrauch und kontaktieren Sie uns jederzeit für ein Erstgespräch.
Ab wann bin ich Beschuldigter?
Sie sind Beschuldigter einer Straftat jedenfalls dann, wenn gegen Sie Ermittlungen aufgrund einer Strafanzeige geführt werden. Unabhängig davon können Sie natürlich am Ort des eigentlichen Geschehens sofort als Beschuldigter vernommen werden, sobald nach der Beurteilung der Ermittlungsbehörden ein bestehender Tatverdacht gegen Sie dazu Veranlassung gibt.
Eine Vernehmung kann Ihnen also auf zweierlei Weise begegnen:
1. Sie werden direkt von der Polizei am Ort des Geschehens vernommen
2. Sie erhalten eine Vorladung von der Polizei oder Staatsanwaltschaft
Wie läuft eine Vernehmung ab?
Vor jeder Vernehmung müssen Sie über Ihre Rechte belehrt werden. Der in Krimifilmen oft gehörte Satz „Sie haben das Recht zu Schweigen, alles was Sie sagen kann und wird gegen Sie verwendet werden“ hat seine Berechtigung. Dennoch ist er keine vollständige Belehrung im Sinne des Gesetzes (§ 136 Abs. 1 StPO). Eine ordnungsgemäße Belehrung enthält folgende Punkte:
- Eröffnung des Tatvorwurfs: dem Beschuldigten muss mitgeteilt werden, was ihm überhaupt vorgeworfen wird;
- Schweigerecht: der Beschuldigte muss darüber aufgeklärt werden, dass er sich zum Tatvorwurf nicht äußern muss.
- Recht auf einen Anwalt: der Beschuldigte muss darüber belehrt werden, dass er auch vor der Vernehmung einen Verteidiger hinzuziehen darf.
Wie soll ich mich bei einer Vernehmung verhalten?
Sehen sich einer Vernehmung am Ort des Geschehens gegenüber, bewahren Sie Ruhe und lassen Sie sich von den uniformierten und bewaffneten Beamten nicht einschüchtern. Leisten Sie keinen Widerstand. Zu folgenden Punkten müssen Sie in der Regel Angaben machen (§ 111 OWiG):
- Vor-, Familien- und Geburtsnamen
- Ort und Tag der Geburt
- Familienstand
- Beruf
- Wohnort
- Wohnung
- Staatsangehörigkeit
Ansonsten beschränken Sie sich allein auf die Äußerung: „Ich mache von meinem Schweigerecht Gebrauch“.
Wie soll ich mich bei einer Vorladung verhalten?
Wenn Sie als Beschuldigter vorgeladen werden, besteht keine Pflicht zum Erscheinen- und es ist in Ihrem eigenen Interesse, dieser Vorladung nicht zu folgen. Denn auch hier gilt der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit. Dass Sie dieses Recht in Anspruch nehmen, hat für Sie keine negativen Konsequenzen. Schweigen darf und wird niemals gegen Sie verwendet werden. Sie müssen den in der Vorladung angegebenen Terminvorschlag auch nicht absagen.
Sie sollten nicht auf eigene Faust mit der Polizei Kontakt aufnehmen oder gar zum Vernehmungstermin gehen. Hier die Gründe:
1. Keine Aussage ohne Akteneinsicht
In der Ermittlungsakte sind die Beweise gesammelt, die zu Ihrer Überführung dienen sollen. Erst wenn die Beweismittel ausführlich gesichtet und analysiert sind, lässt sich überhaupt prüfen, ob ein belastbarer Tatvorwurf vorliegt. Eine Aussage ohne Aktenkenntnis wäre also fatal und würde die Verteidigungschancen im weiteren Verlauf unnötig erschweren.
2. Befangene und geschulte Ermittler
Die Ermittler der Polizei sind für Vernehmungen geschult. Nicht selten auch voreingenommen und richten ihre Fragen gezielt zum Zwecke Ihrer Überführung als Täter. Dabei wenden Sie verschiedene Vernehmungstaktiken an Sie, ohne dass Sie das überhaupt bemerken. Nicht selten stehen Ihnen sogar zwei Beamten gegenüber, wodurch der Einschüchterungseffekt weiter erhöht werden soll.
3. Zeuge gegen sich selbst
Hier gilt der Satz „alles was Sie sagen kann und wird gegen Sie verwendet werden“. Im Eifer des Gefechts können Sie Dinge zugeben, die noch nicht bewiesen sind und ggf. auch nicht bewiesen werden können. Auch die Äußerung vermeintlich unverfänglicher Umstände können in ihrer Gesamtschau belastende Indizien ergeben und die Verteidigungschancen empfindlich erschweren.
4. Aussage in der Phase des Verfahrens möglich
Sollte es doch mal ratsam sein, sich zur Sache einzulassen, ist dies in jeder Lage des Verfahrens auch schriftlich möglich. Dass die Aussage erst zu einem späteren Zeitpunkt kommt, darf ebenfalls nicht zu Ihren Lasten gewertet werden.