Der Bundeskanzler stützt eine Idee der Autoindustrie: Auto-Importe aus Deutschland sollen mit den Exporten der Konzerne aus ihren US-Werken verrechnet werden. Die Branche geht bereits mit Ankündigungen für zusätzliche Produktion in Amerika auf den Präsidenten zu. Ob das reicht, ist fraglich.
Es war der erste Auftritt des Bundeskanzlers nach seinem Besuch bei US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus in Washington. Friedrich Merz kam fast direkt aus dem Regierungsflieger zur Tagung des Familienunternehmer-Verbandes nach Berlin. Ein Treffen mit Wohlfühlatmosphäre für den Kanzler, der seine Nähe zur Wirtschaft auch auf der Dienstreise in die USA unter Beweis gestellt hat.
Schon zu Beginn erntete Merz tosenden Applaus aus dem Publikum. Er wolle im Land einen Mentalitätswandel herbeiführen, sagte Merz auf der Bühne, das sei die „Grundmelodie unserer Koalition“. Man wolle den Unternehmern wieder eine vernünftige Perspektive eröffnen. Besonders interessant wurde es aber, als der Kanzler über seinen Besuch bei Trump sprach. Nach dem öffentlichen Termin vor der Presse im Oval Office hatte der deutsche Regierungschef noch länger mit Trump im kleinen Kreis gesprochen. Dabei ging es laut Merz um den Krieg in der Ukraine, die Zukunft der Nato und den Zollstreit.
Das Mittagessen mit dem US-Präsidenten sei „Gold wert“ gewesen, sagte der Kanzler auf eine Frage von WELT-Redakteurin Inga Michler, die den Tag moderierte. „Hören wir mal auf, mit erhobenem Zeigefinger und gerümpfter Nase über Donald Trump zu reden. Man muss mit ihm reden und nicht über ihn reden.“
Am Vortag hatte er das mit Spannung erwartete erste Treffen mit Trump ohne die zuvor befürchteten Zwischenfälle absolviert. Der gemeinsame Auftritt im Oval Office verlief äußerst harmonisch. Trump wurde fast ausschließlich zu Themen befragt, die mit Deutschland nichts zu tun haben. Im Fokus standen vor allem der politische Bruch mit Tesla-Chef Elon Musk und Trumps Telefonat mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Merz kam kaum zu Wort, konnte aber seine Botschaft platzieren, dass Trump aus seiner Sicht große Verantwortung für das Ende des Ukraine-Krieges trage.
Der Kanzler fährt BMW
Beim Mittagessen danach kam Merz auf sein privates Auto zu sprechen, so erzählte er es. „Ich habe gesagt, ich fahre privat einen kleinen X3, der ist in South Carolina bei BMW produziert worden und ich fahre ihn in Deutschland. Davon haben amerikanische Familien ihr Gehalt mitbezahlt bekommen“, sagte der Kanzler in Berlin. Er fahre im Grunde genommen ein amerikanisches Auto mit einer deutschen Marke.
Merz verwies dabei darauf, dass die deutsche Automobilindustrie jährlich etwa 400.000 Autos aus Deutschland in die USA exportiere, aber ebenso viele aus US-Werken in andere Länder.
„Jetzt müssen wir mal versuchen, ob wir da so eine Offset-Regel hinkriegen oder irgendwas in diese Richtung“, sagte Merz zu möglichen Lösungen für den Zollstreit, die er mit Trump besprochen habe. Eine solche Regel hatten die Autohersteller selbst schon ins Spiel gebracht. Auch die Zahlen, die der Kanzler erwähnte, führen die Lobbyisten der Industrie immer wieder an, um die von Trump verhängten Zölle von 25 Prozent möglichst schnell wieder loszuwerden. Die Konzerne gehen seit Wochen demonstrativ auf Trump zu, inklusive Gesprächen der Vorstandschefs im Weißen Haus. Auch dem Bundeskanzler lieferte sie offenbar Argumente im Zollstreit.
So hat Mercedes Ende Mai angekündigt, den Verbrenner-SUV GLC ab 2027 auch im Werk Tuscaloosa in Alabama zu bauen. Bislang kommt das meistverkaufte Mercedes-Modell aus den Fabriken in Bremen und Sindelfingen, wo es auch weiterhin vom Band laufen soll. Wie groß das zusätzliche Volumen für das US-Werk tatsächlich ist, ist also ungewiss. Doch die Symbolik ist deutlich.
Klar ist auch die Argumentationslinie des Konzerns – und die entspricht der Merz-Anekdote: Schon heute würden in den USA SUVs nicht nur für Amerika, sondern für den Weltmarkt produziert – und bis nach Europa exportiert. Mercedes ist in den USA also nicht nur ein Importeur, sondern auch ein Exporteur. Daher, so argumentieren die Konzern-Lobbyisten in Richtung Weißes Haus, wäre es nur logisch, wenn Mercedes unter dem Strich von Zöllen ausgenommen würde. Die Ankündigung zur GLC-Produktion vor Ort ist dafür eine Morgengabe.
Das Vorpreschen von Mercedes mit der klaren Ankündigung für das zusätzliche US-Modell wird in der Branche als Zeichen dafür gewertet, dass es – anders als von einigen Managern erhofft – kein abgestimmtes Vorgehen der drei großen deutschen Autokonzerne gegen Trumps Zollpläne gibt.
Doch BMW kann dennoch ähnlich argumentieren wie die Stuttgarter: Aus dem US-Werk in Spartanburg gehen 60 Prozent der dort produzierten X-Modelle in den Export, auch nach Deutschland.
Für Volkswagen ist eine Besänftigung Trumps besonders wichtig: In den USA hat der Konzern vor allem mit dem Jetta Erfolg. Das Modell ist deshalb besonders preisgünstig, weil es aus Mexiko importiert wird – zum Ärger Trumps. Auch die Volkswagen-Gruppe geht daher auf Trumps Vision zu, mehr Produktion ins Land zu holen, wenn auch nicht bei seinem Einsteiger-Modell.
Porsche soll deutsch bleiben
Schon zu Bidens Zeiten hatte der VW-Konzern angekündigt, die uramerikanische Geländewagen-Marke Scout neu aufleben zu lassen und dafür ein eigenes, neues Werk zu errichten. Ende 2026 soll die Fabrik in South Carolina den Betrieb aufnehmen und mehr als 200.000 Scout-Autos jährlich ausspucken. Sie könnte auch eine Rolle spielen bei neuen Plänen, künftig auch Audis in den USA zu bauen. Das wäre ein Schritt, den die Trump-Regierung als Erfolg ihres Drängens verkaufen könnte. „Wir wollen stärker in den USA lokalisieren. Dazu prüfen wir derzeit verschiedene Szenarien“, bestätigte ein Audi-Sprecher WELT.
Denkbar sind mehrere Optionen, über die der Konzern bis zum Jahresende beschließen will: Neben dem neuen Scout-Werk kommt wohl auch das US-VW-Werk in Chattanooga infrage. Schließlich teilen sich Volkswagen und Audi gemeinsame Plattformen. Auch ein eigenständiges Audi-Werk scheint nicht ausgeschlossen zu sein – im Gegensatz zu einer Porsche-Produktion in den USA.
Für den Sportwagenbauer schließt Konzernchef Oliver Blume ein Werk außerhalb Deutschlands aus. Zu eng ist für ihn die Markenidentität mit „Made in Germany“ verknüpft. Porsche könnte also nur dann profitieren, wenn die Amerikaner die deutschen Hersteller insgesamt betrachten würde – und nicht einzelne Konzerne oder gar Marken.
Christoph Kapalschinski berichtet für WELT über die Automobil-Industrie.
Daniel Zwick ist Wirtschaftsredakteur in Berlin und berichtet über Wirtschafts- und Energiepolitik, Digitalisierung und Staatsmodernisierung.