Portugal boomt, besonders bei nordamerikanischen Touristen. Und immer mehr US-Bürger siedeln sogar dauerhaft um. Das hat schwerwiegende Folgen für Portugals Immobilienmarkt.
Von Süden über die Tejo-Mündung nach Lissabon fährt es sich wie auf dem Highway One nach San Francisco. Die Brücke mit ihren roten Stahlträgern erinnert sofort an die Golden Gate Bridge. Und so wirkt es fast schon normal, wenn dann beim Besuch der Altstadt Alfama amerikanisches Englisch das Stimmengewirr der Touristinnen und Touristen dominiert.
Von Januar bis Juli verbrachten mehr als 1,3 Millionen US-Amerikaner ihren Urlaub in Portugal – mehr als Deutsche oder Spanier, die sonst neben Briten die größten Gruppen der Portugal-Urlauber stellen.
Auswanderungsboom nach Wahlen
Auch für Geschäftsfrau Gilda Peireira sind die US-Bürger derzeit die besten Kundinnen und Kunden. Am amerikanischen Unabhängigkeitstag hat der „American Club of Lisbon“ sie zum Gartenfest in schickem Ambiente eingeladen. Lampions, Tischdecken, Servietten – alles im „Stars and Stripes Design“. Mit ihrer Migrationsagentur hat Peireira diversen Gästen ihr Visum oder eine Immobilie vermittelt.
Dass sich aktuell so viele Amerikanerinnen und Amerikaner in ihrer Agentur melden, kann sie an einem ganz bestimmten Tag im November 2024 festmachen: „Die letzten Wahlen waren ein Boom für uns, es kamen extrem viele E-Mails und Anrufe – und dann gingen die Beratungen los.“ Viele dieser neuen Kundinnen und Kunden wollten weg, weil sie mit der aktuellen politischen Situation dort nicht klar kämen, berichtet Peireira. Ein Fan von Trump sei sie nicht, aber ihrem Geschäft habe er geholfen.
Der Trend, dass immer mehr US-Amerikaner nach Portugal umziehen, begann schon in Trumps erster Amtszeit. Von 2017 bis 2024 hat sich die Zahl der in Portugal lebenden US-Bürgerinnen und Bürger mehr als versiebenfacht, schreibt die Tageszeitung Publico. Es sind nun bereits 20.959 – Tendenz steigend.
Altersruhesitz Portugal
Noch nicht mitgezählt sind da Christoph und Marybeth Zimmerman. Sie sind erst in diesem Jahr umgezogen, aber die Ökonomen hatten Portugal schon länger als Rentendomizil im Visier. Von Washington D.C. ins beschauliche Setubal nahe Lissabon: Sie fühlten sich willkommen und sicher, berichten die Zimmermans aus den ersten Wochen nach ihrem Umzug.
Gilda Peireiras Agentur hat die Formalitäten für sie erledigt, ihr spezielles Rentner-Visum hatten sie flott. Einwanderern wie den Zimmermans macht es Portugal leicht. Und auch die Wohnung war bald gefunden. „In den USA sind Immobilien extrem teuer“, erklärt Zimmerman, „dagegen erscheint das hier erschwinglich“. Es hänge aber stark von den individuellen Umständen ab, wo in den USA man herkomme zum Beispiel. „Wir sind Rentner. Wir haben ein Leben lang gespart.“
Einheimische können sich Immobilien nicht leisten
Für viele Portugiesinnen und Portugiesen sind Immobilien dagegen unerschwinglich, zumindest in den Großstädten. Marta und Luis Rodriguez mussten in eine triste Vorstadt ziehen. Jenseits der schönen Brücke, die übrigens die „American Bridge Company“ baute. Sie gehören zum Mittelstand, verdienen über dem Durchschnitt. Aber seit Marta und Luis Kinder haben, könnten sie sich Lissabon nicht mehr leisten, so Marta. „Leute mit viel Geld können kaufen, wo sie wollen – und treiben die Immobilienpreise hoch.“
Die Kaufpreise für Immobilien sind laut europäischem Statistik-Institut Eurostat in Portugal im ersten Quartal dieses Jahres um 16,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Der höchste Preisanstieg in der EU. Und laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich das Verhältnis zwischen dem Einkommen und Immobilienpreisen nirgends sonst in Europa so ungünstig entwickelt wie in Portugal.
Mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 1.630 Euro haben Portugiesinnen und Portugiesen schlechte Karten als Hauskäufer.
Airbnb und Hotels treiben die Preise
Preistreiber sind nur zum Teil gut situierte Einwanderer, das wohl größte Problem sind Vermietungen über Plattformen oder die Investoren, die dahinterstehen. João Teixeira Lopes, Professor für Soziologie an der Universität Porto beobachtet immer größere soziale Ungleichheiten auf dem dortigen Wohnungsmarkt.
Ein Grund dafür sei, dass es eine große Zahl von Immobilien gibt, die von Airbnb und Hotels belegt werden. „Und dann gibt es auch noch Häuser, die von Immobilienfonds gekauft werden, in denen nicht einmal Menschen leben“, so Teixeira Lopes. Für viele dieser Fonds reiche es aus, ihren Anlegerinnen und Anlegern ein Immobilienportfolio zu präsentieren.
„Bauherren wollen nur im Luxussegment bauen“
Und was tut die Politik? Die Wohnungsnot ist regelmäßig eines der Top-Themen für die Bürger in den Umfragen vor den Wahlen. Aber seit Beginn des Jahres 2022 haben die Portugiesinnen und Portugiesen dreimal ihr Parlament neu gewählt. Nachhaltige Lösungen für das Wohnungsproblem hatten weder die bis März 2024 regierenden Sozialisten noch die seitdem amtierende und jüngst wieder gewählte Konservative Allianz.
Jahrelang lockten sie mit „goldenen Visa“ Investoren und Immobilienkäufer aus dem Ausland an. Während es kaum sozialen Wohnungsbau gibt und Genossenschaften, die erschwinglichen Wohnraum bauen, Schwierigkeiten haben, sich auf dem Markt zu behaupten. Experte Teixeira Lopes beklagt, es sei mittlerweile in Portugal sogar schwierig, öffentliche Gebäude wie Schulen zu bauen oder Häuser für Bedürftige. „Selbst wenn Geld da ist, wollen die Bauherren nur im Luxussegment bauen.“
Die aktuelle Regierung kündigt an, nun etwas für ein größeres Wohnungsangebot tun, bisher steht das aber nur auf dem Papier. Und so dürften die Einheimischen es weiter schwer haben, sich auf dem Wohnungsmarkt gegen reiche Einwanderer, digitale Nomaden oder Touristen durchzusetzen. Immer mehr Portugiesinnen und Portugiesen weichen in die Vorstädte aus. Für sie dürfte die Fahrt über die Brücke a la Golden Gate eher ein täglich-nerviges Stau-Erlebnis sein als eine schöne Urlaubserinnerung.