Das Landgericht Ellwangen hat am 20. März 2024 (Az.: 1 S 70/23) ein wegweisendes Urteil zur Alleinhaftung bei Überholmanövern unter unklaren Verkehrsbedingungen gefällt. Im Mittelpunkt stand die Frage, inwieweit ein sogenannter „Kolonnenspringer“ für die Folgen eines riskanten Überholvorgangs verantwortlich ist.
Sachverhalt
Am 31. Juli 2022 ereignete sich auf der Kreisstraße K2509 zwischen Gaggstatt und Wallhausen ein Verkehrsunfall. Der Kläger, Eigentümer eines Tesla Model S, versuchte, eine Kolonne von Fahrzeugen auf einer schmalen, kurvigen Straße ohne Mittellinie zu überholen. Dabei kollidierte er mit dem Opel Astra des Beklagten zu 1. Die Straße war knapp 5 Meter breit und verfügte über kein Bankett, was die Situation zusätzlich erschwerte.
Erstinstanzliche Entscheidung
Das Amtsgericht Langenburg wies die Klage des Tesla-Fahrers ab. Es stellte fest, dass der Kläger bei unklarer Verkehrslage überholt und somit gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen hatte. Dieser Paragraph verbietet das Überholen, wenn die Verkehrslage unklar ist oder wenn mit Behinderungen des Gegenverkehrs zu rechnen ist. Das Gericht bewertete das Verhalten des Klägers als grob fahrlässig.
Berufungsverfahren
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein. Er argumentierte, dass die Beschleunigungsfähigkeit seines Tesla ein sicheres Überholen ermöglicht habe. Die Beklagten hielten dem entgegen, dass der Kläger ohne ausreichenden Seitenabstand überholt und somit den Unfall selbst verschuldet habe.
Entscheidung des Landgerichts Ellwangen
Das Landgericht Ellwangen bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung des Klägers zurück. Es stellte fest, dass der Kläger beim Überholen der Kolonne die unklare Verkehrslage und die Enge der Straße missachtet hatte. Dieses Verhalten wurde als grob fahrlässiger Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO gewertet, was eine Alleinhaftung des Klägers zur Folge hatte.
Rechtliche Würdigung
Das Gericht betonte, dass das Überholen bei unklarer Verkehrslage ein erhebliches Gefährdungspotenzial birgt. Fahrer müssen sicherstellen, dass sie die gesamte Überholstrecke überblicken können und keine Gefahr für den Gegenverkehr besteht. Ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht kann als grob fahrlässig eingestuft werden und zur Alleinhaftung führen.
Praktische Hinweise für Verkehrsteilnehmer
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Überholen nur bei klarer Verkehrslage: Stellen Sie sicher, dass die Straße frei einsehbar ist und kein Gegenverkehr naht.
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Geschwindigkeit anpassen: Passen Sie Ihre Geschwindigkeit den Straßen- und Verkehrsbedingungen an.
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Sicherheitsabstand einhalten: Halten Sie stets einen ausreichenden Seitenabstand zu anderen Fahrzeugen ein.
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Risikoreiche Manöver vermeiden: Verzichten Sie auf riskante Überholmanöver, insbesondere auf schmalen oder kurvigen Straßen.
Fazit
Das Urteil des Landgerichts Ellwangen unterstreicht die Bedeutung der Sorgfaltspflichten beim Überholen. Fahrer sollten stets die Verkehrslage genau einschätzen und riskante Manöver vermeiden, um Unfälle zu verhindern und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
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