Kann ein gerichtlicher Vergleich den Urlaub beseitigen?
Hier kommt es zunächst darauf an, wann ein solcher gerichtlicher Vergleich geschlossen wird – insbesondere, ob der Vergleich nach Ablauf einer gegebenen Kündigungsfrist oder vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt.
Werden in gerichtlichen Verfahren nicht regelmäßig auch die Urlaubsansprüche in einem Vergleich mitgeregelt?
Grundsätzlich ja. Dabei ist es möglich, entweder die Urlaubsgewährung in natura und den Zeitraum des Urlaubs im Vergleich festzulegen oder – im Falle eines bereits beendeten Arbeitsverhältnisses – die Zahlung einer Urlaubsabgeltung vergleichsweise zu regeln.
Was ist, wenn die Arbeitnehmerseite den Urlaub aufgrund bereits bestehender und andauernder Erkrankung nicht in Anspruch nehmen kann?
Sofern eine tatsächliche Inanspruchnahme des Urlaubs – also durch tatsächliche Freistellung – nicht möglich ist, besteht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zahlungsanspruch auf Urlaubsabgeltung. Eine Regelung, wonach Einigkeit darüber bestehen soll, dass Urlaubsansprüche bereits in natura gewährt worden seien und daher nicht mehr bestehen, ist vor Ablauf des Arbeitsverhältnisses unwirksam.
Kann damit eine solche Regelung, dass Urlaubsansprüche bereits gewährt worden seien, in einem Prozessvergleich nicht getroffen werden?
Grundsätzlich nein. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 3. Juni 2025 (Az. 9 AZR 104/24) klargestellt, dass Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub unverzichtbar sind. Dem Fall lag zugrunde, dass keine Unsicherheit über das Bestehen von Urlaubstagen und deren Anzahl bestand – der Urlaub und mögliche künftige Urlaubsabgeltungsansprüche wurden jedoch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses „wegverglichen“. Eine solche Regelung ist nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig.
Steht dem nicht entgegen, dass beide Parteien wussten, was sie gerichtlich vereinbarten?
Das mag zutreffen. Dennoch hat sich die Arbeitnehmerseite nicht dem Einwand widersprüchlichen Verhaltens ausgesetzt. Die Rechtsprechung hat damit erneut klargestellt, dass Ansprüche auf den gesetzlichen Mindesturlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzichtbar sind.
Was gilt nunmehr?
Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der gesetzliche Mindesturlaub nicht wirksam ausgezahlt werden, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht. Der Freizeitausgleich hat absoluten Vorrang. Tatsachenvergleiche über den Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind daher unwirksam.
Betrifft dies nur den gesetzlichen Mindesturlaub?
Ja. Geschützt ist ausschließlich der gesetzliche Mindesturlaub gemäß § 3 BUrlG. Darüber hinausgehender Mehrurlaub kann von den Parteien abweichend geregelt werden. Hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs ist jedoch jede Vereinbarung, die auf einen Verzicht oder eine Auszahlung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, zwingend unwirksam.
Sven Rasehorn
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht (www.anwaltkw.de)