testamentum mysticum – Verweisung auf anderes Schriftstück
Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 Z 28/79
Beschluss 10.7.1979
RA und Notar Krau
Der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 10. Juli 1979 behandelt die Frage der Wirksamkeit eines Testaments, das formelle Mängel aufweist, insbesondere im Hinblick auf die Bezugnahme auf ein maschinenschriftliches Dokument.
Der Erblasser, J.B., hinterließ ein eigenhändiges Testament, in dem er zur Bezeichnung der Erben auf ein mit der Schreibmaschine geschriebenes, unterzeichnetes Verzeichnis verwies.
Das Gericht entschied, dass diese Form der Erbeinsetzung wegen des Verstoßes gegen die Formvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ungültig ist, da ein eigenhändiges Testament gemäß § 2247 BGB vollständig handschriftlich sein muss.
Das Gericht stellte fest, dass die maschinenschriftliche Beilage nicht nur erläuternd, sondern entscheidend für die Erbenbestimmung herangezogen wurde, was unzulässig ist.
Diese Art der Verweisung, bekannt als testamentum mysticum, ist im deutschen Recht nicht zugelassen.
Aufgrund dieses Formmangels trat die gesetzliche Erbfolge in Kraft, was bedeutet, dass die ursprünglich eingesetzten Erben nicht berücksichtigt wurden.
Das Gericht hob zudem hervor, dass in Bayern das Nachlassgericht verpflichtet ist, die Erben von Amts wegen festzustellen und die Richtigkeit eines erteilten Erbscheins umfassend zu prüfen, unabhängig davon, ob dies im Beschwerdeverfahren von den Beteiligten beantragt wurde.
Somit wurde die Entscheidung des Landgerichts, die Beschwerden der Beteiligten zu 1) bis 13) zurückzuweisen, teilweise aufgehoben und zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.
Es wurde festgestellt, dass das Landgericht auch hätte überprüfen müssen, ob die Enterbung des Bruders des Erblassers und dessen Nachkommen wirksam war.
Falls dies nicht der Fall ist, könnte die gesetzliche Erbfolge zugunsten dieser Verwandten gelten.
Die Frage der Wirksamkeit der Enterbung muss daher noch geklärt werden, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann.
Allgemeiner Hinweis:
Ein „testamentum mysticum“ bezeichnet im deutschen Erbrecht ein Testament, bei dem der Erblasser in seiner formgültigen letztwilligen Verfügung auf ein anderes Schriftstück verweist, um den Inhalt seiner Anordnungen, insbesondere die Bestimmung der Erben oder die Verteilung des Nachlasses, festzulegen.
Grundsätzlich ist eine solche Verweisung auf ein anderes Schriftstück problematisch und führt in der Regel zur Formnichtigkeit der entsprechenden testamentarischen Verfügung (§ 125 Satz 1 BGB).
Das liegt daran, dass das Gesetz verlangt, dass der Wille des Erblassers formgültig im Testament selbst zum Ausdruck kommt.
Das verweist Schriftstück erfüllt diese Formvorschriften in den meisten Fällen nicht (z.B. weil es nicht handschriftlich verfasst oder nicht unterschrieben ist).
Ausnahmen und wichtige Aspekte:
Andeutungstheorie:
Eine Verweisung auf ein anderes Schriftstück kann ausnahmsweise zulässig sein, wenn der Wille des Erblassers bezüglich der Erbfolge oder der konkreten Anordnung im formgültigen Testament zumindest angedeutet ist und das andere Schriftstück lediglich der näheren Erläuterung dient.
Die Identität der Erben oder die wesentlichen Verfügungen dürfen sich aber nicht erst aus dem formunwirksamen Schriftstück ergeben.
Formgültigkeit des verwiesenen Schriftstücks:
Wenn das Schriftstück, auf das verwiesen wird, selbst die Formvorschriften eines Testaments erfüllt (z.B. ein notarielles Testament oder ein eigenhändiges Testament), ist die Verweisung in der Regel unproblematisch. In diesem Fall bilden beide Urkunden zusammen die letztwillige Verfügung.
Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung:
Eine Verweisung auf ein Testament einer anderen Person ist unzulässig, da das Testament höchstpersönlich errichtet werden muss (§ 2064 BGB).
Beispiel aus der Rechtsprechung:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 10. November 2021 (IV ZB 30/20) entschieden, dass die Erbeinsetzung unwirksam ist, wenn die Identität der Erben sich nicht aus dem handschriftlichen Testament ergibt, sondern nur aus einer maschinengeschriebenen und lediglich unterschriebenen Anlage.
Der BGH sah darin ein unzulässiges „testamentum mysticum“, da der wesentliche Inhalt der Erbeinsetzung nicht formgültig im Testament selbst enthalten war.
Fazit:
Die Verweisung auf ein anderes Schriftstück in einem Testament ist grundsätzlich riskant und kann zur Unwirksamkeit der betroffenen Anordnungen führen.
Erblasser sollten darauf achten, ihren Willen klar und vollständig im formgültigen Testament selbst auszudrücken, um spätere Streitigkeiten und die Unwirksamkeit ihrer letztwilligen Verfügung zu vermeiden.
Bei komplexeren Sachverhalten oder dem Wunsch, auf andere Dokumente Bezug zu nehmen, ist es dringend ratsam, sich rechtlichen Rat einzuholen.
testamentum mysticum – Verweisung auf anderes Schriftstück