Die häufigen Preisänderungen an der Zapfsäule erschwerten Verbrauchern vorausschauendes Tanken, mahnt das Bundeskartellamt. Gegebenenfalls erwägt die Behörde regulatorisch einzugreifen. Doch welche Idee wäre wirklich sinnvoll? Der ADAC warnt vor allem vor einem Punkt.
Die Tankstellenpreise für Benzin und Diesel sind zu vielen Zeiten im Jahr ein Streitthema, meistens ausgelöst vom Preisgebaren der großen Tankstellenketten. Ein Beispiel aus der Vorwoche: Zwar sanken im April die Preise an den Zapfsäulen – allerdings nicht ausreichend genug. Im Vergleich zu den Einbrüchen der weltweiten Rohölnotierungen bewegten sie sich zu wenig nach unten.
„Die Preise sind im April den zweiten Monat in Folge gefallen. Aber erneut nicht so stark, wie es die niedrigen Rohölpreise erlaubt hätten“, sagt Steffen Bock, Geschäftsführer des Vergleichsportals Clever Tanken. Das Portal gehört zur Auto-BILD-Gruppe, die wie WELT ein Teil von Axel Springer ist. Das Phänomen bedeutet, dass die Ölunternehmen den eigenen Preisvorteil nicht vollumfänglich an die Kunden weitergegeben haben.
Der Liter Super E10 kostete im Monatsdurchschnitt mit 1,68 Euro einen Cent weniger als im März. Beim Liter Diesel waren es mit 1,58 Euro vier Cent weniger.
Dabei wird das Preisverhalten der Ölunternehmen auch vom Bundeskartellamt rigoros kontrolliert. Eigens dafür richtete die Bonner Behörde die sogenannte Markttransparenzstelle ein, die im Fünf-Minuten-Takt sämtliche Tankstellenpreise Deutschlands miteinander vergleicht – und den Autofahrern diese Daten indirekt über diverse Onlineportale zur Verfügung stellt.
Erst kürzlich mahnte Behördenchef Andreas Mundt einen Punkt an: Die Tankstellen würden über den Tag zu häufig die Preise ändern und damit den Kunden die Orientierung über günstige Tageszeiten zum Auftanken zunehmend erschweren. „Wettbewerbsvorstöße werden dadurch weniger attraktiv und der Tankstellenwettbewerb wird gedämpft“, schreibt das Kartellamt.
Notfalls Regulation der Spritpreise?
Gar von „Preisintransparenz“ im Tankstellenmarkt ist die Rede. Kartellamtschef Mundt erwägt „gegebenenfalls weitere Handlungsschritte – eventuell auch regulatorischer Art“. Als Parallele wird das Nachbarland Österreich genannt.
Dort legte die Regierung fest, dass die Tankstellenketten bis zu einem gewissen Zeitpunkt am Tag die Preise erhöhen und danach für 24 Stunden nur noch senken dürfen. Auch in Luxemburg greift der Staat in den Markt ein und legt täglich eine Höchstgrenze für die Tankstellenpreise fest.
Nach WELT-Recherchen in der Branche und unter Wettbewerbsrechtlern stoßen diese Pläne des Kartellamts auf große Bedenken. „Es stellt sich die Frage, ob das Bundeskartellamt überhaupt die gesetzgeberische Kompetenz dafür hat, so tief in die Preishoheit der Unternehmen einzugreifen“, sagt Justus Haucap, Direktor des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.
Die Preishoheit sei in Deutschland ein hohes Gut. „Auch wenn ich kein Jurist bin, erscheint mir ein solcher Eingriff in die Preisfreiheit in unserem Rechtssystem nicht unproblematisch zu sein“, sagt Haucap. Schließlich sei damit immer auch ein Eingriff in den Markt verbunden. „Ich wäre damit zurückhaltend“, sagt der Wissenschaftler, der vor Jahren Vorsitzender der Monopolkommission war.
Preisänderungen seien eine Folge des Wettbewerbs, Kartelle dagegen änderten ihre Preise nur selten. Diese Änderungen sprächen eher für als gegen einen funktionierenden Wettbewerb.
„Sicherlich gibt es irgendwo einen Punkt, an dem bei häufigen Preisfestsetzungen ein Vergleich kaum mehr möglich ist“, sagt Haucap. Die entscheidende Frage sei es, wie eine solche Regelung gestaltet werde.
Dabei geht der Blick wieder nach Österreich: Im Nachbarland ist die Zahl der in den Vergleichsportalen angezeigten Tankstellen auf die zehn günstigsten Anbieter in einem Bundesland und die fünf innerhalb eines Bezirks beschränkt.
Das schafft einen gewissen Anreiz für die Tankstellenunternehmen, bei den einmaligen Erhöhungen am Tag Zurückhaltung zu üben, wenn sie denn in diesen Listen erscheinen wollen. „Das ist ganz intelligent gemacht, weil es einen künstlichen Druck auf die Tankstellen ausübt, die Preise nicht stark zu erhöhen“, sagt Haucap.
Auch Auto-Lobbyisten des ADAC sind bei dem Thema skeptisch. Eine Begrenzung der Preiserhöhungen an den Tankstellen auf nur einmal am Tag würde die Situation für die Autofahrer zwar vermeintlich vereinfachen, heißt es dort.
„Aber aus unserer Sicht würde eine solche Regel vermutlich eine Verschlechterung bedeuten. Die Gefahr besteht, dass der durchschnittliche Benzinpreis am Ende höher ausfallen würde“, sagt Christian Laberer, Kraftstoffmarktexperte des ADAC.
ADAC widerspricht Kartellamt
Schließlich könnten die Mineralölunternehmen die Preise an den Tankstellen dann einmalig sehr hoch ansetzen und danach nur mäßig und sukzessive wieder senken. „Höhere Preise würden damit von vorneherein eingepreist und die Autofahrer wären dann möglicherweise deutlich schlechter dran als heute“, sagt der Experte des ADAC.
Ein aufgeklärter Autofahrer komme mit dem jetzigen Modell besser klar, selbst wenn sich die Preise über den Tag mehrmals veränderten. Schließlich gebe es jeden Tag die gleichen Preismuster und somit Zeiträume mit relativ günstigen Preisen.
„Die Häufigkeit der Preisänderung im Bundesdurchschnitt hat sich nach unseren Erkenntnissen zwar erhöht, sie bewegt sich aber in der Regel noch in einem akzeptablen Rahmen“, sagt Laberer.
Andere Beteiligte aus der Branche sprechen von weitreichenden Folgen. „Eine derartige Einschränkung der Preisgestaltung an den Tankstellen würde unseren Handlungsspielraum verändern und uns ein Stück weit die Geschäftsgrundlage entziehen“, sagt Clever-Tanken-Chef Bock. Dabei hätte das Kartellamt derartige Unternehmen doch genau zum Zweck des Preisvergleichs zum Aufbau ihres Geschäftsmodells animiert.
Preise sind am frühen Abend tendenziell niedriger
Bislang beobachten die Vergleichsportale im Durchschnitt acht Preisspitzen am Tag. Die Zahl der täglichen Preisänderungen liegt dagegen zwischen 15 und 20 Anpassungen. Allerdings gibt es auch lokale Ausschläge mit noch deutlich höheren Werten.
Tendenziell sind die Preise an den Tankstellen am frühen Abend niedriger als am Morgen. Und grundsätzlich sind Tankstellen am Supermarkt, an der Waschstraße oder freie Benzinstationen günstiger als Markenanbieter wie Aral, Shell, Total oder Esso.
Ein Problem allerdings ergibt sich aus dem Tagesverlauf. Denn freie Tankstellen oder Supermarktstationen schließen oftmals bereits in den Abendstunden. Danach sind die Markentankstellen unter sich.
Das heißt: Tagsüber herrscht reger Wettbewerb, abends und in der Nacht dagegen bestimmt an vielen Orten ein Oligopol das Preisgeschehen an den Tankstellenketten.
Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet unter anderem über Schifffahrt, Logistik und Mittelstandsunternehmen und ist begeisterter Autofahrer.