Dieser Tage streiten Experten darüber, wie viele Steuereinnahmen Deutschland in Zukunft haben wird. Doch die Wirtschaftsprognosen trüben die Aussichten. WELT gibt einen Überblick über die Einnahmen – und erklärt, welche Steuern sich für den Staat besonders lohnen.
Diese Woche treffen sich die Mitglieder des Arbeitskreises Steuerschätzung in Bremen. Es ist ein wichtiger Termin für den neuen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD).
Er selbst sitzt zwar nicht dabei, wenn diverse Steuerexperten – aus Bundes- und Landesministerien, aus Wirtschaftsforschungsinstituten und von der Deutschen Bundesbank – drei Tage lang darüber fachsimpeln, wie viel Geld durch jede einzelne Steuer in Zukunft in die Kassen des Staates gespült werden könnte.
Klingbeil und seine Kabinettskollegen aber wissen danach, mit wie viel Geld sie in dem noch offenen Bundeshaushalt 2025 und auch in dem für 2026 planen können. Vergangenen Oktober gingen die Schätzer für 2025 noch von Gesamteinnahmen in Höhe von 982 Milliarden Euro aus. Davon sollte der Bund 390 Milliarden Euro bekommen.
Der Rest geht an Länder, Kommunen und die Europäische Union. Doch seit Oktober haben sich die Konjunkturaussichten weiter eingetrübt. In ihrer Frühjahrsprognose für 2025 ging die alte Bundesregierung von einem Null-Wachstum aus. Im Herbst hatte sie noch auf ein Plus von 1,1 Prozent gehofft. Geringere Wirtschaftskraft, geringere Steuereinnahmen – das könnte der Rückschluss sein.
Doch so einfach ist es nicht. Im bisherigen Jahresverlauf sprudeln die Steuereinnahmen bislang kräftig. Nicht nur die Umsatzsteuereinnahmen liegen über den Erwartungen, auch die Einnahmen aus der Lohnsteuer – den zuletzt guten Tarifabschlüssen in diversen Branchen sei Dank.
Umsatzsteuer und Lohnsteuer sind mit Abstand die beiden wichtigsten Einnahmequellen des Staates. Auf sie entfallen 60 Prozent der Gesamteinnahmen. Stärker von der allgemeinen Wirtschaftslage hängen die Einnahmen der gewinnabhängigen Steuern ab, wie Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer.
Noch stehen alle Projekte, auf die sich CDU, CSU und SPD verständigt haben, unter Finanzierungsvorbehalt. Alles kann, nichts muss. Das gilt auch für eine mögliche Einkommensteuersenkung. Diese soll laut Koalitionsvertrag Mitte der Legislaturperiode kommen – allerdings nur „für kleine und mittlere Einkommen“, wie es heißt. Schwarz-Rot hat den Kreis möglicher Profiteure damit von Anfang überschaubar gehalten.
Wer tatsächlich entlastet wird, ist offen. 48 Millionen Bürger zahlen überhaupt Lohn- und Einkommensteuer. Das ist etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Der Rest ist zu jung oder verdient zu wenig. Die bisherigen Abzüge hängen zudem stark vom Familienmodell ab. Am höchsten sind die Abzüge für Singles.
Einem Durchschnittsverdiener bleiben nach Steuern und den noch stärker ins Gewicht fallenden Sozialabgaben laut Datensammlung des Bundesfinanzministeriums netto 65 Prozent seines Bruttolohns. Nur in Belgien geht unter den Industrieländern mehr ab. Einer Alleinverdiener-Familie mit zwei Kindern bleiben dagegen 87 Prozent – vor allem dank Splittingvorteil und Kindergeld. Dazwischen liegt die Doppelverdiener-Familie mit 73 Prozent.
Nicht ausgeschlossen haben die neuen Koalitionspartner Steuererhöhungen für Gutverdiener. Schon heute trägt diese Gruppe – anders als von der politischen Linken gern behauptet – besonders viel zum Steueraufkommen bei.
Das oberste Prozent der Einkommensbezieher kommt für fast ein Viertel des gesamten Lohn- und Einkommensteueraufkommens auf, die obere Hälfte für 94 Prozent, die untere entsprechend auf sechs Prozent.
Karsten Seibel ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet unter anderem über Haushalts- und Steuerpolitik.