Viel Bürokratie und wenig Kapital: Gründer haben es hierzulande schwer. Doch mittlerweile steigt die Zahl der Firmengründungen wieder an. Woran liegt das?
Gründen in Deutschland? Das klingt erstmal nach vielen Formularen, langen Wartezeiten, wenig Risikokapital und vielen Regeln. Kurz gesagt: kein Ort für große Ideen. Doch die Zahl der Start-ups hierzulande steigt. 2024 gab es laut der staatlichen Förderbank KfW über 580.000 Gründungen und damit 17.000 mehr als im Vorjahr. Wie passt das zusammen?
„Endlich wieder ein positiver Trend“
Ein Beispiel ist Lukas Zörner. Er ist Mitgründer und CEO des Fintech-Start-ups Integral, das mit Künstlicher Intelligenz (KI) Buchhaltung und Steuerberatung automatisiert. Für den Start des Unternehmens gab es 6,3 Millionen Euro Finanzierung von verschiedenen Kapitalgebern. „Wir sehen endlich wieder einen positiven Trend“, sagt Zörner im Gespräch mit der ARD-Finanzredaktion.
Zwar müsse man feststellen, dass das Niveau immer noch gering sei. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland noch deutlich über 800.000, 2004 zählte die KfW sogar noch fast 1,4 Millionen. Wichtig sei aber, dass sich Gründertum nicht nur in Zahlen messen lasse, so Zörner.
„Was wichtig ist, ist die Kultur. Die Risikobereitschaft und die Kapitalbasis müssen vorhanden sein, um nachhaltig den Standort Deutschland und den Standort Europa für Start-ups interessant zu machen“, meint der Gründer.
Bundesregierung unterstützt Gründerszene
Denn die Hürden sind nach wie vor hoch. Für viele Gründer ist der Weg zur eigenen Firma oft ein zäher Kampf. Der Prozess von der Idee bis zur Realisierung einer Existenzgründung dauert nach Angaben der KfW im Durchschnitt knapp acht Monate. Und doch gründen laut des Global Entrepreneurship Monitors so viele Menschen im erwerbsfähigen Alter wie noch nie.
Danach liegt der Anteil der 18- bis 64-Jährigen, die in den vergangenen dreieinhalb Jahren ein Unternehmen gegründet haben oder sich in dem Prozess befinden, bei knapp zehn Prozent. Vor allem junge Menschen wollen unabhängig sein, ihre eigenen Ideen leben – oder sie starten aus der Not heraus, weil der Arbeitsmarkt gerade nicht mitspielt.
Und auch politisch passiert derzeit einiges: Mit Programmen wie der „Gründerplattform“, einer digitalen Plattform mit interaktiven Tools zur Erarbeitung einer Idee oder eines Businessplans, und dem Förderprogramm „EXIST – Existenzgründungen aus der Wissenschaft“ will die Bundesregierung Gründern den Start erleichtern und Forschung mit Wirtschaft vernetzen.
BioNTech soll keine Ausnahme bleiben
Auch an den Unis tut sich etwas, zum Beispiel bei Futury. Sie zählt nach Angaben des Landes Hessen zu den zehn führenden „Start-up-Factories“, die in den kommenden fünf Jahren mit Unterstützung des Bundes „Impulse für Innovation und Unternehmensgründungen in Deutschland setzen werden“.
Beteiligt sind vier Hochschulen aus dem Rhein-Main-Gebiet, 26 Unternehmen und drei Stiftungen. Sie arbeiten zusammen, um Forschung und Praxis enger zu verbinden. Für Geschäftsführer Charlie Müller ist das ein großer Knackpunkt: „Wenn wir im Bereich Medizin und Life Science Pharma schauen, haben wir in Mainz mit BioNTech den Fall den jeder kennt, wie man aus der Forschung groß werden kann.“
Wer würde sich nicht wünschen, „dass BioNTech keine Ausnahme bleibt, sondern wir die Strukturen schaffen, um das zu replizieren, aus der Forschung in den Markt zu kommen“, so Müller. Bis 2030 will die „Future Factory“ 1.000 Neugründungen ermöglichen und Gründer von der Idee bis zur Skalierung unterstützen.
Gründungsszene wird digitaler, aber nicht unbedingt mutiger
Im ersten Halbjahr 2025 haben junge Unternehmen in Deutschland fast 4,6 Milliarden Euro Risikokapital eingesammelt. Das sind etwa 1,2 Milliarden Euro mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres – ein Plus von rund 34 Prozent, so das Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY. Es war das drittbeste erste Halbjahr seit 2015.
Und nicht nur in der Start-up-Stadt Berlin wird gegründet. Inzwischen zieht Bayern an Berlin vorbei und hat den Gründer-Hotspot übernommen. Laut EY profitierten bayerische Start-ups dabei vom Boom um Rüstung und KI. Generell wird die Gründungsszene immer digitaler. Laut KfW-Gründungsmonitor setzten 2024 rund 36 Prozent der neuen Unternehmen auf digitale Technologien – so viele wie noch nie.
Die Investoren setzen ebenfalls auf Digitales. Das aktuelle EY-Start-up-Barometer zeigt: Das meiste Geld wird in technologiegetriebene Branchen wie KI, Energietechnik und Bildung investiert. Gleichzeitig bleibt der Anteil echter Marktneuheiten aber gering. Nur 15 Prozent der Gründer brachten ein Angebot auf den Markt, das es in ihrer Region vorher noch nicht gab. Oft geht es eher darum, Bewährtes zu digitalisieren oder lokal neu zu denken – etwa in der Beratung, im Handel oder bei Freizeitangeboten.