“Hardware is hard” – diese Worte, die manchmal Google-CEO Sundar Pichai, oder auch dem amerikanischen Wagniskapitalinvestoren Marc Andresseen zugeschrieben werden, sind inzwischen zu einem viel zitierten Mantra geworden. Doch die neue Generation von Klima-Hardware-Gründer:innen steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Wir brauchen dringend physische Innovationen, um unsere Wirtschaft zu dekarbonisieren, Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen der Klimaerhitzung aufzubauen und damit den größten ökologischen Transformationsprozess unserer Zeit voranzutreiben. Doch laut der EIA befindet sich mehr als die Hälfte der Technologien, die zur Erreichung der Klimaziele erforderlichen CO2-Emissionsreduzierungen notwendig sind, aktuell noch in der Demonstrations- oder Prototypenphase. Die Finanzierung und Skalierung dieser kapitalintensiven Vorhaben ist hochkomplex.
Hardware-Startups sind mit langen Entwicklungszyklen sowie technologischem, regulatorischem Risiko und Marktrisiko (z. B. Abnahmebereitschaft von Kunden für weniger emissionsintensives Methanol) konfrontiert, gleichzeitig erfordern sie bereits in der Frühphase hohe Investitionskosten. Das klassische Venture-Capital-Modell, das vor allem auf schnelle Skalierung und hohe Margen ausgerichtet ist, stößt hier an seine Grenzen. Und zwischen Prototyp und marktreifem, skalierbarem Produkt klafft ein tiefes Tal, in dem viele innovative Startups begraben liegen: das sogenannte “Valley of Death”. Doch wie können Hardware-Gründer dieses Tal überbrücken? Der Schlüssel liegt in der richtigen Kapitalstruktur: dem sogenannten “Funding Stack”.
Warum klassisches VC-Setup nicht ausreicht
Software war jahrelang das Maß aller Dinge für VCs: geringe Grenzkosten, schnelles Nutzerwachstum, hohe Bewertungen und die Aussicht auf zügige Exits. Klima-Hardware hingegen ist kapitalintensiv und hat in der Regel deutlich niedrigere Margen, weil Material, langwierige R&D, Produktion und Logistik ins Gewicht fallen. Organisches Wachstum ist schwer, weil der freie Cashflow viel geringer ist. Entwicklungszyklen lassen sich nicht beliebig beschleunigen, und nach der erfolgreichen Validierung einer Technologie im Labor dauert es lange, bis sie im industriellen Maßstab skaliert werden können. Erschwerend kommt hinzu, dass das Transaktionsvolumen für Wachstumsphasen deutlich größer sein muss, um Prototypen, Pilotanlagen und die Skalierung zur ersten kommerziellen Produktionsstätte (First-of-a-Kind, kurz FOAK) zu finanzieren. Genau hier stehen herkömmliche Venture-Capital-Fonds häufig nicht zur Verfügung, weil ihnen das Kapitalvolumen, sowie die Geduld fehlen, und die Konzentration auf eine einzelne, hochriskante FOAK nicht zum typischen Portfolio-Ansatz (20–30 Investments pro Fonds) und dem damit verbundenen Risiko-Rendite-Profil passt.
Finanzierungsquellen an Technologiereife anpassen
Die gute Nachricht: Nie zuvor gab es so viele unterschiedliche Geldquellen für Hardware-Unternehmen. Von staatlichen Forschungszuschüssen im Frühstadium über klassisches Venture Capital, Venture Debt und Projektfinanzierung bis hin zu strategischen Investitionen durch Konzerne oder Infrastrukturfonds: Gründer sollten ihre Finanzierungsmöglichkeiten – den sogenannten “Funding Stack” – bewusst breit fassen. Doch wohin bei diesem Wildwuchs an möglichen Kapitalquellen?
Letztendlich entscheidet das individuelle Risikoprofil des Startups darüber, welche Finanzierungsquellen wann infrage kommen. Wie bei allen Startups sind Risikofaktoren wie Marktreife, Wettbewerb und die Erfahrung und Kompetenz des Managementteams wichtig, doch speziell bei Hardware-Startups hängt die richtige Finanzierungsmischung stark von der aktuellen Technologiereife ab.
Raus aus dem Equity-Dschungel
Genau deshalb gilt: Das Kapital muss zum Entwicklungsstatus der Technologie passen, nicht umgekehrt. Wer zum Beispiel noch keinen Pilotbetrieb vorweisen kann, sollte frühzeitig auf öffentliche Fördermittel (non-dilutive Capital) setzen (beispielsweise von EU-Programmen wie dem Innovation-Fund, dem EIC Accelerator oder nationalen Initiativen wie dem ZIM-Förderprogramm, BMBF-Förderungen oder KfW-Kredite), um teure Anteile zu sparen und ein finanzielles Polster aufzubauen, ohne Eigenkapital zu verwässern. Die Fähigkeit, nicht-verwässerndes Kapital aufzunehmen, kann außerdem für zukünftige Investitionsrunden helfen, da es Investoren das Vertrauen gibt, dass zukünftige Runden nicht im “Equity-Dschungel” enden.
In der Übergangsphase vom Prototyp hin zu Pilot- und Demonstrationsanlagen übernimmt in erster Linie Venture Capital und strategisches Kapital, um das Potenzial innovativer Technologien zu heben.
Die FOAK-Falle: Wie man die Valley of Death überbrückt
Je näher ein Hardware-Klima-Startup seine Technologie an die Marktreife heranführt, desto breiter wird das Spektrum der Finanzierungsmöglichkeiten – und dennoch entsteht gerade im FOAK-Stadium oft eine gefährliche Lücke. Klassische Venture-Capital-Fonds sehen hier zu hohe technische Risiken und zu lange Entwicklungszyklen, während Banken ebenfalls meist erst einsteigen, wenn das technische Risiko signifikant reduziert ist und bereits gesicherte Abnahmeverträge vorliegen. Doch genau in der “Valley of Death” bieten Fördermittel, katalytisches Kapital von Family Offices, strategische Investoren aus der Industrie, und Venture Debt entscheidende Chancen – beispielsweise durch Breakthrough Energy Catalyst, eine von Bill Gates ins Leben gerufene Initiative, die gezielt kritische Klimainnovationen in der Skalierungsphase unterstützt. Wer bereits früh potenzielle Abnehmer oder Corporate-Partner ins Boot holt und erste Offtake Agreements abschließt, schafft Vertrauen bei Kapitalgebern.
Fallstricke vermeiden
Eine der größten Hürden bei der Finanzierung von Klima-Hardware-Startups liegt in einer schlecht strukturierten Cap Table: Zu frühe und zu hohe Verwässerung führt oft dazu, dass Gründer schnell den Großteil ihrer Anteile verlieren und in späteren Runden kaum noch Spielraum bleibt. Ebenfalls kritisch sind überzogene Equity-Anteile für inaktive Mitgründer – etwa Professoren oder frühere Berater –, die weder strategisch noch operativ zum Erfolg beitragen. Das mindert die Motivation des aktiven Teams und verkompliziert künftige Finanzierungsverhandlungen. Ein weiteres Problem sind ineffiziente Entscheidungsstrukturen, wenn zu viele Kleinbeteiligungen ohne klare Lead-Investoren existieren oder ein einzelner Großinvestor die Machtverhältnisse dominiert. Der Schlüssel liegt daher in einer ausgewogenen Eigentumsverteilung und klaren Vesting-Regeln: Gründer sollten stets ausreichend Anteile für spätere Runden reservieren, inaktive Beteiligte sinnvoll begrenzen und die Entscheidungsbefugnisse aller Parteien pragmatisch regeln.
Von Meilensteinen und Mischfinanzierung: Der Weg zum Marktdurchbruch
Für ein erfolgreiches Überbrücken der “Valley of Death” ist es entscheidend, den realen Kapitalbedarf zu ermitteln und diejenigen De-Risking-Meilensteine klar zu definieren, die weitere Investoren überzeugen werden. Wer sich früh mit erfahrenen Gründerkollegen vernetzt und Fördergelder gezielt einsetzt, gewinnt doppelt: Einerseits schaffen solche Mittel finanziellen Freiraum, andererseits signalisieren sie potenziellen VC- und Industriepartnern, dass Substanz hinter dem Vorhaben steckt. Eine transparente Wachstumsstrategie, gepaart mit der nötigen Flexibilität, legt den Grundstein, um technische und kommerzielle Risiken zu meistern. Denn jedes erfolgreich erreichte Etappenziel steigert die Investierbarkeit und führt letztlich zu jenen Partnerschaften, die dem Startup zum Marktdurchbruch verhelfen. Und damit spielen alle Parteien zusammen, um langfristig im Kampf gegen die Klimakrise einen Schritt weiter zu kommen.
Über die Autorin
Miki Yokoyama ist Managing Director bei Aurum Impact, dem Impact Investing-Vehikel des Goldbeck Family Offices. Aurum Impact investiert in Startups, die ökologische und soziale Herausforderungen mit einem skalierbaren Geschäftsmodell angehen, wie Bcause, Paebbl und Voltfang, und in Impact Venture Capital Fonds wie Planet A, Systemiq, und Breakthrough Energy Ventures. Miki ist eine erfahrene Nachhaltigkeitsexpertin, Beraterin und Impact-Investorin, und engagiert sich neben ihrer Rolle bei Aurum Impact aktiv als Vorstandsmitglied der BDI-Initiative Kreislaufwirtschaft, als Beirätin von BÜFA, einem mittelständischen Chemieunternehmen, und als Nachhaltigkeitsberaterin für das Entrepreneurship-Zentrum UnternehmerTUM.
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