Zwei Drittel aller seltenen Erden werden in China produziert und weltweit dringend benötigt. Warum erschließt der Westen nicht eigene Vorkommen?
Auf der Durchfahrt durch die weite Steppe im hohen Norden Chinas, wo es bedeutende Vorkommen seltener Erden gibt: Links und rechts der Straße stehen viele Windturbinen. Der Weg führt nach Baotou, einer Stadt im Landesteil Innere Mongolei, die sich selbst die „Hauptstadt der seltenen Erden“ nennt.
Es gibt dort eine „seltene-Erden-Straße“ und einen offziellen „seltene-Erden Park“ mit einem Denkmal für den einstigen Parteiführer Deng Xiaoping. Dieser hatte in den 1980er-Jahren bedeutende Wirtschaftsreformen initiiert und China unter anderem auch strategisch auf seltene Erden ausgerichtet. „Der Nahe Osten hat Öl, wir haben seltene Erden“, soll Deng Xiaoping 1987 gesagt haben. In Baotou haben sich seitdem viele Hightech-Firmen angesiedelt.
Vieles habe sich verändert, erzählt eine Rentnerin: „Manchmal sehe ich die jungen Leute in der Arbeitskleidung der Magnetfabriken, wie sie mit dem Auto zur Arbeit fahren. Ich bin irgendwie stolz auf sie.“
„Man hätte aus vorherigen Konflikten lernen können“
In Baotou gibt mehr als 100 Hersteller für spezielle seltene-Erden-Magnete, die zum Beispiel in Elektromotoren eingesetzt werden – essenziell für die Automobilindustrie. Wie sehr China seine Macht über die Rohstoffe als Druckmittel nutzen kann, hat die Staats- und Parteiführung bereits mehrfach mit Exportbeschränkungen demonstriert, zuletzt im verschärften Handelsstreit mit den USA.
Bei den jüngsten Verhandlungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt ging es weniger um Zölle und mehr darum, dass China wieder seltene Erden liefert. Unternehmen in den USA und Europa hatten wegen Lieferengpässen bereits Alarm geschlagen.
„Wie man aktuell sieht, wirkt das ja auch sehr stark, dass nicht nur die deutsche Industrie, die europäische Industrie, sondern eigentlich die weltweite Industrie von seltenen Erden aus China abhängig ist“, sagt Martin Erdmann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. „Eigentlich hätte man auch aus vorherigen kleineren Konflikten lernen können. Beispielsweise 2010 hat China schon ein Exportverbot von seltenen Erden an Japan verhängt. Die Japaner haben daraus gelernt und Lieferketten diversifiziert. In Europa und auch in den USA sieht das bisher noch anders aus.“
Eine Bergbaumaschine in der Bayan-Obo-Mine in der Inneren Mongolai in China. Sie gilt als eines der wichtigsten Bergwerke für seltene Erden weltweit.
Quasi-Monopol der Chinesen
China baut etwa 70 Prozent der seltenen Erden weltweit ab und verarbeitet sogar noch mehr – nämlich etwa 90 Prozent. China hat damit ein Quasi-Monopol. Deutschland importiert zwei Drittel seiner seltenen Erden aus China.
Es gibt zwar auch deutsche Vorkommen, etwa in Sachsen. Doch die Frage sei, ob sich ein Erschließen wirtschaftlich lohne, so Jana Rückschloss, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration: „Neben den Arbeitskosten verhindern vor allem unsere zurecht hohen Umweltstandards den Abbau, und hinzu kommen langwierige Genehmigungsprozesse, was die Risiken für Investoren erhöht.“
Die meisten seltenen Erden kommen in der Erdkruste zwar relativ häufig vor. Aber sie sind nicht so leicht zu gewinnen. Sie sind fein verstreut, oft in Verbindung mit anderen Metallen oder Mineralien, aus denen sie gelöst werden müssen. Das ist oft teuer und geht auf Kosten der Umwelt. Den Abbau haben daher viele Länder lange China überlassen.
Patente für die Weiterverarbeitung
„Grundsätzlich ist es so, dass wir immer nur sporadische Einblicke bekommen in die konkreten Arbeitsbedingungen und Abbaubedingungen vor Ort“, sagt Rückschlos. „Wir wissen, dass beim Abbau oft mit hochgiftigen Säuren gearbeitet wird, direkt vor Ort an den Bohrlöchern. Da wird Säure reingepumpt, um diese seltenen Erzoxide auszuschwemmen. Dadurch sind ganze Landstriche unbewohnbar geworden, auch für die Tier- und Pflanzenwelt. Und es entstehen sehr, sehr giftige Schlämme, die teilweise auch radioaktiv sind.“
Auch bei anderen Rohstoffen gibt es eine große Abhängigkeit von China. Die Europäische Kommission hat 34 Rohstoffe als kritisch eingestuft. China ist der wichtigste – und bei manchen Stoffen sogar der einzige – Lieferant der EU.
Zudem hält China viele Patente auf die Technologien zur Weiterverarbeitung und importiert auch Rohstoffe oder Vorprodukte aus anderen Ländern und verarbeitet sie weiter; zum Beispiel Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo. Es ist das Land mit den weltweit größten Kobalt-Vorkommen, und die Volksrepublik hat sich in den vergangenen zehn Jahren durch Investitionen Anteile an der Kobalt-Produktion gesichert, was Chinas Vormachtstellung bei Rohstoffen weiter stärkt.
G7-Staaten wollen eigene Lieferketten absichern
Die europäischen Industrienationen und die USA haben auf dem G7-Gipfel in Kanada gerade beschlossen, weniger abhängig von autoritären Staaten wie China zu werden. Sie wollen eigene Lieferketten für strategisch wichtige Rohstoffe wie Lithium, Kobalt oder seltene Erden absichern. Doch das brauche Zeit, so Martin Erdmann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Die Abhängigkeit von China bei kritischen Rohstoffen lässt sich nicht von heute auf morgen reduzieren.
„Es müssten neue Lagerstätten außerhalb Chinas erschlossen werden, und vor allem die Weiterverarbeitung außerhalb Chinas müsste aufgebaut werden“, sagt der Experte. Das sei allerdings kurz- und mittelfristig nicht möglich; zudem fehle es an Know-how. „Alleine der Aufbau einer Anlage dauert fünf bis zehn Jahre, bei Bergbaustätten dauert es sogar noch länger.“