Die Internationale Raumstation ISS altert rapide. Raumfahrtunternehmer Elon Musk hat deswegen nun vorgeschlagen, die Station schon früher aus dem Orbit zu nehmen. Er hält die Astronauten für gefährdet.
Die Internationale Raumstation ISS ist inzwischen ein Raumfahrt-Oldtimer, die ersten Komponenten wurden bereits 1998 ins All transportiert. Das Alter dieser ersten Bauteile wird inzwischen zum Problem, deshalb rät Elon Musk in seiner Rolle als Vorstandschef der Raumfahrtfirma SpaceX dazu, die Station innerhalb der nächsten zwei Jahre zu evakuieren und in die Erdatmosphäre abstürzen zu lassen.
„Es bestehen ernsthafte Bedenken hinsichtlich der langfristigen Sicherheit der Raumstation. Einige Teile sind schlicht zu alt, und dieses Risiko wächst offensichtlich mit der Zeit“, schrieb Musk am Freitagmorgen auf X. Obwohl seine Firma „Milliarden von Dollar mit dem Transport von Astronauten und Fracht zur ISS verdient, möchte ich dennoch ausdrücklich empfehlen, die Station innerhalb von zwei Jahren aus der Umlaufbahn zu nehmen.“
Musk reagiert mit seiner Empfehlung auf eine aktuelle gemeinsame Meldung der US-Raumfahrtbehörde Nasa, des texanischen Raumfahrt-Startups Axiom Space sowie SpaceX, einen geplanten Flug von vier Astronauten zur Station aufgrund von strukturellen Problemen an einem russischen Modul der ISS zu verschieben.
Demnach zeigt das über 20 Jahre alte russischen Swesda-Modul aktuell unerklärbare Druckschwankungen. In dem Modul waren bereits in den vergangenen Monaten mehrfach Lecks aufgetreten, nun will die Nasa zunächst zusammen mit der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos die Ursache des Druckverlusts finden.
Doch Experten warnen, die Lecks auf die leichte Schulter zu nehmen – sie könnten auf ein grundsätzliches Problem der alternden Station hinweisen: „Die strukturelle Integrität der ISS ist weitaus schlechter als öffentlich diskutiert. Es kommt immer häufiger zu Lecks in stark beanspruchten Knotensegmenten des russischen Teils“, schreibt der Ex-Nasa-Ingenieur und Start-up-Gründer Casey Handmer auf X.
Er warnt davor, dass das Aluminium, aus dem die Module gebaut wurden, bei mehrfacher Verformungs-Beanspruchung zu Rissen und katastrophalen Versagen neigt. „Für diese Ausfälle gibt es keinen Sicherheitsfaktor. Keiner der strukturellen Druckbehälter ist für ein Reißen ausgelegt“, so Handmer. Sollte sich ein größerer Riss öffnen, sei ein „katastrophaler Ausfall“ wahrscheinlich.
„Ob das Leck langsam genug ist, um einige Luken zu schließen, die Besatzung herauszuholen oder zumindest in sicherere Bereiche der Station zu bringen, ist reine Glückssache.“ Bereits in der Vergangenheit hatten sich an Bord mehrfach Lecks von Luft und Flüssigkeiten ins All sowie Rauch- und Geruchsentwicklung in den russischen Modulen ereignet, weswegen zeitweise Luken zwischen Modulen aus Sicherheitsgründen geschlossen wurden.
Bislang plant die Nasa, die ISS noch bis 2030 zu betreiben und dann außer Dienst stellen, während Russland vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs seine Beteiligung nur bis 2028 zugesagt hat. Offizielle Pläne für eine Nutzung darüber hinaus gibt es nicht; eine Verlängerung über 2030 gilt trotz Diskussionen um den wissenschaftlichen Wert einer dauerhaft besetzten Station im All als unwahrscheinlich. Die Nasa bereitet deswegen inzwischen den kontrollierten Absturz der ISS vor.
Dazu hat sie SpaceX mit der Entwicklung eines unbemannten „Deorbit“-Raumschiffs auf Basis einer Dragon-Raumkapsel beauftragt. Das soll 2030 an der zuvor evakuierten ISS andocken und durch Bremszündungen des Triebwerks die Station abbremsen und auf eine niedrigere Umlaufbahn bringen. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre soll die ISS weitgehend verglühen. Die restlichen Trümmerteile sollen kontrolliert über einem unbewohnten Gebiet des Südpazifiks niedergehen. Ein unkontrollierter Absturz über bewohntem Gebiet könnte gefährlich werden, da die massiven Koppel-Elemente voraussichtlich nicht komplett verglühen werden.
Diverse US-Raumfahrt-Start-ups planen aktuell eine Nachfolge-Station, darunter auch Blue Origin, die Raumfahrt-Firma von Amazon-Gründer Jeff Bezos, unter dem Namen „Orbital Reef“. SpaceX selbst plant aktuell keine eigene Station, sondern konzentriert sich auf kommende Mond- und Marsmissionen. Doch die Raketentechnik und die Dragon-Transportkapseln von Musks Unternehmen gelten aktuell als entscheidender Faktor für jeden Neubau im All.
Benedikt Fuest ist Wirtschaftskorrespondent für Innovation, Netzwelt, IT und Rüstungstechnologie.
