Die Drohkulisse von weltweiten Zöllen setzen dem Seehandel zu. In einem Ranking der Schifffahrtsnationen musste Deutschland erst jüngst einen Bedeutungsverlust hinnehmen. Beim Blick in die Statistiken macht aber zumindest ein Aspekt Hoffnung.
Die deutsche Schifffahrt fährt unsicheren Zeiten entgegen. Nicht nur, dass die Bundesrepublik jüngst im Ranking der Schifffahrtsnationen an Bedeutung verloren hat. Auch die Aussichten sind trübe.
Die Drohkulisse weltweit verhängter Zölle und andere Handelsbarrieren werden die Transportmengen negativ beeinflussen. Zudem drohen auf dem globalen Containerschifffahrtsmarkt gewaltige Überkapazitäten.
Große Reedereien haben in den vergangenen Jahren eine Rekordzahl an Neubauten bestellt, die nun ausgeliefert werden. Für 2025 sagt die weltgrößte Schifffahrtsorganisation Baltic and International Maritime Council (BIMCO) dadurch ein Plus der Transportkapazitäten auf Containerschiffen um fünf Prozent voraus.
Laut der auf Handelsschifffahrt spezialisierten Analysten von Clarksons Research dürfte die Flotte der Riesenschiffe mit Stellplatz ab 17.000 Standardcontainern zwischen 2024 und 2026 um 10,5 Prozent zunehmen.
Gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach Schiffstransport. Ursache sind eine schwache Weltwirtschaft, Kriege in Europa und Nahost sowie Abschottung wichtiger Industrienationen.
BIMCO erwartet im laufenden Jahr ein Nachfrageminus im Seetransport um etwa zwei Prozent. Abzulesen ist die negative Entwicklung bereits an den Frachtraten, also den Transportpreisen für einen Seecontainer.
Jahrelang eilten diese von einem Rekord zum nächsten. Doch seit Jahresanfang 2025 sind die Frachtraten BIMCO zufolge etwa für den Transport aus China heraus um 28 Prozent gesunken. „Das ist die schlechteste Entwicklung in einem ersten Quartal der vergangenen 20 Jahre“, sagt Niels Rasmussen, Chefanalyst Schifffahrt bei der Organisation.
Dennoch bleibt Deutschland im globalen Vergleich eine bedeutende Schifffahrtsnation. Das Land liegt mit einem Weltmarktanteil von neun Prozent auf Platz drei der größten Nationen in der Containerschifffahrt und hat die vor einem Jahr noch führende Position an die Schweiz abgegeben, wo die Reederei MSC ihren Sitz hat. China folgt auf Rang zwei.
Berechnet wird dies vom Verband Deutscher Reeder nach dem Eigentum dieser Schiffe, etwa bei den Reedereien oder Schiffsfinanzierungsgesellschaften, in den Ländern. Gemessen an allen Schiffstypen, also auch der Massengutfrachter, Tanker und Passagierschiffe, bleibt Deutschland in der globalen Rangliste an siebter Position.
Als Handelsnation ist die Bundesrepublik auf den Seehandel und eine große Handelsflotte angewiesen. Rund 62 Prozent des Exports und 60 Prozent des Imports gehen über den Seeweg. Rund eine halbe Million Arbeitsplätze hängen an der maritimen Wirtschaft. Etwa 290 Reedereien sind im Inland ansässig, sie verfügen aktuell über 1764 Fracht- und Passagierschiffe. Ein Drittel davon sind Containerschiffe. Seit der Jahrtausendwende ist die Größe dieser Schiffsflotte zunächst stetig gestiegen und dann ab 2010 kontinuierlich gesunken.
Jedes zweite deutsche Schiff fährt aktuell unter einem Flaggenstaat aus Europa, Deutschland und Portugal dominieren hier. Das bedeutet, dass Standards für Technik, Umwelt oder Besatzung vergleichsweise hoch sind, etwa im Unterschied zu Flaggenländern wie Panama oder den Marshallinseln.
Zurzeit fahren rund 15 Prozent der in deutschem Eigentum stehenden Schiffe unter deutscher Flagge. Eine Reform aus dem Bundesverkehrsministerium soll helfen, Deutschland international wettbewerbsfähiger zu machen – etwa durch ein einfaches Antragsverfahren. Hinzu kommen staatliche Förderungen wie Zuschüsse zu Lohnnebenkosten und Ausbildungsplatzkosten.
Das Interesse an einem Beruf in der Schifffahrt steigt: Erstmals seit Jahren haben 2024 wieder mehr Menschen eine Ausbildung begonnen: 499 waren es im seemännischen Bereich und 214 an Land etwa zum Schifffahrtskaufmann.
Birger Nicolai ist Wirtschaftskorrespondent in Hamburg. Er berichtet unter anderem über Schifffahrt, Logistik und Mittelstandsunternehmen.