
Die Errichtung der Munitionsfabrik in Litauen gilt als Symbol der Aufrüstung, das auch der Rheinmetall-Aktie helfen könnte. (Foto: dpa)
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Boost für Rheinmetall-Aktie? Vertrag über 141 Millionen Euro
Rheinmetall realisiert das Projekt gemeinsam mit zwei staatlichen litauischen Unternehmen. Bereits am 20. Dezember 2024 unterzeichneten Vertreter des deutschen Rüstungskonzerns, des litauischen Energieübertragungs- und -austauschkonzerns EPSO-G, des EPSO-G-Unternehmens EPSO-G Invest und des litauischen Unternehmens Giraitės ginkluotės gamykla eine Partnerschaftsvereinbarung. Das Gesamtvolumen des Projekts wird auf 260 bis 300 Millionen Euro geschätzt.
Der Produktionskomplex entsteht auf einem 340 Hektar großen Gelände im Dorf Kemėriai, Gemeinde Baisogala. Laut Mitteilung werden in der Anlage Werkstätten zur Herstellung von Artilleriegeschossen und zur Montage von Zündladungen errichtet. Die Fabrik soll Zehntausende Artilleriegeschosse des Kalibers 155 Millimeter pro Jahr produzieren. „Dies ist eines der wichtigsten Projekte auf nationaler Ebene, das nicht nur die Sicherheit Litauens, sondern ganz Europas stärkt“, erklärte Tomas Stukas, Geschäftsführer der PST Group. Sein Unternehmen sei aufgrund seiner „umfangreichen Erfahrung im Industrieanlagenbau“ und seiner Fähigkeit, „schnell, hochwertig und nachhaltig zu arbeiten“, ausgewählt worden. „Das ist nicht nur eine Investition in die Entwicklung der Region, sondern auch in unsere gemeinsame Sicherheit.“
Mit dem Rheinmetall-Projekt übersteigt das Auftragsvolumen der PST Group nach eigenen Angaben mittlerweile 400 Millionen Euro. Der technische Entwurf stammt vom Ingenieurbüro TEC Industry, während das Projektmanagement und die Bauaufsicht von Incorpus übernommen werden. Das dürfte auch der Rheinmetall-Aktie etwas Aufschwung verleihen.
Vorbereitungen und Sicherheitsmaßnahmen angelaufen
Die Gemeindeverwaltung Radviliškis teilte bereits Ende September mit, dass auf dem nahe Baisogala gelegenen Grundstück die ersten Arbeiten begonnen hätten. Vertreter von Rheinmetall hätten das Gelände bereits besucht. Das Areal wird derzeit mit einem Sicherheitszaun umgeben, und provisorische Verwaltungsgebäude werden errichtet. In wenigen Monaten soll der Generalunternehmer die Hauptarbeiten aufnehmen.
In Präsentationen vor der örtlichen Bevölkerung wurde betont, dass strenge Sicherheitsstandards gelten werden. Zwischen den Produktionsgebäuden sowie zu den Grundstücksgrenzen sollen große Sicherheitsabstände eingehalten werden. Ein Teil der Gebäude wird durch 16 bis 19 Meter hohe Erdwälle voneinander getrennt, um im Falle eines Zwischenfalls sicherzustellen, dass keine Explosion oder Splitterwirkung über das Werksgelände hinausgelangt. Laut Mitteilung soll die Fabrik Anfang 2027 ihren Betrieb aufnehmen. Bereits jetzt werden erste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Insgesamt sollen 250 neue Arbeitsplätze entstehen.
Rheinmetalls Munitionsfabrik in Litauen: Finanzierung und politische Unterstützung
Die Projektgesellschaften haben inzwischen mit der Finanzierungsstruktur begonnen. Wie die Wirtschaftszeitung Verslo Zinios berichtete, gewährte die Swedbank der Epso-G-Gruppe im September einen Langzeitkredit über 73 Millionen Euro für das Artillerieprojekt. Zugleich begann die staatliche Beteiligungsgesellschaft Valstybės investicinis kapitalas (VIK) mit der Emission von Anleihen im Umfang von bis zu 55 Millionen Euro, um die Projektfinanzierung sicherzustellen.
Das Ministerium für Wirtschaft und Innovation teilte im Juni 2025 mit, dass die Vereinbarung mit dem deutschen Konzern nach etwa zehnmonatigen Verhandlungen unterzeichnet worden sei. Bereits 2024 hatte die Regierung einen sogenannten „grünen Korridor“ für private Verteidigungsprojekte geschaffen. Projekte, die als „unverzichtbar für die unmittelbaren Sicherheits- und Verteidigungsbedürfnisse des Staates“ anerkannt werden, können in nicht urbanisierten Gebieten ohne vorheriges Raumplanungsverfahren beginnen, denn die Baugenehmigung muss erst bis zum Abschluss der Arbeiten vorliegen. Bisher ist die geplante Rheinmetall-Fabrik in Baisogala das erste und einzige Projekt, das unter diese Sonderregelung fällt.
Europas neue Waffenachse
Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall setzt mit der Investition seine Industrieoffensive in Osteuropa fort. Nach Produktionsstätten in Ungarn und Kooperationen in der Ukraine entsteht in Litauen nun eine direkte NATO-Versorgungslinie für 155-Millimeter-Artilleriemunition, die sowohl für deutsche Panzerhaubitzen als auch für westliche Waffensysteme bestimmt ist. Die Entscheidung stärkt die Rüstungskooperation zwischen Berlin und Vilnius, insbesondere im Kontext der stationierten Bundeswehr-Brigade in Litauen. Deutschland festigt mit industriellen Kapazitäten unmittelbar an der östlichen NATO-Grenze damit seine Rolle als technologisch führende Rüstungsnation Europas.
Geopolitisch steht das Projekt für die militärisch-industrielle Integration Osteuropas in die EU- und NATO-Strategie. Die Produktionskapazitäten für Artilleriemunition sind ein zentraler Bestandteil der europäischen Abschreckungspolitik gegenüber Russland. Während westliche Staaten über Munitionsknappheit diskutieren, schafft die Rheinmetall-Investition eine eigenständige europäische Nachschubbasis. Zugleich zeigt die Sondergenehmigung Litauens, dass Sicherheitsinteressen über bürokratische Verfahren gestellt werden. Ein Zeichen wachsender militärischer Dringlichkeit in der Region? Der Schritt fügt sich in den europäischen Trend ein, Verteidigungsindustrie und Energieinfrastruktur als strategische Daseinsvorsorge zu behandeln.
Rheinmetall-Aktie: Das sagen die Analysten
Die Analysten sehen die Rheinmetall-Aktie weiterhin positiv und betonen das starke Wachstumspotenzial des Konzerns. Nach mehreren Auftragsmeldungen und strategischen Fortschritten im Verteidigungsbereich rechnen sie mit weiterem Rückenwind. Besonders die zunehmende Bedeutung des Unternehmens für die europäische Sicherheitsarchitektur stützt die optimistischen Einschätzungen.
Am 29. Oktober bestätigte Jefferies die Einstufung „Buy“ mit einem Kursziel von 2.250 Euro. Analystin Chloe Lemarie verwies auf die Entscheidung der Ukraine zugunsten des Schützenpanzers Lynx, die Rheinmetall milliardenschwere Aufträge einbringen könnte. Die Rheinmetall-Aktie profitiere damit direkt von geopolitischen Entwicklungen. Bereits am 15. Oktober hatte Deutsche Bank Research das Kursziel auf 2.050 Euro angehoben und betonte die Umsetzung des erwarteten Wachstums, das der Konzern am Kapitalmarkttag konkretisieren werde. Am 07. Oktober erhöhte Berenberg ihr Kursziel auf 2.330 Euro, da George McWhirter langfristig mit steigenden Gewinnen rechnet. Schon einen Tag vorher hatte Goldman Sachs ein Kursziel von 2.200 Euro bestätigt und den Fokus auf das entscheidende vierte Quartal gelegt.
Insgesamt herrscht Einigkeit, dass die Rheinmetall-Aktie weiterhin von stabiler Nachfrage, politischer Unterstützung und starker Marktposition profitiert. Anleger sehen gute Chancen auf nachhaltiges Wachstum und langfristig überdurchschnittliche Renditen.
