Ein Beitrag für Jurist:innen, Personalverantwortliche und alle, die wissen wollen, was hinter den Kulissen der mobilen Arbeit wirklich passiert.
„Homeoffice ist kein Ponyhof, sondern eine Frage von Rechten, Pflichten und Verantwortlichkeiten.“
– Dr. jur Jens Usebach LL.M., Fachanwalt für Arbeitsrecht
Hausarzt, Hotline und Heimarbeitsplatz: Ein Rückblick
Als im Frühjahr 2020 die Pandemie Deutschland erreichte, wandelten sich Küchen- und Wohnzimmertische über Nacht zum Arbeitsplatz. Binnen weniger Wochen gingen laut Statistischem Bundesamt über 40 % der Erwerbstätigen regelmäßig ins Homeoffice – wo zuvor lediglich unter 12 % mobil tätig waren. Arbeitgeber investierten in Laptops, VPN-Zugänge und virtuelle Meetingräume, während Arbeitnehmer:innen Lagerstätten für Bürostühle in privaten Ecken schufen.
Doch mit sinkenden Infektionszahlen und der flächendeckenden Impfkampagne begann ab Mitte 2022 die Rückkehr ins Büro. Die temporäre Ausnahme wurde vielerorts zur Norm, der Gang ins Büro wieder Pflicht.
Gibt es ein Recht auf Homeoffice? Spoiler: Nein – zumindest noch nicht
Rechtlich betrachtet ist Homeoffice in Deutschland weiterhin Privatsache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Ein allgemeines gesetzliches Recht existiert bislang nicht. Entscheidend sind
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Arbeitsvertragliche Regelungen: Wer einen Vertrag mit der Klausel „mobiles Arbeiten möglich“ oder eine Homeoffice-Vereinbarung unterzeichnet hat, darf – im Rahmen dieser Abmachung – von zuhause arbeiten.
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Betriebs- und Tarifvereinbarungen: Manche Unternehmen und Branchenverbände haben in den letzten Jahren eigene Standards etabliert. So sieht etwa der Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie vereinzelt bis zu zwei mobile Arbeitstage pro Woche vor.
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Betriebliche Übung: Ermöglicht der Arbeitgeber dauerhaft und vorbehaltlos Homeoffice, kann bei regelmäßiger Praxis über drei Jahre hinweg ein Anspruch erwachsen. Die Gerichte sind hier jedoch auf Arbeitgeberseite zurückhaltend – insbesondere wenn die Erlaubnis einst als temporäre Pandemie-Maßnahme kommuniziert wurde.
Das pesa-Urteil und das Weisungsrecht
In einem wegweisenden Beschluss bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut das Weisungsrecht des Arbeitgebers: Dieser bestimmt Ort, Zeit und Art der Arbeitsleistung, solange er das sogenannte billige Ermessen wahrt. Das Gericht machte deutlich, dass individuelle Lebensumstände zwar zu berücksichtigen sind, ein generelles Homeoffice-Recht daraus aber nicht folgt.
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Perspektiven von Betroffenen
„Seit drei Jahren fahre ich täglich eine Stunde zum Büro. In dieser Zeit könnte ich längst meinen Bericht schreiben.“Anna S., Marketing-Managerin
Anna S. arbeitet seit 2018 bei einem DAX-Unternehmen und leitet ein sechsköpfiges Team. Während der Pandemie nutzte sie Homeoffice nahezu uneingeschränkt. Doch seit Anfang 2025 ist ihr Wunsch auf dauerhafte Telearbeit abgeblitzt. Obwohl ihre Aufgaben rein digital sind, verlangt der Arbeitgeber wieder fünf Tage Präsenz. Eine Rückkehr, die Anna nicht länger akzeptieren möchte.
„Wir beobachten eine Zunahme von Arbeitnehmer:innen, die ihren sozialen Frieden und ihre Produktivität durch Homeoffice rechtlich absichern wollen.“Dr. Usebach, Experte für Arbeitsrecht
Gesetzesinitiative in der Pipeline: Ein Lichtblick?
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände beobachten seit zwei Jahren die Debatte um einen möglichen gesetzlichen Rahmen mit Spannung. Es gibt politische Stimmen, die ein Recht auf mobiles Arbeiten schaffen wollen.
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Kernidee: Anspruch auf Gespräch über Homeoffice-Wünsche, wenn betriebliche Interessen nicht entgegenstehen.
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Status: Entwurf in interner Abstimmung – ohne Veröffentlichungstermin (Stand: Mai 2025).
Unklar bleibt, ob und wann ein finales Gesetz vorliegen wird. Die Branche diskutiert, ob ein Mindeststandard („zwei Tage Homeoffice pro Woche“) sinnvoll sein könnte.
Konsequenzen bei Arbeitsverweigerung
Verweigert ein:e Arbeitnehmer:in die Rückkehr ins Büro, obwohl laut Arbeitsvertrag Präsenz vorgeschrieben ist, drohen
Arbeitgeber müssen dabei stets ihr billiges Ermessen beachten: Ein Verbot ohne sachlichen Grund (etwa gesundheitliche Risiken, Kinderbetreuung) kann unwirksam sein.
Tipps für die Praxis
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Schriftliche Vereinbarungen: Jede Homeoffice-Regelung sollte als Addendum zum Arbeitsvertrag fixiert werden.
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Klare Fristen und Rahmenbedingungen: Definition von Kernzeiten, Erreichbarkeiten und Datenschutzmaßnahmen.
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Regelmäßiger Review: Jährliche Überprüfung der Homeoffice-Vereinbarung gemeinsam mit Betriebsrat oder Personalvertretung.
Ausblick: Homeoffice als Standard?
Die Diskussion um mobiles Arbeiten ist in vollem Gange. Obwohl ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice in Deutschland noch aussteht, haben sich flexible Arbeitsmodelle bereits etabliert und werden oft als Wettbewerbsvorteil im Kampf um Fachkräfte gesehen. Die juristische Landschaft hat sich geöffnet – doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.
Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321