Am Donnerstagabend legten große US-Konzerne wie Amazon, Apple und Airbnb ihre Zahlen vor. Diese waren ordentlich, doch die Ausblicke erschreckten Investoren und führten nachbörslich zum Ausverkauf. Der US-Präsident lehnt zwar jede Verantwortung dafür ab. Ökonomen und Analysten sehen das aber anders.
Bis Börsenschluss schien die Welt für Investoren am Donnerstag noch in Ordnung. In den USA, wo der 1. Mai kein Feiertag war, stiegen die Kurse weiter an, insbesondere von Microsoft und Meta. Die Tech-Konzerne hatten gute Quartalszahlen berichtet, der Hype um die künstliche Intelligenz gibt ihnen weiter Auftrieb. Und von den Zöllen der US-Regierung sind sie praktisch nicht betroffen.
Doch dann endete der Handelstag, weitere Konzerne legten ihre Bilanzen vor – und mit dem rosigen Bild war es vorbei. Zwar fielen die Zahlen für das vergangene Quartal bei Konzernen wie Apple, Amazon oder Airbnb ganz ordentlich aus, doch bei den Ausblicken schlug die Zoll-Politik von US-Präsident Donald Trump voll zu.
So konnte Apple zwar sogar ein überraschend starkes Quartalsergebnis präsentieren. Das lag vor allem an einem deutlichen Anstieg der Zahl der Smartphone-Käufe, aber dies waren wohl vor allem vorgezogene Käufe wegen der drohenden Zölle.
Apple ist einer der potenziell größten Leidtragenden der erratischen Politik des US-Präsidenten, da der Konzern den Löwenanteil seiner iPhones in China fertigen lässt. Zunächst sollte auch für diese Produkte der Zoll von derzeit 145 Prozent gelten, dann nahm Trump etliche Elektronik-Artikel wieder davon aus. Aber auch das gilt nur vorübergehend.
„Die Zölle sind das Damoklesschwert über Apple – baumelnd, gefährlich und politisch aufgeladen“, sagt Eric Schiffer, Chef des Finanzinvestors Patriarch Organization. Daher hat Apple seit Jahresbeginn bereits rund 600 Milliarden Dollar an Marktkapitalisierung und die Krone als wertvollster Börsenkonzern der Welt eingebüßt.
Denn schon jetzt sind die Kosten für Apple enorm. Der Konzern rechnet für das laufende Quartal wegen Trumps Politik mit Mehrkosten von 900 Millionen Dollar. Konzernchef Tim Cook schlüsselte den Betrag in einer Telefonkonferenz mit Analysten zwar nicht auf. Apple ist Medienberichten zufolge allerdings gerade dabei, die iPhone-Produktion in Indien auszubauen, was viel Geld kosten dürfte.
Bisher werden die mit Abstand meisten iPhones in China gebaut. Cook sagte dem Sender CNBC, zuletzt seien schon rund 50 Prozent der in den USA verkauften iPhones aus Indien geliefert worden. Im kommenden Quartal werde Apple den US-Markt mit iPads, Mac-Computern und Computer-Uhren fast ausschließlich von Vietnam aus versorgen, ergänzte er.
Die Aktie jedenfalls stürzte nachbörslich um über vier Prozent ab. Um fast fünf Prozent ging es sogar für Airbnb abwärts – auch hier war ein schwacher Ausblick der Grund. Die ökonomische Unsicherheit führe zur Zurückhaltung bei Reisebuchungen, so die Begründung. Ähnlich hatte sich zuvor schon Booking Holdings geäußert, der Konzern hinter Plattformen wie bookings.com.
„In den USA haben wir vergleichsweise schwächere Ergebnisse gesehen, die unserer Ansicht nach größtenteils auf allgemeinere wirtschaftliche Unsicherheiten zurückzuführen sind“, hieß es am Donnerstag in einem Brief an die Aktionäre von Airbnb.
Ähnlich stark fiel der Kurs von Amazon, aus ähnlichen Gründen. Auch hier waren die Ergebnisse des vergangenen Quartals zwar gut, der Ausblick aber wackelig, angesichts des Zoll-Chaos – viele Artikel, die über Amazon verkauft werden, kommen aus China.
Einige chinesische Händler haben sich wegen der Abgaben auf Einfuhren aus China bereits aus Amazons Online-Marktplatz zurückgezogen. Andere Verkäufer wollen in diesem Jahr nicht an der alljährlichen Rabattaktion „Prime Day“ teilnehmen oder dafür nur vereinzelte Produkte zur Verfügung stellen.
Anfang der Woche war es daher bereits zum Streit mit dem Weißen Haus gekommen. Zuvor war berichtet worden, Amazon erwäge, die Kosten der Zölle den Käufern anzuzeigen. Daraufhin hatte die Sprecherin von Donald Trump dem Konzern feindliches Verhalten vorgeworfen.
Auch Donald Trump selbst hatte sich in den vergangenen Tagen bereits zu den Auswirkungen seiner Politik auf die Geschäftsergebnisse der Unternehmen geäußert – und jede Verantwortung dafür von sich gewiesen. „Dies ist Bidens Börse, nicht Trumps“, schrieb er in den sozialen Medien und fügte hinzu, Biden habe „uns schlechte Zahlen hinterlassen, aber wenn der Boom beginnt, wird er unvergleichlich sein. HABEN SIE GEDULD!!!“
Doch während er mit dem Misserfolg nichts zu tun haben möchte, hatte er andererseits beispielsweise schon im Januar 2024, als er in den Umfragen für die Präsidentschaftswahlen vorne lag und die Kurse wochenlang gestiegen waren, dies sich selbst zugeschrieben. Für Mark Zachary Taylor von der Georgia Tech University, der die Wirtschaftspolitik amerikanischer Präsidenten analysiert hat, sind Trumps Behauptungen daher schlicht eine dreiste Doppelmoral. „Er kann nicht beides haben“, so Taylor, „obwohl er es immer versucht.“
Auch wenn nicht sicher ist, wer nun für die Entwicklung der Börsenkurse der letzten Tage verantwortlich ist: Klar dürfte in jedem Fall sein, dass das Zoll-Chaos bisher bereits ganz klare negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hat. Im ersten Quartal ist die US-Wirtschaft bereits um 0,3 Prozent geschrumpft – der erste Rückgang seit zwei Jahren. Umfragen zeigen zudem, dass Hersteller weniger Aufträge erhalten und ihre Produktion zurückgeht.
So veröffentlichte das Institute for Supply Management, eine Branchenvereinigung von Einkaufsmanagern, am Donnerstag seine monatliche Umfrage unter Herstellern, die in der Regel eine Auswahl von Kommentaren der Mitglieder enthält. Diese spiegeln typischerweise die individuellen Anliegen einer bestimmten Branche wider, sei es Chemie, Elektronik oder Bekleidung. Im Bericht vom April konzentrierten sich alle zehn Kommentare – jeder einzelne – auf Zölle.
„Einige der aktuellen Entwicklungen hängen ausschließlich mit Trump zusammen“, sagt daher auch Joseph Stiglitz von der Columbia University, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften und Vorsitzender des Council of Economic Advisers des Weißen Hauses während der Clinton-Administration. „Niemand kann auf die wirtschaftliche Lage blicken, ohne zu sehen, dass die Zölle keine Auswirkungen haben.“
mit dpa/Bloomberg/AP/rtr