Die Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen ist umstritten. Die europäischen Netzbetreiber heizen die Debatte mit ihrer Empfehlung an.
Quelle: dpa
Der Aufschrei ist groß, der Verband der Energie und Wasserwirtschaft spricht von Risiken und massiven Unsicherheiten für die Industrie, die sich vor allem im Süden vor teureren Preisen fürchtet.
Doch der Vorschlag ist keine neue Idee. Schon seit Jahrzehnten spricht sich die Mehrheit der Strommarkt-Experten für unterschiedliche Strompreiszonen aus.
Es geht darum, das Stromsystem intelligenter und damit günstiger und sicherer zu machen.
Lion Hirth, Professor für Energiepolitik, Hertie School
Netzengpässe mit teuren Folgen
Doch die sogenannten Netzengpässe haben teure Folgen. Weht der Wind im Norden stark, gibt es ein großes Angebot an Strom. Bei einem großen Angebot fallen die Strompreise und die Nachfrage steigt – auch im industriestarken Süden, wo generell viel Strom verbraucht wird. Wegen der Netzengpässe kann der Strom aber nicht schnell genug in den Süden transportiert werden.
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Um die höhere Nachfrage im Süden zu bedienen, müssen dann dort teuer Gaskraftwerke hochgefahren werden, Windparks im Norden werden abgeregelt. Das kostet doppelt. Die abgeregelten Kraftwerke werden entschädigt, die neu angeworfenen Kraftwerke erhalten eine Erstattung ihrer Kosten.
Nach Angaben der Bundesnetzagentur betrugen die Kosten, um Engpässen im Stromsystem entgegenzuwirken, 2024 knapp 2,8 Milliarden Euro. Es wird erwartet, dass die Ausgaben in Zukunft steigen – am Ende bezahlen sie alle Verbraucher über die Netzentgelte.
Experten: Netzausbau alleine reicht nicht
Selbst nach dem Netzausbau werde es weiterhin Momente mit Engpässen geben, sagt Martin Bichler, Professor für Informationssysteme von der TU München. Der Netzausbau sei natürlich weiterhin sehr wichtig, aber er sei auch sehr teuer und werde nicht so schnell gehen.
Experten fordern daher, den Preis an die lokale Verfügbarkeit anzupassen. Dass er also nur in der Region günstig ist, wo der viele Strom auch direkt physisch hinfließen kann.
Dies kann auch Anreize geben, um den Strom besonders sinnvoll zu nutzen, etwa ein E-Auto dann zu laden, wenn die Sonne scheint und der Preis günstig ist.
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Finanzielle Entschädigung könnte Industrie Angst nehmen
Normale Verbraucher würden das auf ihrer Rechnung fast nicht merken, nur bei wirklich energieintensiven Unternehmen könnte es einen Unterschied machen.
Doch für diese Fälle gebe es etablierte, gut erprobte Mechanismen der finanziellen Entschädigung, so Experte Lion Hirth. Durch die Aufteilung in Zonen werde viel Geld frei, das dann in Teilen dafür verwendet werden könne.
Unterschiedliche Endpreise für Strom
Bereits aktuell zahlen Kunden in Deutschland unterschiedliche Endpreise für ihren Strom, über die sogenannten Netzentgelte. Diese unterscheiden sich von Region zu Region. In ihnen finden sich unter anderem die Kosten für den Netzausbau wieder.
Diese liegen aktuell in manchen Regionen im Norden mit viel Windstromausbau höher als in Regionen im Süden, in denen nicht viel ausgebaut wurde.
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Andere Regierungen, wie etwa Schweden, machen derweil Druck. Hier gibt es bereits seit 2011 vier verschiedene Strompreiszonen. Die schwedische Regierung hat aufgrund fehlender Zonen in Deutschland sogar schon eine Zusammenarbeit beim Netzausbau auf Eis gelegt. Können sich die Regierungen nicht einigen, entscheidet am Ende die EU-Kommission.
Die Aufteilung in Strompreiszonen löse nicht alle Probleme, da sind sich auch die Experten einig. Doch ohne sie würde es viel teurer und schwieriger, die Energiewende umzusetzen, betont Lion Hirth, Professor für Energiepolitik.
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