Wer von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, hat in vielen Fällen dennoch einen Anspruch auf den Pflichtteil. Doch was geschieht, wenn der Erblasser zu Lebzeiten größere Vermögenswerte verschenkt hat, um das Pflichtteilsrecht gezielt zu umgehen? In solchen Fällen kommt der sogenannte Pflichtteilsergänzungsanspruch ins Spiel.
Was ist ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Gemäß § 2325 BGB können pflichtteilsberechtigte Personen eine Ergänzung ihres Pflichtteils verlangen, wenn der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod Schenkungen vorgenommen hat, die das Nachlassvermögen vermindert haben. Dabei wird die Schenkung fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet, um die Höhe des Pflichtteils neu zu berechnen.
Beispielhafte Schenkungen, die bei der Pflichtteilsergänzung berücksichtigt werden können:
- Geldschenkungen an Kinder, Enkel oder Dritte (z. B. Überweisungen ohne Gegenleistung)
- Übertragung von Immobilien ohne angemessene Gegenleistung
- Einräumung eines Bezugsrechts bei Lebensversicherungen zugunsten Dritter
- Abhebungen vom Konto des Erblassers, bei denen keine Gegenleistung erkennbar ist
- Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, sofern sie wirtschaftlich einer endgültigen Entäußerung gleichkommen
- Schulderlass durch den Erblasser, etwa bei Darlehen innerhalb der Familie
Fallbeispiel aus der Praxis: LG Kaiserslautern, Urteil vom 04.09.2018 – 3 O 133/18
In einem von Rechtsanwalt István Cocron ausgewerteten Urteil forderte eine Pflichtteilsberechtigte Ergänzungszahlungen, weil der Alleinerbe – ihr Bruder – aus Sicht der Klägerin unentgeltlich vom Vermögen der Mutter profitiert hatte. Dabei standen u. a. mehrere Bargeldabhebungen und das mietfreie Wohnen im Haus der Erblasserin im Fokus. Letztlich wurde dem Pflichtteilsanspruch teilweise stattgegeben – die Schenkungen konnten jedoch nur dann berücksichtigt werden, wenn deren Zuwendung und unentgeltliche Natur hinreichend nachgewiesen war. Dies zeigt, wie wichtig ein fundierter Vortrag und klare Beweise für ergänzungspflichtige Schenkungen sind.
Wichtige Hinweise zur Zehnjahresfrist
Nicht jede Schenkung wird in voller Höhe angerechnet. Schenkungen werden nach dem sog. „Abschmelzmodell“ jährlich mit 10 % weniger gewichtet (§ 2325 Abs. 3 BGB). Nur bei Schenkungen an Ehegatten oder bei Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts gilt diese Abschmelzung oft nicht.
Fazit: Pflichtteilsergänzungsansprüche konsequent prüfen lassen
Viele Pflichtteilsberechtigte wissen nicht, dass sie auch dann Ansprüche geltend machen können, wenn der Erblasser den Nachlass durch Schenkungen zu Lebzeiten reduziert hat. Eine umfassende Prüfung durch einen im Erbrecht versierten Anwalt ist hier entscheidend.
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