Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in seinem Urteil vom 22. April 2021 (Az.: 24 U 77/20) entschieden, dass die Wahl des englischen Erbrechts durch einen britischen Staatsangehörigen mit dauerhaftem Wohnsitz in Deutschland nicht dazu führt, dass deutschen Pflichtteilsberechtigten ihre Ansprüche entzogen werden.
Hintergrund:
Der Erblasser, ein britischer Staatsbürger, lebte seit 1965 in Deutschland und hatte vor seinem Tod über drei Jahrzehnte keinen Kontakt mehr nach England. Am 13. März 2015 errichtete er ein Testament, in dem er die spätere Beklagte als alleinige Erbin einsetzte. Nach seinem Tod im Jahr 2018 beanspruchte der Kläger, ein in Deutschland lebender Pflichtteilsberechtigter, seinen Anteil am Nachlass. Die testamentarisch eingesetzte Erbin lehnte dies mit Verweis auf das englische Recht ab, das keine vergleichbaren Pflichtteilsansprüche kennt.
Entscheidung des Gerichts:
Das OLG Köln entschied, dass die Anwendung des englischen Erbrechts im vorliegenden Fall gegen den deutschen ordre public (Art. 35 EuErbVO) verstößt.
Begründet wurde dies damit, dass das englische Recht keine bedarfsunabhängigen Pflichtteilsansprüche für nahe Angehörige vorsieht, was im deutschen Recht jedoch fest verankert ist. Aufgrund des langjährigen Lebensmittelpunkts des Erblassers in Deutschland und der engen Verbindung zum deutschen Rechtskreis wurde entschieden, dass deutsches Pflichtteilsrecht zur Anwendung kommt.
Praxishinweis:
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass die Wahl eines ausländischen Erbrechts nicht automatisch zur Umgehung deutscher Pflichtteilsansprüche führt, insbesondere wenn der Erblasser seinen dauerhaften Lebensmittelpunkt in Deutschland hatte. Erblasser mit internationalem Bezug sollten daher sorgfältig prüfen, welche Auswirkungen eine Rechtswahl auf Pflichtteilsansprüche haben kann. Es empfiehlt sich, fachkundigen rechtlichen Rat einzuholen, um unerwünschte Rechtsfolgen zu vermeiden.
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