Was der BGH zum Verjährungsbeginn beim postmortal festgestellten Vater sagt
BGH, Urteil vom 12.03.2025 – IV ZR 88/24
Pflichtteilsanspruch trotz später Vaterschaftsfeststellung?
Was passiert, wenn ein nichteheliches Kind erst Jahre nach dem Tod eines Erblassers als dessen Abkömmling festgestellt wird? Ist der Pflichtteilsanspruch dann bereits verjährt? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 12. März 2025 eine Grundsatzentscheidung gefällt, die künftig Maßstäbe setzt – insbesondere für Erbfälle mit postmortaler Vaterschaftsfeststellung.
Im Mittelpunkt stand die Frage, wann ein Pflichtteilsanspruch im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB „entsteht“, wenn das nichteheliche Kind den Erblasser erst Jahre später rechtlich als Vater feststellen lässt.
Der Fall: Pflichtteilsforderung nach später Vaterschaftsfeststellung
Die Klägerin war die nichteheliche Tochter des Erblassers, der 2017 verstarb. Er hatte in seinem Testament seinen Lebenspartner zum Alleinerben bestimmt und die Klägerin nicht bedacht. Erst 2022 ließ sie gerichtlich feststellen, dass der Verstorbene ihr leiblicher Vater war. Kurz darauf machte sie Pflichtteilsansprüche gegen den Alleinerben geltend – dieser berief sich jedoch auf die Einrede der Verjährung.
BGH: Anspruch entsteht mit dem Erbfall, nicht erst mit Vaterschaftsfeststellung
Der BGH widerspricht der Vorinstanz und stellt klar:
Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB), auch wenn das Kind den Erblasser zu diesem Zeitpunkt rechtlich noch nicht als Vater geltend machen konnte. Die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 5 BGB ändert daran nichts.
Somit beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres des Erbfalls, sofern der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hat (§ 199 Abs. 1 BGB).
Aber: Kein Verjährungsbeginn ohne gesicherte Kenntnis der Vaterschaft
Gleichzeitig präzisiert der BGH, was unter „Kenntnis“ im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu verstehen ist:
Für die Verjährung eines Pflichtteilsanspruchs eines nichtehelichen Kindes genügt nicht die biologische Abstammung. Erforderlich ist vielmehr die Kenntnis von der wirksamen Anerkennung oder rechtskräftigen gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft.
Das bedeutet: Die Verjährung beginnt nicht zu laufen, solange der Anspruchsteller noch keine rechtlich gesicherte Kenntnis von seiner Abstammung hat. Dies schützt Pflichtteilsberechtigte, die sich nicht sicher sind, ob eine rechtliche Vaterschaft überhaupt beweisbar ist.
Grobe Fahrlässigkeit kann Frist trotzdem in Gang setzen
Der BGH weist zugleich auf eine wichtige Einschränkung hin: Wer trotz berechtigter Zweifel über Jahre hinweg untätig bleibt, riskiert die Verjährung durch grob fahrlässige Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB). Das wäre etwa dann der Fall, wenn ein Pflichtteilsberechtigter es in ungewöhnlich hohem Maße unterlässt, ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren rechtzeitig einzuleiten, obwohl es Hinweise auf die Abstammung gibt.
Ob das hier so war, muss das Berufungsgericht nun klären – denn dort hatte die Klägerin unter anderem mit psychischen Gründen argumentiert, die sie jahrelang gehindert hätten.
Was heißt das für Erbfälle mit ungeklärter Vaterschaft?
Die Entscheidung des BGH hat erhebliche Folgen für die Praxis:
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Pflichtteilsansprüche entstehen stets mit dem Erbfall.
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Eine Rechtsausübungssperre (§ 1600d Abs. 5 BGB) verhindert nicht die Entstehung des Anspruchs, sondern betrifft nur seine rechtliche Durchsetzbarkeit.
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Der Verjährungsbeginn hängt davon ab, ob das Kind von der Vaterschaft rechtswirksam erfahren hat.
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Wer sich zu lange untätig lässt, riskiert – auch ohne Kenntnis – eine Verjährung durch grob fahrlässiges Verhalten.
Mein Praxistipp für Betroffene
Wenn Sie vermuten, dass Sie nichteheliches Kind eines Erblassers sind, dessen Erbfolge Sie nicht berücksichtigt, sollten Sie folgende Schritte bedenken:
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Lassen Sie die Vaterschaft frühzeitig klären, idealerweise noch zu Lebzeiten des möglichen Vaters.
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Prüfen Sie sofort nach dem Erbfall, ob Pflichtteilsrechte bestehen könnten.
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Warten Sie nicht jahrelang, sondern lassen Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten – insbesondere zu Verjährungsfristen und Beweismöglichkeiten.
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Denken Sie daran: Auch Stufenklagen (Auskunft, Wertermittlung, Zahlung) unterliegen der Pflichtteilsverjährung.
Fundstelle und rechtliche Bedeutung
BGH, Urteil vom 12.03.2025 – IV ZR 88/24
Der BGH festigt mit diesem Urteil die Bedeutung des § 2317 Abs. 1 BGB als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs – und schafft klare Leitlinien für den Verjährungsbeginn bei postmortaler Vaterschaftsfeststellung.
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