„Mein Vater hat seiner neuen Frau alles überschrieben – was bleibt da noch für mich?“
Viele Kinder aus erster Ehe erleben genau das: Der Vater heiratet neu – und das Vermögen wandert Stück für Stück an die neue Partnerin. Am Ende steht auch im Testament: „Meine Ehefrau erbt alles.“
Doch: Der Pflichtteil der Kinder bleibt bestehen – und zwar oft stärker, als viele denken.
Was passiert, wenn der Vater alles der neuen Ehefrau hinterlässt?
Wenn ein Elternteil wieder heiratet, wird der neue Ehegatte zum gesetzlichen Erben.
Mit einem Testament oder Erbvertrag kann der Erblasser die Kinder vollständig enterben und „die neue Frau zur Alleinerbin einsetzen“ – das ist rechtlich zulässig.
Aber: Kinder sind pflichtteilsberechtigt (§ 2303 BGB). Sie haben auch dann Anspruch auf einen Teil des Erbes – und manchmal sogar auf mehr, wenn zu Lebzeiten bereits Schenkungen an die Ehefrau erfolgt sind.
Schenkungen an die Ehefrau – ein beliebter Trick, aber nicht ohne Folgen
Viele Erblasser versuchen, ihren neuen Ehegatten durch Schenkungen zu Lebzeiten abzusichern:
Solche Schenkungen sollen oft Pflichtteilsansprüche der Kinder umgehen – aber das funktioniert nicht immer.
Pflichtteilsergänzung bei Schenkungen an Ehegatten
Nach § 2325 BGB werden Schenkungen der letzten 10 Jahre vor dem Tod pflichtteilserhöhend berücksichtigt.
Bei Ehegatten gilt sogar eine besondere Regel:
Die 10-Jahres-Frist läuft nicht, solange die Ehe besteht.
Das heißt: Selbst 20 Jahre alte Schenkungen an die Ehefrau können den Pflichtteil erhöhen.
Ergebnis: Auch bei „alten“ Übertragungen des Hauses, Sparguthabens oder anderer Vermögenswerte kann der Pflichtteil deutlich steigen.
Beispiel: Der Vater hat das Haus vor 15 Jahren auf die Ehefrau übertragen
Ergebnis:
→ Die 400.000 € werden zum Nachlass „hinzugerechnet“
→ Das Kind hat bei einer Pflichtteilsquote von 25 % einen Anspruch auf 100.000 €, auch wenn eigentlich fast kein Nachlass mehr da ist.
Übrigens: Hier können Sie Ihre Pflichtteilsquote berechnen.
Wie deckt man solche Schenkungen auf?
Viele Schenkungen werden bewusst verschwiegen oder verharmlost („Das war ja schon zu Lebzeiten geregelt…“).
Pflichtteilsberechtigte haben aber klare Rechte:
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Auskunftsanspruch (§ 2314 BGB)
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Notarielles Nachlassverzeichnis kann verlangt werden
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Bei Zweifel: Eidesstattliche Versicherung der Erben
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Einsicht in Grundbuch und alte Notarurkunden
Ein Anwalt kann gezielt prüfen, welche Schenkungen pflichtteilserheblich sind, und diese in die Berechnung einfließen lassen.
Fazit: Auch die neue Ehefrau kann nicht alles behalten
Wenn Kinder enterbt wurden, aber die Ehefrau zuvor reichlich beschenkt wurde, ist der Pflichtteil oft höher, als es auf den ersten Blick aussieht.
Dank der Sonderregel für Ehegatten werden auch ältere Schenkungen berücksichtigt – das wissen viele nicht.
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