Tierarztleistung trotz Tod des Pferdes vergütungspflichtig – OLG Dresden zur Abgrenzung bei Behandlungsfehlern
Wenn ein Tier während oder nach einer tierärztlichen Behandlung verstirbt, steht häufig die Frage im Raum: Muss das Honorar dennoch gezahlt werden – auch bei einem vermuteten Behandlungsfehler? Mit seinem Hinweisbeschluss vom 23. Januar 2024 (Az. 4 U 1288/24) hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden zu dieser praxisrelevanten Frage Stellung bezogen – mit klaren Konsequenzen für Tierhalter, Tierärzte und Juristen.
1. Der Fall: Streit um Tierarzthonorar nach Tod des Pferdes
Ein Tierarzt behandelte ein erkranktes Pferd. Während der Behandlung verstarb das Tier. Die Eigentümerin warf dem Arzt einen groben Behandlungsfehler vor, verweigerte die Zahlung des Honorars und forderte bereits geleistete Beträge zurück.
Das zuständige Landgericht hatte zunächst zugunsten des Tierarztes entschieden und die Eigentümerin zur Zahlung verpflichtet. Diese legte Berufung ein.
2. Entscheidung des OLG Dresden: Keine Rückzahlung bei „wertloser Leistung“ ohne nachweisbaren Schaden
Das Oberlandesgericht Dresden wies die Berufung im Wege eines Hinweisbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO ab – mangels Erfolgsaussichten. Es stellte klar:
a) Fehlerhafte Leistung allein genügt nicht für Wegfall der Vergütung
Ein Tierarzt handelt auf Grundlage eines Dienstvertrags gemäß §§ 611 ff. BGB. Im Unterschied zum Werkvertrag schuldet er keinen konkreten Erfolg, sondern nur eine fachgerechte Tätigkeit. Selbst bei fehlerhafter Behandlung bleibt grundsätzlich der Vergütungsanspruch bestehen.
b) Wann entfällt der Vergütungsanspruch?
Ein Entfallen oder Rückforderungsrecht kommt nur in Betracht, wenn:
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die Leistung völlig unbrauchbar oder wertlos ist, und
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der Behandlungsfehler ursächlich für diesen Umstand war.
Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
c) Kein Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Tod des Tieres
Laut Sachverständigengutachten litt das Pferd an einer schweren, bereits vor Behandlungsbeginn bestehenden Pyometra (Gebärmutterentzündung), deren Verlauf nicht mehr aufzuhalten war. Selbst bei optimaler Behandlung wäre das Pferd verstorben.
Das Gericht stellte klar: Der Fehler des Tierarztes – selbst wenn unterstellt – führte nicht zum Tod des Tieres. Es fehlte somit an einem kausalen Schaden.
3. Juristische Bewertung: Wann haftet der Tierarzt wirklich?
a) Dienstvertrag statt Werkvertrag
Tierärztliche Leistungen unterliegen typischerweise dem Dienstvertragsrecht. Das bedeutet:
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Der Tierarzt schuldet Bemühung, nicht Heilung.
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Auch eine „schlecht“ erbrachte Leistung kann vergütet werden, wenn sie nicht völlig sinnlos war.
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Nur bei grobem Fehlverhalten mit direkter Schädigung entfällt der Honoraranspruch.
b) Abgrenzung zur Tierarzthaftung
Eine zivilrechtliche Haftung kommt nur bei:
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nachweislich grobem Behandlungsfehler
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ursächlichem Zusammenhang mit einem konkreten Schaden (z. B. Tod, Verletzung, Wertverlust des Tieres)
in Betracht. Auch hier ist regelmäßig ein gerichtliches Sachverständigengutachten erforderlich.
4. Bedeutung für die Praxis – Was Tierhalter und Tierärzte wissen müssen
➤ Für Tierhalter:
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Die bloße Unzufriedenheit mit dem Behandlungsergebnis rechtfertigt keine Verweigerung der Zahlung.
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Bei Verdacht auf Behandlungsfehler sollte frühzeitig Beweissicherung betrieben werden (Fotos, Gutachten, Zeugen).
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Eine Rückforderung gezahlter Honorare ist nur in Ausnahmefällen möglich – z. B. bei Behandlungsbeginn ohne medizinische Indikation.
➤ Für Tierärzte:
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Der Dienstvertragscharakter schützt vor ungerechtfertigten Rückforderungen, sofern dokumentiert wird, dass die Behandlung indiziert war.
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Es empfiehlt sich eine ausführliche Behandlungsdokumentation – insbesondere bei unsicherer Prognose oder atypischem Verlauf.
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Haftungsrisiken lassen sich durch klare Aufklärung und Kommunikation mit den Tierhaltern minimieren.
5. Unsere Kanzlei – Ihre Experten für Tierarzthaftung und Zivilrecht
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Tierarzthaftung und Behandlungsfehler
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Rückforderung von Honoraren
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Geltendmachung von Schadensersatz nach Todesfällen oder Verletzungen
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Abwehr unberechtigter Forderungen
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Vertragsgestaltung für tierärztliche Leistungen
Wir prüfen Ihren Fall sorgfältig, übernehmen die Kommunikation mit Versicherern und Gutachtern und vertreten Ihre Interessen mit der nötigen fachlichen Tiefe – auch vor Gericht.
Fazit: Behandlungsfehler ≠ automatischer Honorarverlust
Das OLG Dresden bestätigt mit seinem Beschluss: Ein Behandlungsfehler allein führt nicht automatisch zum Wegfall des Honoraranspruchs bei einem Dienstvertrag. Maßgeblich ist, ob ein konkreter, ursächlicher Schaden entstanden ist. Tierhalter wie Tierärzte sollten sich der rechtlichen Abgrenzungen bewusst sein – und bei Streitigkeiten frühzeitig anwaltlichen Rat einholen.
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