Es war ein Kampf wie David gegen Goliath: Ein Landwirt aus Südamerika hat in Nordrhein-Westfalen, unterstützt von einem Verein, den Energiekonzern RWE verklagt. Sein Haus ist durch die Gletscherschmelze in den Anden und damit von den Folgen des Klimawandels bedroht.
Die Klima-Klage eines peruanischen Landwirts gegen den Energiekonzern RWE ist vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm gescheitert. Das OLG erklärte am Mittwoch, die Berufung des Kleinbauern und Bergführers Saúl Luciano Lliuya werde zurückgewiesen. Eine Revision dieser Entscheidung sei nicht möglich, entschied das Gericht.
Eine konkrete Verursachung von Schäden durch den Energiekonzern könne nicht nachgewiesen werden. Zugleich erklärte das Gericht in seiner umfangreichen Begründung, dass die Folgen der Klimaerwärmung durch Treibhausgase unbestritten seien.
Lliuya wollte erreichen, dass RWE sich wegen der CO₂-Emissionen des Unternehmens finanziell an Schutzmaßnahmen für sein Haus gegen Folgen der Gletscherschmelze in den Anden beteiligt. RWE hat dies zurückgewiesen, Lliuyas 2015 eingereichte Klage scheiterte 2016 vor dem Landgericht am Konzernsitz Essen. Die Umweltschutzorganisation Germanwatch, die den Peruaner auch im aktuellen Berufungsverfahren unterstützt, wertete schon die Zulassung der Beweisaufnahme durch das OLG als Erfolg.
Nun entschied das Gericht gegen Lliuya, der im März für Anhörungstermine nach Hamm gekommen war. Er argumentierte zusammen mit der bekannten Umwelt-Anwältin Roda Verheyen, dass CO₂-Emissionen von RWE-Kraftwerken zu der Gletscherschmelze beigetragen und damit das Überschwemmungsrisiko für sein Haus erhöht hätten. Dies liegt unterhalb eines Gletschersees in der Stadt Huaraz am Fuße der Anden.
Dort gab es 2022 einen Ortstermin mit zwei Richtern des OLG. Gutachter nahmen unter anderem Bodenproben und machten Aufnahmen mit Drohnen.
Lliuya und sein Team führten an, dass der Anteil von RWE am von Menschen verursachten Klimawandel laut Studien bei knapp 0,5 Prozent liege und sich der Konzern entsprechend mit rund 17.000 Euro an Schutzmaßnahmen für das Haus in Volumen von über drei Millionen Dollar beteiligen müsse. Der Anteil wurde nach Angaben des Gerichts im Verlauf des Verfahrens auf 0,38 Prozent und die Summe damit auf rund 13.000 Euro gesenkt.
RWE warnte vor folgenschwerem Präzedenzfall
RWE kritisierte im Verlauf des Verfahrens, die Kläger wollten einen Präzedenzfall schaffen, wonach jeder einzelne Emittent von Treibhausgasen in Deutschland für Auswirkungen des Klimawandels weltweit rechtlich verantwortlich gemacht werden könnte. Dies solle selbst dann gelten, wenn er sich immer an die Vorschriften gehalten habe, erklärte der Konzern. „Wenn es einen solchen Anspruch nach deutschem Recht geben sollte, könnte man auch jeden Autofahrer in Haftung nehmen“, so der Energieriese. RWE setzte sich 2016 durch, denn das Landgericht Essen erachtete eine individuelle Zuordnung von Klimarisiken angesichts der Vielzahl von CO₂-Emittenten als unmöglich. Doch das OLG nahm die Berufungsklage 2017 an.
Damit entschied das OLG Rechtsexperten zufolge, dass es die Klage zumindest grundsätzlich für schlüssig hält – zur Freude der Unterstützer des Landwirts. Laut Germanwatch geht es dabei um die Feststellung, ob einzelne Unternehmen mit hohen Emissionen entsprechend ihres Beitrags zum globalen Klimawandel für den Schutz Betroffener vor Klimarisiken aufkommen müssen. Der Fall habe eine Signalwirkung entfaltet wie keine andere Klima-Klage, erklärte die Umweltschutzorganisation. „Es handelt sich um die weltweit einzige Klage auf unternehmerische Haftung für Klimarisiken, die es in die Beweisaufnahme geschafft und damit bereits Rechtsgeschichte geschrieben hat.“
In dem Berufungsverfahren in Hamm mussten die Richter nun entscheiden, ob die Gefährdungslage für das Haus des Peruaners eine weitere Beweisaufnahme rechtfertige. Hätten sie dies bejaht, wäre das Verfahren fortgesetzt worden und die Richter hätten im nächsten Schritt über den Anteil von RWE an den Klimarisiken für den Peruaner entscheiden müssen.
Reuters/sos