Chronologie:
Die Klägerin ließ sich in 2012 Brustimplantate der Firma Allergan einsetzen, die im Verdacht stehen, die aggressive Karzinomart ALCL auszulösen. Bei der Klägerin hat sich dieses Risiko auch verwirklicht und sie ist an diesem Karzinom erkrankt. Sie ist bei der LVM rechtsschutzversichert und begehrte über ihre Prozessvertreter den Deckungsschutz für das Vorgehen gegen den Hersteller Allergan, den Implanteur, den CE-Zertifizierer LNE/G-MED sowie dessen Aufsichtsbehörde ANSM, den die LVM zunächst monatelang verweigerte, sodann allerdings bereit war, den Komplex abzudecken, allerdings diesen als einen einzigen Rechtsschutzfall annahm. Im Übrigen solle die Klägerin Allergan sofort verklagen und nicht noch vorgerichtlich in Anspruch nehmen, weil so die LVM bekannt sei, dass Allergan nie regulieren würde.
Verfahren:
Das Landgericht Münster stellt in seinen Entscheidungsgründen mit passender Diktion zunächst einmal klar, dass ein Vorgehen gegen vier unterschiedliche Schädiger, die mit voneinander völlig unabhängigen Vorwürfen konfrontiert werden, in denen jeweils völlig unterschiedliche Anspruchsgrundlagen zur Debatte stehen, und sogar in unterschiedlichen Ländern geklagt werden muss, nicht einen Rechtsschutzfall darstellen, sondern vier. Wie es sich die LVM, vertreten durch ihren Prozessanwalt Henssen fälschlich meinte, sei es auch praktisch gar nicht möglich, alle vier Schädiger „gemeinschaftlich“ zu verklagen, den eine Gesamtschuldnerschaft bestünde nicht. Auch Rechtsanwalt Henssens Behauptung, eine vorgerichtliche Auseinandersetzung mit Allergan sei aussichtslos, ist nach Auffassung des Gerichtes gar nicht erst ersichtlich. Ebenso verhält es sich mit dem vorgerichtlichen Vorgehen gegen den Implanteur. Wenn vorgetragen werde, eine Regulierung durch ihn sei auszuschließen, handelt es sich um einen rein pauschalen und damit unerheblichen Vortrag des Prozessvertreters der LVM. Im Ergebnis wird die LVM verurteilt, sämtliche vier Vorgehen sowohl außergerichtlich, als auch gerichtlich abzudecken.
Anmerkungen von Ciper & Coll.:
Es gibt in der Rechtsschutzversicherungsbranche einige schwarze Schafe, die es ihren Kunden und Kundinnen bei der Regulierung besonders schwer machen und diese dazu zwingen, zunächst einmal gerichtliche Hilfe gegen die eigene Rechtsschutzversicherung in Anspruch zu nehmen. Hierzu zählen neben insbesondere der DEVK, der HUK Coburg, der ARAG u.a. auch die LVM Rechtsschutzversicherung: Es ist völlig inakzeptable, dass ein Rechtsschutzversicherer mit vorgeschobenen Gründen Regulierungen verweigert, blockiert, oder hinauszögert. Eine vor einiger Zeit erstellte Dissertation eines Rechtsanwaltes konnte anhand einer empirischen Untersuchung feststellen, dass über 60 Prozent der von Rechtsschutzversicherern erteilten Deckungsabsagen zu Unrecht erfolgten, dabei waren diejenigen Fälle, in denen die Zusagen erst nach zahllosem Schriftwechsel erfolgten, nicht einmal eingerechnet.
Besonders ärgerlich, aber auch sogar moralisch verwerflich ist ein Regulierungsverweigerungsverhalten in den Fällen, wie dem vorstehenden zu bezeichnen, in denen eine an einer lebensbedrohenden Karzinomerkrankung leidende Versicherungsnehmerin ganz einfach „im Regen stehen gelassen wird“. Entscheidungsträger der LVM sollten sich über ihre vertraglichen Regulierungspflichten einmal gründlich Gedanken machen und in eine seriöse Praxis übergehen, meint Dr. DC Ciper LLM, Fachanwalt für Medizinrecht.