Die Handelskammer Hamburg setzt sich für eine Bewerbung der Hansestadt um die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2040 ein. Hamburgs Wirtschaft sieht das als Katalysator, um die Stadt insgesamt zu modernisieren. Im Koalitionsvertrag fehlen der Kammer dafür wesentliche Impulse.
Die Handelskammer Hamburg fordert, dass SPD und Grüne der Wirtschaftspolitik im neu gebildeten Hamburger Senat „oberste Priorität“ einräumen. Für eine durchgreifende Modernisierung der Stadt unterstützt die Kammer zugleich eine Hamburger Bewerbung um die Austragung Olympischer und Paralympischer Sommerspiele 2040.
„Wir müssen ein Symbol für Hamburg setzen“, sagte Handelskammer-Präses Nobert Aust am Montag. „Eine Bewerbung könnte als Katalysator für die Entwicklung Hamburg dienen.“ In den Jahren 2003 und 2015 waren Initiativen für Hamburger Bewerbungen um die Austragung der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele gescheitert. Im Jahr 2003 hatte sich das Nationale Olympische Komitee für Hamburgs damaligen Konkurrenten Leipzig als deutschen Bewerber für eine Austragung der Spiele entschieden. 2015 wiederum stoppte ein Volksentscheid eine Hamburger Bewerbung mit relativ knapper Mehrheit.
In einer 36-seitigen Analyse hat die Handelskammer Hamburg den Koalitionsvertrag des seit Anfang Mai regierenden rot-grünen Senats bewertet. Wesentliche Defizite sieht die Kammer, die rund 180.000 Unternehmen vertritt, in der Haushaltspolitik bei der Rücknahme konsumtiver und der Stärkung investiver Ausgaben. Der Abbau von Bürokratie wird nach Ansicht der Kammer im Koalitionsvertrag nicht mit dem nötigen Nachdruck eingefordert. Die Modernisierung und der Ausbau des Hafens bleiben der Analyse zufolge vage. Positiv bewertet die Kammer unter anderem Maßnahmen zur besseren und schnelleren Qualifikation von Fachkräften und zur Stärkung des Standorts Hamburg bei der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) oder des Quantencomputers. Insgesamt ist die Bewertung der neuen Regierungsgrundlage durchwachsen.
„Hamburg ist im nationalen Vergleich ein starker Standort, aber der Maßstab ist der internationale Wettbewerb, und hier kommt Hamburg immer stärker unter Druck, wenn die Stadt nicht entschieden gegensteuert“, sagte Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Malte Heyne. „Die Wirtschaft in Deutschland schwächelt, internationale Konkurrenz wächst – und Hamburg muss hier Schritt halten. Dafür braucht es mehr Mut, mehr Tempo, mehr Klarheit.“
Die Handelskammer will erreichen, dass Hamburg in der Bundespolitik und auf internationaler Ebene stärker wahrgenommen wird. Das gebiete allein schon „Hamburgs besonderer Rolle für das gesamtdeutsche Wirtschaftsgefüge und für die nationale Verteidigungsfähigkeit“, heißt es in einer Zusammenfassung der Analyse zum Koalitionsvertrag. Die Energiepolitik mit dem Ziel einer weniger klimaschädlichen und zugleich wettbewerbsfähigen Versorgung muss aus Sicht der Kammer auch in Hamburg stärker in den Fokus rücken. Für die Entwicklung des Hafens fordert die Handelskammer vom Senat unter anderem, auf Steinwerder im mittleren Hafenbereich eine neue Fläche von 120 Hektar für die Ansiedlung von Industrie- und Logistikunternehmen zu schaffen.
Zur Stärkung Hamburgs als Zentrum wirtschaftlich-technologischer Entwicklungen hält die Kammer unter anderem „Sonderinnovationszonen“ mit radikal vereinfachten Genehmigungsverfahren für nötig, aber auch die Gründung einer „Zukunftsstiftung“ und die Entwicklung einer regionalen Innovationsstrategie. „Der Koalitionsvertrag stellt zu sehr die Frage in den Mittelpunkt, wie wir leben wollen“, sagte Aust. „Die Frage, wovon wir leben wollen, bleibt dagegen unzureichend beantwortet.“
Die europäische Ebene wird auch in Hamburg wieder wichtiger, sagte Heyne, angesichts etlicher internationaler Krisen und Kriege und einer eher freihandelsfeindlichen US-Politik. In der kommenden Woche wolle die Handelskammer Hamburg ein Partnerschaftsabkommen mit der London Chamber of Commerce & Industry abschließen. Nach dem Brexit, Großbritanniens Austritt aus der Europäischen Union, sehe die Hamburger Wirtschaft auf beiden Seiten viel neues Interesse, den Handel und die Kooperationen auszubauen: „Das Interesse am innereuropäischen Austausch ist insgesamt stark gestiegen.“
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland.