Sachverhalt und Kernproblem
Das OLG Stuttgart hatte mit Urteil vom 29.04.2025 – 6 U 139/24 über die Verbrauchereigenschaft eines Alleingesellschafters und -Geschäftsführers zu entscheiden, der für ein von seiner Gesellschaft aufgenommenes Darlehen gesamtschuldnerisch haftete. Der Kläger, Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer türkischen Aktiengesellschaft (A.Ş.), sollte nach einem Schuldbeitritt haften. Er berief sich auf § 13 BGB und argumentierte, er habe als Verbraucher gehandelt und mangels Widerrufsbelehrung (§ 494 I BGB) sei der Schuldbeitritt nichtig.
Wesentliche rechtliche Erwägungen des Gerichts
- Das Gericht stellte zunächst klar, dass der Schuldbeitritt zu einem Darlehen zwar nicht selbst ein Verbraucherdarlehensvertrag ist, aber nach ständiger BGH-Rechtsprechung wie ein solcher zu behandeln ist, wenn er von einem Verbraucher erklärt wird und sich auf ein Unternehmerdarlehen bezieht.
- Grundsätzlich kann auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH oder einer anderen Gesellschaft als Verbraucher anzusehen sein. Entscheidend ist, ob der Schuldbeitritt auf einem eigenständigen Willensentschluss als Privatperson beruht oder ob er Teil einer unternehmerischen Tätigkeit ist.
- Das OLG Stuttgart wies die Klage des Alleingesellschafters jedoch ab:
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Der Schuldbeitritt war keine private Entscheidung, sondern untrennbar mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens verbunden.
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Als Alleingesellschafter und Geschäftsführer handelte er in dieser Konstellation nicht als Privatperson, sondern als einziger Repräsentant und wirtschaftlicher Eigentümer der Gesellschaft.
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Ohne seine persönliche Haftungsübernahme hätte die Darlehensgeberin das Darlehen nicht gewährt. Der Schuldbeitritt war somit eine „notwendige Voraussetzung“ für das Zustandekommen des Geschäfts.
Praxishinweis
Das Urteil betont, dass gerade bei Alleingesellschafter-Geschäftsführern eine strenge Prüfung notwendig ist. Die Verbrauchereigenschaft kann in der Regel nicht bejaht werden, wenn:
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der Schuldbeitritt für die Gesellschaft erfolgt,
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er für den Darlehensgeber eine zentrale Sicherheit darstellt und
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kein erkennbarer „privater Wille“ des Gesellschafters erkennbar ist.
Die Abgrenzung zwischen Privatperson und unternehmerischer Tätigkeit ist hier besonders eng, weil der Alleingesellschafter-Geschäftsführer faktisch allein entscheidet und wirtschaftlich handelt.
Rechtliche Konsequenzen
- Kein Widerrufsrecht nach §§ 355, 495 BGB für den Schuldbeitritt.
- Keine Nichtigkeit des Schuldbeitritts mangels Widerrufsbelehrung.
- Die Haftung als Gesamtschuldner bleibt bestehen.
Fazit für die Praxis
Das Urteil des OLG Stuttgart liefert eine wichtige Klarstellung für Kreditgeber und Alleingesellschafter:
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Kreditgeber können sich auf die Wirksamkeit von Schuldbeitritten verlassen, wenn diese objektiv der unternehmerischen Sphäre zuzuordnen sind.
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Gesellschafter-Geschäftsführer sollten sich bewusst sein, dass sie sich in solchen Fällen nicht auf Verbraucherschutzvorschriften berufen können.
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Für Unternehmen zeigt das Urteil, wie wichtig eine klare vertragliche Trennung zwischen privaten und unternehmerischen Verpflichtungen ist.
Praxistipp für Berater und Anleger:
Wenn Sie sich als Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber einem Darlehen oder einer Bürgschaft verpflichtet haben, lohnt es sich, genau zu prüfen, ob tatsächlich ein „privater Wille“ vorlag. Gerade bei Alleingesellschaftern wird dies aber regelmäßig verneint. Hier ist eine individuelle anwaltliche Beratung entscheidend.
Rechtsanwalt Johannes Goetz, geschäftsführender Gesellschafter der Klamert & Partner PartGmbB, München, berät und vertritt seit 2012 bundesweit Mandanten in allen Belangen des Handels- und Gesellschaftsrechts. Er steht für eine Ersteinschätzung zur Verfügung:
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