Er führte bislang einen Börsenkonzern, jetzt soll Karsten Wildberger als Digitalminister Wirtschaftskompetenz in die Regierung bringen. Welche Erwartungen mit der ungewöhnlichen Personalie verbunden sind.
Wenn es um den Staatseinstieg der Bundesrepublik bei der Rettung von Unternehmen geht, heißt es auf dem Börsenparkett immer: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Nun stellt sich eine andere Frage: Sind Unternehmer die besseren Politiker? Hintergrund ist die Entscheidung von Friedrich Merz, einen ehemaligen Topmanager als Minister für Digitales und Staatsmodernisierung zu ernennen.
Den Posten übernimmt der amtierende Vorstandsvorsitzende des börsennotierten Elektronikhandelskonzerns Ceconomy, Karsten Wildberger. Ceconomy ist der Mutterkonzern von Mediamarkt und Saturn. Seit August 2021 ist er Chef des Ceconomy-Konzerns mit Sitz in Düsseldorf und Vorsitzender der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding mit rund 1.000 Märkten in vielen Ländern.
Damit bringt der 56-Jährige einschlägige Praxiserfahrung mit. Das sei eine gute Nachricht, sagt Börsenkenner Robert Halver von der Baader Bank. „Ich habe zwei Gedanken im Kopf gehabt: Super, dass so ein Macher so ein Amt übernimmt. Die zweite Überlegung: Kann er sich damit durchsetzen?“
„Drastisch andere Wirtschaftspolitik“
Am Münchner ifo-Institut hat der Ökonom Niklas Potrafke die Frage wissenschaftlich untersucht, ob ehemalige Unternehmer und Top-Manager die erfolgreicheren Politiker sind. Dazu hat er viele nationale und internationale Studien ausgewertet. „Man kann beobachten, dass Politiker, die Unternehmenserfahrungen gemacht haben, eine drastisch andere Wirtschaftspolitik betreiben als Politiker, die Erfahrung in anderen Berufen gesammelt haben.“ In seiner Untersuchung spricht Potrafke von „Business-Politikern“ und meint damit ehemalige Unternehmer und Top-Manager, die politische Spitzenämter übernommen haben. Die wissenschaftlichen Ergebnisse seien evident, also empirisch nachweisbar.
Was genau machen Manager und Unternehmer in der Politik anders? Ifo-Forscher Potrafke weiß aus den ausgewerteten Studien, dass Politiker, die zuvor Erfahrung als Unternehmer oder in führender Position in der Privatwirtschaft gemacht haben, eine „marktorientiertere Politik“ betrieben. „Man hat höheres Wirtschaftswachstum beobachtet. Vor allem geben sie öffentliche Mittel anders aus. Sie setzen Priorität bei investiven Ausgaben und reduzieren konsumtive Ausgaben.“
Mehr Wirtschaftskompetenz in der Bundesregierung?
Sprich: mehr Geld für Infrastruktur, weniger Geld für soziale Transferleistungen und Umverteilung. Das dürfte ganz im Sinne des Verbands „Die Familienunternehmer“ sein, der unter anderem einen Abbau der Verwaltungsbürokratie fordert. Deren Präsidentin Marie-Christin Ostermann begrüßt, dass mit Karsten Wildberger „mehr Wirtschaftskompetenz“ in die neue Bundesregierung komme. „Unternehmer und auch Manager – denn der neue Minister ist ja ein Manager – können auf jeden Fall eine neue Perspektive in die Bundesregierung mit einbringen“, sagte die Familienunternehmerin gegenüber der ARD-Finanzredaktion. Es gehe um die Perspektive und die Praxiserfahrung aus der Wirtschaft, so Ostermann.
„Manager und Unternehmer wissen zum Beispiel, dass Investitionen sich rechnen müssen und dass man kalkulieren muss und nicht einfach mit einer zweidrittel Mehrheit neue Schulden aufnehmen kann.“ Es sei auch für den Staat wichtig, dass er nicht immer nur die Kosten steigere und mehr Geld ausgebe, sondern auch die Prozesse effizienter gestalte. „Das erhoffe ich mir durch den Einsatz von Managern in der neuen Regierung.“
Zuvor internationale Führungspositionen
Ob Wildberger dafür der Richtige ist, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. So berichtet das Handelsblatt mit Bezug auf Insider, dass manche darüber witzelten, dass nach Mediamarkt-Saturn der nächste „Sanierungsfall“ auf Wildberger warte. Andere fragten sich, ob der Manager dem zähen Verwaltungsapperat Ministerium gewachsen sei.
Es gibt aber auch viel Zustimmung für die Entscheidung von Friedrich Merz, jemanden aus der Wirtschaft in die Regierung zu holen. Zuvor habe der CDU-Parteichef etliche Absagen erhalten, primär wegen der viel geringeren Vergütung eines Ministers im Vergleich zum Gehalt eines Top-Managers. Als Ceconomy-CEO hatte Wildberger zuletzt 2,8 Millionen Euro erhalten, als Minister bekommt er rund 200.000 Euro im Jahr.
Karsten Wildberger ist Physiker, hat in München und Aachen studiert und auch promoviert. Nach einer ersten Station bei der Strategieberatung Boston Consulting Group hat der gebürtige Gießener verschiedene internationale Führungspositionen bekleidet, unter anderem bei T-Mobile und Vodafone. Von 2016 bis Sommer 2021 war Wildberger dann beim Energiekonzern E.ON als Vorstandsmitglied für den digitalen Wandel zuständig. Unter seiner Führung hat Ceconomy als Elektronikmärkte-Betreiber das Online-Geschäft ausgebaut. Nun soll er das neu geschaffene Digitalministerium führen.
Eine deutsche Antwort auf Elon Musk?
Ist es nicht ein Widerspruch, dass für das Ziel des Bürokratieabbaus extra ein Ministerium neu geschaffen wird? Nicht unbedingt, findet Familienunternehmerin Ostermann. Das Ministerium habe ja das Ziel, den Staat zu modernisieren und für Effizienz zu sorgen, so Ostermann gegenüber der ARD-Finanzredaktion. „Somit habe ich die Hoffnung, dass die Prozesse reformiert, modernisiert und digitalisiert werden und dann auch zügig Verwaltungspersonal eingespart werden kann, weil die Prozesse dann deutlich effizienter laufen.“
Ist der designierte Digitalminister und Topmanager Karsten Wildberger also die deutsche Antwort auf Elon Musk? Der Tech-Unternehmer war in der Regierung von Donald Trump angetreten, die US-Verwaltung zu verschlanken und die Staatsausgaben zu senken, aber an seinem Vorgehen gab es auch viel Kritik.
Ökonom Halver von der Baader-Bank sieht eine gewisse Parallele – auch wenn es ganz so radikal hier nicht kommen werde. Der Börsenprofi betrachtet die Personalie aber auch mit einer gewissen Sorge. „Ich gehe davon aus, dass ein Unternehmer der bessere Politiker ist, aber man muss ihn von der Kette lassen“, so Halver. „Es kann nicht sein, dass ein Unternehmer nur nach vorne gestellt wird, weil es gut aussieht. Und da bin ich gespannt, ob Herr Merz ihn gewähren lässt.“
Gemischte Manager-Bilanz
Branchenverbände wie Bitkom gratulierten dem neuen Digitalminister bereits nach seiner Ernennung und sehen in dem neu geschaffenen Ministerium einen Meilenstein. Am Ende wird sich der Manager Wildberger als Digitalminister an seinen Erfolgen messen lassen müssen.
Die Erfolgsbilanz des Unternehmens, das er gut dreieinhalb Jahre geführt hat, fällt gemischt aus. An der Börse jedoch eindeutig: der Aktienkurs von Ceconomy ist seit Amtsantritt von Wildberger um 20 Prozent gefallen. Seit Jahresbeginn immerhin sind die Aktien wieder deutlich im Plus.