Netzhautablösung rechtzeitig operieren
Eine Netzhautablösung gehört zu den wenigen Augennotfällen, bei denen buchstäblich jede Stunde zählt. Hebt sich die lichtempfindliche Netzhaut von der Aderhaut ab, versiegt die Sauerstoffzufuhr binnen Minuten. Schon nach sechs bis acht Stunden beginnen Photorezeptoren unwiederbringlich abzusterben; nach einem Tag sinkt die Chance, das Sehvermögen zu retten, drastisch.
Trotzdem berichten Betroffene immer wieder, dass typische Symptome wie Lichtblitze oder ein seitlich herabziehender „schwarzer Vorhang“ als harmlose Glaskörpertrübung abgetan wurden oder dass sie erst für den nächsten Tag einen Termin erhielten.
Diese Verzögerungen bilden den Kern vieler haftungsrechtlicher Auseinandersetzungen, denn jede versäumte Stunde kann den Weg in ein Leben mit dauerhafter Sehbehinderung eröffnen.
Warum jede Stunde zählt
Sobald die Makula – das Zentrum des schärfsten Sehens – vom Ablöseprozess erfasst wird, stürzt der Visus regelrecht ab: Von normaler Lesefähigkeit bleibt oft nur das Erkennen grober Umrisse. Selbst eine technisch perfekte Operation kann dann meist nur verhindern, dass völlige Blindheit eintritt; die verlorene Sehschärfe kehrt nicht zurück.
Aus diesem Grund definiert die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft für makulaschonende Ablösungen eine Maximalfrist von 24 Stunden zwischen Diagnose und operativer Wiederanlage.
Wird diese Frist überschritten, verschlechtert sich die Prognose exponentiell – und mit ihr wächst die haftungsrechtliche Verantwortung des behandelnden Augenarztes.
Leitlinien: Diagnose und Soforttherapie
Der fachärztliche Standard ist eindeutig. Erste Pflicht ist eine Funduskopie bei medikamentös weitgestellter Pupille; nur so lassen sich feine periphere Risse erkennen, durch die Flüssigkeit unter die Netzhaut eindringen kann. Ist die Sicht durch Glaskörpertrübungen verschleiert, verlangt der Standard einen hochauflösenden Ultraschall-B-Scan, weil er selbst minimale Ablösungen sichtbar macht. Bestätigt der Befund eine offene Ablösung, muss die Praxis noch am selben Tag eine Einweisung in eine vitreoretinale Klinik organisieren, damit dort eine Buckel- oder Vitrektomie-Operation erfolgen kann.
Jede Alternative – etwa eine Laserumstellung bei bereits abgehobener Netzhaut – verstößt gegen die Leitlinien und wird im Streitfall als Abweichen vom Standard gewertet.
Wo Augenärzte häufig Fehler machen
Trotz klarer Regeln häufen sich drei Fehlerbilder:
Erstens wird das Beschwerdebild vorschnell als „Floater“ interpretiert, sodass die erste Funduskopie um entscheidende Stunden verschoben wird.
Zweitens verzichtet die Praxis aus Zeitdruck auf die Pupillenerweiterung; periphere Risse bleiben dadurch unsichtbar.
Drittens wird eine bereits abgehobene Netzhaut dennoch gelasert, in der Hoffnung, die Ausbreitung aufzuhalten – eine Maßnahme, die Studien zufolge keine Rettung bringt, sondern wertvolle Zeit verliert.
Solche Versäumnisse lassen sich im Nachhinein gut belegen, weil Datum und Uhrzeit jeder Untersuchung sowie die angewendeten Methoden in der Patientenakte dokumentiert sein müssen.
Lebenslange Folgen für Betroffene
Eine verspätete Operation hinterlässt nicht nur medizinische, sondern auch existenzielle Narben. Wer den Führerschein verliert, weil das Gesichtsfeld eingeschränkt ist, verliert unter Umständen seinen Arbeitsplatz, wenn tägliches Pendeln oder das Führen von Maschinen zum Berufsbild gehört.
Berufe mit hoher Seh-Anforderung – etwa Chirurgie, Lokführung oder Grafikdesign – sind ohne intakte Makula kaum fortzuführen. Hinzu kommen laufende Kosten für Bildschirmlesegeräte, kontrastreiche Beleuchtung, Wohnungsanpassungen und Assistenzleistungen im Haushalt. Auch die seelische Belastung ist erheblich: Studien zeigen, dass Angst- und Depressionsraten nach einseitiger Erblindung deutlich ansteigen.
Rechtliche Bewertung und Beweislast
Aus juristischer Sicht wird geprüft, ob Diagnose und Therapie dem Facharztstandard entsprachen. Überschreitet der Augenarzt das 24-Stunden-Fenster ohne zwingenden Grund oder verzichtet er auf vorgeschriebene Untersuchungen, sprechen Gutachter häufig von einem groben Behandlungsfehler.
In dieser Konstellation kehrt sich die Beweislast um: Nicht Sie als Patient müssen belegen, dass die Verspätung Ihre Sehbehinderung verursacht hat; der Arzt muss darlegen, dass der Schaden auch bei rechtzeitigem Eingriff unvermeidbar gewesen wäre – ein nahezu unmöglicher Nachweis.
Schon im vorgerichtlichen Schriftwechsel lässt sich auf dieser Grundlage eine hohe Vergleichsbereitschaft der Haftpflichtversicherung erreichen.
Erste Schritte zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche
Sichern Sie zunächst sämtliche Behandlungsunterlagen. Fordern Sie die Patientenakte schriftlich an und bestehen Sie ausdrücklich auf Herausgabe aller Fundusfotos und Ultraschallclips; der Zeitstempel dieser Dateien macht den Ablauf rekonstruierbar.
Notieren Sie in einem Gedächtnisprotokoll genau, wann welche Symptome auftraten und welche Aussagen Ihr Augenarzt dazu gemacht hat. Mit diesen Dokumenten kann Ihr Patientenanwalt eine außergerichtliche Regulierung beginnen.
Zahlt die Versicherung nicht freiwillig, erhebt er Klage beim Landgericht. Dort beurteilt ein unabhängiger Sachverständiger den Fall; aufgrund der Beweislastumkehr steht der beklagte Arzt von Beginn an unter deutlichem Druck.
Frühzeitige rechtliche Hilfe sichert Ansprüche
Keine juristische Entscheidung bringt verlorene Sehschärfe zurück. Sie kann jedoch Ihre wirtschaftliche Zukunft sichern und dafür sorgen, dass medizinische Versäumnisse transparent werden.
Je früher die Unterlagen gesichert und fachlich bewertet sind, desto größer ist die Chance auf eine zügige, faire Entschädigung. Wenn Sie den Verdacht haben, dass bei Ihrer Netzhautablösung das Zeitfenster verpasst wurde, zögern Sie nicht: Die Verjährungsuhr läuft, während entscheidende Befunde rasch verblassen.
Als spezialisierter Patientenanwalt begleiten mein Team und ich Sie vom ersten Blick in die Akte bis zum Abschluss der Regulierung – damit Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren können: Ihr Leben neu zu fokussieren.